Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (2) — 1920

DOI Kapitel:
Nr. 141 - Nr. 150 (22. Juni - 2. Juli)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44127#0284
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Politische Uebersicht.

„BsLkszeitLMg"
2. Blatt. - Donnerstag, 1. Juli 1920.

Kampfansage der Schwerindustrie.
(Eigene Meldung.)
Die ordentliche Hauptversammlung des Bergbauvereins und
bes Zechenverdcmdes nahm unter dem Vorsitz Dr. Hugenbergs
in fchärsster Weise gegen die Sozialisierung des Kohlenbergbaus
Stellung. Die Pläne Ralhermus wurden als „Blitzableiter für die
seiner eigenen Industrie drohende Gefahr" verdächtigt, (!) Aufs
schärfste wurde die politische Orientierung der Gewerkschaften ver-
urteilt. nur unpolitische Gewerkschaften könnten in den Arbeitsge-
meinschaften positive Arbeit leisten.
Angesichts dieser Stellungnahme des schwerindustriellen Unter-
nehmertums, das politisch in der Vvlkspartei organisiert ist, ist es
uns unverständlich, wie Reichskanzler Fchrenbach davon sprechen
konnte, doch sein Programm einstimmig vom Kabinett ange-
nommen worden sei. Unseres-Wiffens ist darin auch von der Sozia-
lisicrung die Rede, sowie von den Arbeiten der SozialisierUMskom-
mission. Soll die obige Stellungnahme Hugenbergs ein Auftakt
fein für die Art, mit der die volksparteilichen Minister die Kohlen-
sozialisierungsarbeiten sabotieren werben?!

Die EutNmffrrrmg Deutschlands.
8n der ersten der drei von dem Vorsitzenden der deutschen Frie-
densdelegation in Paris übermittelten Noten über die
Entwaffnung heißt es unter anderem:
Am 21. Juni nach Ablauf von beinahe sechs Monaten seit Inkraft-
treten des Friedensvertrags sind die meisten der Bestimmungen des Frie-
densvcrtrags über Land he er, Luftfahrt und Material noch
unausgeführt oder unvollständig ausgeführt. Die alliierten Regierungen
haben nach ernsthafter Prüfung dieser Sachlage einstimmig beschlossen,
die kn dem von Deutschland unterzeichneten Fricdensvertrag enthaltenen
Bestimmungen über die Entwaffnung, sowohl was die Hreresstärke
als auch was das Kriegsmaterial betrifft, in vollem Umfange ausrecht-
zuerhalün und deren schon allzulange verzögerte Durchführung unverzüg-
lich zu betreiben. In gleicher Weife erwarten die alliierten Regierungen,
daß die deutsche Regierung ihnen leinen Antrag auf Aenderuna der mili-
tärischen Bestimmungen des Vertrags mehr vorlegen werde, da solche An-
träge nur abschlägig beschirden werben könnten, urch daher nutzlos
nur neue Verzögerungen mit sich bringen würden. Die Antwort der
alliierten Regierungen auf den Antrag der deutschen Regierung wegen
Beibehaltung eines Heeres von 200 008 Mann geht dahin, daß die mili-
tärischen Sätze Deutschlands auf die durch den Friedensvertrag bestimmte
Stärke von 108 080 Mann und in der durch diesen Vertrag vorgesehenen
Gliederung zu belassen sind, daß die Sicherheitspolizei innerhalb von
drei Monaten vollständig aufzulösen ist und daß anderseits die Stärke der
Polizei auf 150 080 Mann erhöht, somit uni 70 000 Mann im Vergleich
zur Stärke von 1013 vermehrt wird. Des weiteren fordern die alliierten
Regierungen die deutsche Regierung auf, unverzüglich die deutsche Gesetz-
gebung entsprechend den Bestimmungen des Artikels 211 mit den militä-
rischen Bestimmungen des Vertrags in Einklang zu bringen, gesetzliche
Maßnahmen zu treffen, um entsprechend dem Artikel 170 die Ausfuhr von
Kriegsmaterial nach dem Auslände zu verbieten, die Formationen der
Einwohnerwehren, die im Widerspruch mit der Entschließung vom 8. April
Noch fortbestche«, tatsächlich aufzulösen und die Auslieferung der Waffen
dieser Formationen durchzuführen.
Die zweite Note sagt in Bezug auf die von der deutfchcn Re-
gierung erbetene vorläufige Verlängerung, haß dis alliierten
Regierungen keine Veranlassung haben, eine erneute Verlängerung der
von ihr gestellten, am 18. Juli ablaufenden Frist zuzusiimmcn. Wenn die
Rächte auch entschlossen sind, die Abrüstung Deutschlands den Vertrags-
bestimmungen gemäß durchzuführen, so erkennen sie gern an, daß die ehe-
tnaiigen Polizeuräste nach dem Stande von 1913 nicht allen Bedürfnissen
genügen können. Die alliierten Regierungen sind bereis eine Vermehrung
der Polizeikräfte zu genehmigen. Sie können aber unter kei-
nem Vorwande zulasten, daß diese Vermehrung durch Beibe-
haltung der Sicherheitspolizei, einer Polizeitruppe von aus-
gesprochen militärischer Art und Organisation, skattfindet. Die Aus-
losung der Sicherheitspolizei muß binnen einer Frist von
drei Monaten von der Absendung dieser Note ab beendet sein. Die Mächte
geben ihre Zustimmung, daß die alte Ordnungspolizei bis auf 150 000
Rann vermehrt wird, jedoch unter der Bedingung, daß die Ordnungs-
polizei ihren Charalter als örtliche und Gemeindepolizei wahren muß und
vom interalliierten Ueberwachungsausschuh festgesetzt wird.
Die dritte Note besagt u. a., unter Bezugnahme aus die Artikel
<01 und 202 des Vertrags von Versailles habe die Konferenz entschieden,
daß sie Herstellung und Linsuhr von Luftfahrmaterial,
d>ie sie in Artikel 201 des Vertrags von Versailles vorgesehen ist, inner-
halb von drei Monaten, beginnend mit dem Augenblicke, in welchem diese
Rächt das gesamte Lustsahrmaterial des Heeres und der Marine abge-
"esert hat, und den die alliierte Luftüberwachungskoimnission ossiziell
Anzeigen wird, im gesamten Gebiete Deutschlands untersagt bleibt.

