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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 11.1911/​1912

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Heft 6.
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Redaktioneller Teil
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Geber und Nehmer der Kunstbildung: VIII
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Der preußische Hoflieferantentitel
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Vermischter Nachrichtenteil
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https://doi.org/10.11588/diglit.52948#0085

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heft 6.

Die Werkstatt der Kunst.

75

Die vielleicht vielseits erwartete Opposition gegen das
Gymnasium tritt auch bei den Künstlern weit zurück gegen
eine vielfache Anerkennung. Die Lehrerpersönlichkeit wird
im ganzen Buch immer wieder als Hauptsache gerühmt.
Aber gerade zwei Künstler schränken die Ausschließlichkeit
dieses Standpunktes ein. „Neben den Eindrücken, die ich
einzelnen wirklichen Persönlichkeiten unter meinen Lehrern
danke, stehen dauernd und fruchtbar die Eindrücke, die ich
dadurch erhielt, daß man meiner Persönlichkeit freien
Spielraum ließ, ja richtiger gesagt, meine Persönlichkeit
dadurch zu wecken begann