„Meinungsfreiheit" in der U.S.P.D
Heinrich Ströbel ist von seinen Steglitzer Parteigenos-
stn aus der unabhängigen Parteiorganisation ausgeschlossen worden.
Eie hoben kurzen Prozeß mit dem Ketzer gemacht. Der Ausschluß
^'-folgte ohne Anhörung Ströbels, ohne Untersuchung und Schieds-

? Einmal zur Macht gekommen gleichen sich die Menschen s!
alle. Immer derselbe Wetteifer um dis Autorität, dasselbe xz
Mißtrauen zum Volk, derselbe Fanatismus der Ordnung. »«
Proudhon. »
Der Schandfleck.
Eine Dorfgeschichte von Ludwig Anzengruber.
(79. Fortsetzung.)
. Es war hock am Mittage, als er den Grasboden erreichte und
M einmal wieder, wie aus der Erde gewachsen, vor den Arbeits-
guten stand, deren verlegene Mienen ihn wohl merken ließen, baß
sie sich seine Abwesenheit zunutz gemacht; aber er schalt nicht. „Lei,
sagte er, „tut nit lauleln, Leut! Ich verlang von kein' mehr, als
sich P Tag über schaffen laßt, das aber wohl. Seid nur auch billig,
fchL bin."
Er nahm den Großknecht beiseite. „Heiner, morgen mußt du
-sich als Herrn ausipiel'n. Ich fahr zur Eisenbahn. Trag mir
,chrg, haß Roß und Wagen rechtzeitig bereit stehn. Der alte Sepp
O'M wenig mehr bei der Feldarbeil und geht nit ab, er mag mit-
ur'n und auf der Station warten, bis ich Heimkehr."
Er rieb sich vergnügt die Hände.


Auf dem Reindvrfer Hofe ging es es reckst lebhaft zu. Gegen-
s- auf der Anhöhe vor dem Tannemväldchen krachten Böller, Pi-
zsi.-.x" wurden im Hofe abgefeuert, es herrschte lauter Jubel, Höch-
ster war im Hause.
den ^achdem die alte Rsindorferin gestorben war, redete alles auf
uE?.Bauern ein und stellte ihm vor, wie er es nun doch nimmer
Nick? weche richten und machen können. Schon damit die Wirtschaft
öurückginge, sollte er sie doch beizeiten seinem Leopold über-
"aw "si'd heiraten lassen, wenn es nicht anders wäre, in Gottes-
wenn" dw Melzer Sepherl, die werde sich ja auch anders anlassen.
'" Man ein Einsehen mit ihr hat, und jung waren wir alle, mein

geeicht Grund: Ströbel hat in der „Wettbühne" Artikel veröffent-
licht, in der die Politik d e r Ü.S.P.D. kritisiert wurde.
So sieht die Meinungsfreiheit bei den allein echten Revolutonären
aus. Wer in der unabhängigen Partei e i n e eigene Mei-
nung hat, wer noch etwas auf Demokratie gibt, nicht auf die
Diktatur und Moskau schwört, der fliegt. Kants ky wird
wohl bald Nachfolgen.
" -- - >
Minner außenpolitische Anschauung.
Paris, 28. Juni. (Meldung der „Voss. Ztg.") Dem
Sonderberichterstatter des „Matin" in Berlin, Jules Sauer-
wein, sagte Hugo Stinnes in einer Unterredung u. a.
folgendes: Sieger und Besiegte hätten jetzt die
Pflicht, zu produzieren und Werte zu schaffen, um
die durch den Krieg vernichteten Werte zu ersetzen. In Spa
ist man in Begriff, dieses Werk ins Auge zu fassen, aber
Spa kommt leider viel zu früh, es werde
ein Fiasko für alle Beteiligten werden. Man hätte noch
einige Monats verstreichen lassen sollen, dann hätten die
wirtschaftlichen und sozialen Probleme sich so entwickelt, daß
die Lösung sich von selbst ergeben hätte. Trotzdem- hält
Stinnes die internationale Solidarität auf
finanziellem und wirtschaftlichem Gebiete für durchführ-
bar und notwendig. Er wies darauf hin, daß die Länder
ebenso sicher an Geldüberfluß wie an Geldmangel streben.
Eine zu starke Valuta ertrüge man ebenso schwer wie eine
zu schwache Valuta. Deshalb seien die Neutralen und
Amerika gezwungen, am europäischen Wiederaufbau mitzu-
arbeiten.
Stinnes fuhr dann wörtlich fort!' „Was wären dis
Aktiven dieser Weltgesellschaft, deren Ziel die
Wiedergutmachung all dieser Schäden wäre? Meines Er-
achtens sollte inan sie nicht in einer Anleihe, sondern in
internationalen Steuern suchen. Aber die wich-
tigste Grundlage dieser allgemeinen Arrangements ist
eine französisch-deutsche (Solidarität, die durch
dis Nachbarschaft, den Krieg und den obligatorischen Aus-
tausch von Eisen, Kohle und anderen Erzeugnissen erforder-
lich gemacht ist. Zwischen unseren Ländern könnte sich
dank den Arbeiten einer völligen Schiffbarmachung des
Rheins und der Mosel und dank der vollständigen Aus-
nutzung der Wasserkräfte ein intensivster Handel entwickeln.
Diese Gesamtorganisation könne und müsse unter
französischerLeitung stehen. Aber zu diesem Zwecke
wäre die äußerste Stärkung aller Produktionsmittel der En-
tente notwendig, und ich bezweifle, daß sich dies schon ver-
wirklichen läßt in der Atmosphäre von Mißtrauen, die durch
die politischen Reibungen geschaffen wird. Mittlerweile
muß man immer befürchten, daß die durch lange Ent-
behrungen verbitterten Massen sich zu heftigen Bewegungen
hinreißen lassen.

Ausland.
Großdeutfchtand und Hohenzollewtnm.
Zürich, 29. Juni. Die sozialdemokratische Zeitung das
„VoKsrecht" berichtet über eine Hohenzollernbewegung in Oester-
reich, besonders in den Alpländern:
Der Anfchlußgedank-e an Deutschland unter Wiederher-
stellung der Hshenzollernherrschaft schließt diese
Partei zusammen/ klhr Anfang findet sich hauptsächlich in den a k a-
d e m i f ch e n Kreisen, wie Studenten, Professoren ufw., ferner
in der Bevölkerung der an das Deutsche Reich angrenzenden, schon
vor dem Kriege meist altdeutschen Gebiete, wie Deutschböh -
men, Tirol, Salzburg nsw. War die großdcuffche Partei
in der ersten Zeit nach! dem Umsturz ziemlich in den Hintergrund ge-
drängt, so bildete sich nach und nach, wenn auch in der Minorität
geblieben, als immer stärker werdende Gruppe und zieht heute schon
nicht unbedenkliche weite Kreise. Ihr steter Ruf nach dem Anschlüsse
an Deutschland wurde immer populärer, je mehr die Herrschaft der
Sozialdemokraten von Tag zu Tag unpopulärer wird, zumal auch
viele Oesterreicher glauben, daß Oesterreich niemals allein als Son-
derstaatengsbilde bestehen könne und nur durch den deutschen An-
schluß Zu retten wäre. Berlin tut sein übriges. Wie sich hier hinter
der altdeutschen Bewegung die Hohenzollernrichtung verbirgt, so find
auch! in Deutschland nicht die heutigen offiziellen Regierungskreife,
sondern die reaktionären Elemente die Drahtzieher. Diese letzteren
traten nun seit etwa drei Monaten mit den hiesigen Altdeutschen in
nähere Fühlung und verwendeten große Summen für Propa-
g a ndaz w e ck e. Acht Millionen Mark gingen nachTir 0 l mir
sechs Millionen Mark wurde in Graz eine Zeitung „Der deutsche
Michel" für Propaganda gewonnen. 18 009 Mk. flössen der
Mensa academica in Wien zu, einige tausend Mark dem
Pfadfinderkorps und größere Summen den einzelnen
altdeutschen Studentenverbindungen und Pro-

Himme-l, das gibt sich mit der Zeit! Allerdings das Jungsein pflegt
sich mit der Zeit zu geben. Der Alte wollte auch wieder etwas
„Weiberhafts" aus dem Hofe haben, es war recht kindisch, daß er
dabei an die Magdalen dachte und sich die Melzer Sepherl auf-
reden ließ, aber es waren ihrer so viele, die da zuredeten und ihn
ganz verwirrt machten, so daß er eines Tages ja sagte; die late
Hex, der Sepherl ihre Mutter, war ja mittlerweile gestorben und
die hatte er am meisten gefürchtet. So kriegten sich denn der Leo-
pold und di? Sepherl und heute hielten sie Hochzeit.
Nur kein Verwandtes bei der Feier, 'der Onkel Schulmeister
war gestorben, die Magdalen — schützte man vor —, wär zu weit
weg, um sie einladen zu können, und die Schwester Elisabeth war
weggeblieben; die war mit der neuen Verschwägerung gar nicht
einverstanden und als ihr gegenüber der Alte entschuldigend meinte,
daß ihm halt so viel zugsredet worden sei und daß er hoffe, es
werde wohl alles zum Guten ausgehen, da hatte sie gesagt: „Er-
zwingen härt man deine Einwilligung doch nie können, und daß du
die hast in Verwandtschaft kaffen, verzeiht dir mein Mann nimmer
und ich auch nicht."
Auch dem Grasbodsnbauer kam diese Hochzeit verquer und er
war nicht sonderlich erbaut, als er vom Wagen stieg, den er in der
Kreisstadl gemietet hatte, und nun in dem Trubel und aus dem
Menschengewirr den Mann heraussinden sollte, dem er sich in einer
stillen Stünde und traulichen Ansprache gegenüber dachte, wobei
ihnen beiden das Herz ausgehen mochte. Indes an Ort und Stelle
war er einmal und diese lagen doch etwas zu weit ad, als daß man
sich so leicht entschlösse, umzukehren und ein andermal wiederzukvm-
men, so trat er denn in den Hofraum und bat einen dort lärmenden
Burschen, ihm den Reindvrfer auf einen Augenblick abzurufen.
„Den Bräutigam?" fragte der höchlich verwundert.
„Nein, den Vater!"
„Ah so, den Alten?" Der Bursche zuckte geringschätzig die
Achseln, man sah, daß ein neu Regiment auf dem Hofe begann.
„Ah so, den Alten? der hat -sich verzogen, der sitzt im Garten in der
Lauben, mein ich. Sitzt der Ate nit M der Gartenlauben?"
wandte er sich an ein paar Nächststchende.
„Ja, der sitzt in der Gartenlauben."
Der Grasbodenbauer begab sich in den Garten, er stand nach

pagandavereinen. Von alledem sieht aber die Wiener Re-
gierung nichts, während die Bewegung in Steiermark, Kärnten, Ti-
rol, Salzburg und nicht minder in Wien immer weitere Kreise zieht,
wo P r v f ess 0 r e n und Past 0 ren unter Leitung der großdeut-
schen Abgeordneten eifrig agitieren. Schon sind auch viele Christ-
lichsoziale, sogar viele Habsburgermonarchisten und Offiziere aus
altdeutschem Lager LbergeMvenkt. Die Mächtigen reaktionären
Kreise, Imster und Offiziere in Deutschland, träumen von einem
GrofzdeuLfchland mit Oesterreich, an das sie die Alpenlande, Bvh.
men, Mähren und Schlesien analiedern wollen.
Das große, fertige deutsche Reich, als Zentralwacht unter dem
Zepter Hohenzollerns, wobei man mit Ungarn (nicht umsonst mußt«
seinerzeit der Hohcnzollernprinz in Wort und Schrift die ungarisch«
Sprache erlernen) liebäugelt. De r -e i ge n tI i ch e H 0 h en z o!-
l e r n h e r d i n O e st e r r e i ch i st G r a z, wo sich alles zentrali-
siert. Wie gesagt, neigen gewisse Kreise Tirols und Salzburgs
m e h r z u B a y e r n, unter dem Monarchen PrinzRup recht
von Bayern hin. Die Nordböhmen werden teils von Deutsch-
land aus, die Sudetenländer von Wien aus (Teufel, Fuchs, Klub
der Süddeutschen) organisiert. Eine neue Gründung ist der natio-
nale Verband österreichischer Offiziere unter der Führung der Ge-
nerale Krauß und Bardolsf, die auch unbedingt zwecks Besprechun-
gen in Deutschland weilten. Die gesamte Bewegung ist erst im An-
wachsen begriffen, hat aber in eigentlich kurzer Zeit große Fort-
schritte gemacht und ist politisch nicht zu unterschätzen.
Sie hofft, daß die Entente mit der Zeit bei dem Anschlüsse dann
doch nachgcben wird und dann ihre Zeit gekommen ist.

Die Einigkeit der französischen Gewerkschaften.
Zürich, 29. Juni. Der Kongreß der französischen Berg-
arbeiter in St. Etienne nahm mit großer Mehrheit eine
Tagesordnung an, die die u n g e s ch w ä ch t e E i n i g k e i t s ä m t-
licher Gewerkschaften betont, den Eisenbahnern aber den
Vorwurf macht, ihren Streik in einem ungeeigneten Augenblick und
ohne genügende Aussprache mit der Allgemeinen Ar-
beitervereinigung vom Zaune gebrochen zu Haden. Die Statuten
der Allgemeinen Arbeiterveveinigung sollen in dem Sinne redigiert
werden, daß künftig ein Generalstreik nur nach voranU^Aw
gener Aussprache zwischen sämtlichen GevöerffHäfien beschlossen
und nur durchgefüyZ werden darf, wenn wenigstens zwei Drit-
l e l von ihnen sich dafür aussprechen.
Der amerikanische demokratische Konvent für den Völkerbund.
Rotterdam, 29. Juni. Auf dem demokratischen Konveni
nannte der derzeitige Vorsitzende Cumnings in der Eröffnungs-
rede die Völkerbundssatzungen die Monroelehre der Welt
und bezeichnete die Ablehnung bes Friedens-Vertrages durch den
Senat die schwärzeste Seite der amerikamfchen Geschichte. Die
gegen Wilson gerichteten Angriffe kennzeichnete er als böswillig.
NickstmitAieder des Völkerbundes seien das revolutionäre Mexiko,
das bolschewistische Rußland, die jämmerliche Türkei und die Ver-
einigten Staaten. Mit dem Hinweise, daß es noch nicht zu spät
sei, forderte Cumn-ings Amerika auf, durch Unterstützung der demo-
kratischen Partei und ein Programm der Entwaffnung und 'Ver-
brüderung der Welt für die Zivilisation einzut-reten.

Soziale Rundschau.
* Die Hausangestellten fordern Festsetzung ihrer Höchstarbeits»
zeit. Kürzlich sanden in verschiedenen Teilen des Reiches De-
mvnstrationsversammlungen der Hausange-
stellten statt. Es wurde Protest erhoben gegen die übermäßig
lange Arbeitszeit, die in diesem Berufe immer noch Mich ist. Die
Veranstaltung, sollte der Oeffentlichieit vor Augen führen, daß es
auch jetzt noch eine arbeitende Bevölkerungsschicht gibt, die bisher
bei allen gesetzlichen Regelungen vergessen worden ist. Ein Gesetz
für die Hausangestellten an Stelle der Gesindeordnung ist aller-
dings in Bearbeitung, aber die Hausfrauen suchen mit allen Mit-
teln, -eine gesetzlich festgelegte Arbeitszeit zu'vereiteln. 6n einer
Resolution, die gegen die bestehenden Mißstände protestierte,
-wurden an die Gesetzgeber folgende Forderungen gestellt:
Der Hausangestellte hat eine Arbeitszeit von 10 Stunden, sie
darf nicht vor 6 Uhr morgens beginnen und nicht nach 8 Uhr abends
enden.
Der jugendliche Hausangestellte unter 18 Jahren darf nicht
länger als 8 Stunden beschäftigt werden und daxf die Arbeitszeit
nicht vor 7 Uhr morgens beginnen und nicht nach 7 Uhr abends
beenden.
An einem zu vereinbarenden Wochentage muh die Arbeitszeit
um 3 Uhr nachmittags und am Sonn- und Feiertag um 2 Uhr been-
det sein.
Jeder vierte Sonntag ist ganz arbeitsfrei.
Die Pausen betragen täglich 2 Stunden.
Unabhängige und Gewerkschaften. Die „Gewerffchaft", das
Organ der Staats- und Gemeindearbeiter, berichtet in ihrer Nr. 22
über eine Versammlung in Grafenwöhr in Bayern. Dort ist ein
M-ilitärbetrieb aufgelöst worden, und es ist nicht gleich gelungen,
alle Entlassenen unterzubringen. Diese Entlassenen hetzten nun gegen
den Verband. In einer Versammlung wurde -eine Ortsgruppe des
christlichen Verbandes gegründet. Die „Gewerkschaft" schreibt

wenigen Schritten vor 'der Laube und hielt still inne. Hm Schatten
des überwuchernd dichten BläÄerdaches faß ein silberhaariger
Alter, der einen Brief in den zitternden Händen hielt und oft wäh-
rend des Lesens wie ungläubig lächelte und den Kopf schüttelte, im-
mer danach brachte er das Schreiben dem Auge näher; jetzt war er,
wohl auch nicht zum erstenmal, damit zu Ende gekommen und fal-
tete es bedächtig zusammen, „'s Glück meinet ihrs gut," murmelte
er, „'s Glück wollt ihr schon, kam nur mx dazwischen, 's gffchäh mir
hart."
„Kein' Sorg'," sagte, hinzutretend, der Grasbauer.
„Jesus, wer ist denn da?" fragte zusam-menschreckend der Alte.
„Einer, der's ehrlich meint. Grüß Gott, Reindvrfer.
„Mein Je, wer der mich kennen will und ich entsinn mich nit.
aber gar nit."
„Glaubs wohl, wir s-eh-n sich heut 's erste Mal, aber die
Schrift af'm- Brief, den d' zu dir gesteckt hast, is mir nit fremd."
„Er is von meiner Jüngsten, von der Leist."
„Ich weiß's und mehr auch noch, ohne ein Hexenmeister z'sein;
ich weiß gar, was dreinsteht."
„No, dös doch nit."
„Ei wohl. Schreibt s' nit von Hinterhalden all's Gute und
Schöne? Daß s vom Grasbobenhof z' Föhrndorf als Dirn weg
is und als Bäurin draufkimmt?"
„Ja ja. schau einmal!"
„Und rat ich weit um, wenn ich sag, 'daß s' 'n selben Bauern
ihr'n Kaspar nennt, und 's Liebere und Schönere von ihm schreibt?"
„Ei freilich," lacht-e der Alte, das tut sie halt ja, wirb ihm
wohl auch gebühr'n."
„Ob's ihm gebührt, dös streit ich nit, aber daß sie 's guten
Glauben is, da drüber is niemand froher wie ich! Und nach all
dem, was hitzr g'red't is, gib ich dir wohl auch kein schwer Rätsel
mehr auf wenn ich dich frag: Wer, meinst, rver ich bin?"
„Ei, du niem," sagte der alte Mann sich etwas mühevoll er-
hebend. „Wirst doch du nit etwa selber der Gras-bodenbauer sein?"
„Seiber," lachte der, „'s tut's kein andrer für mich." Er bot
dem alten Reindvrfer die Hand, drückte ihn wieder auf den Sitz
zurück und nahm an seiner Seite Platz. „Ich bin g'kommen, bei dir
um Magdalen anzuhalten."
 
Annotationen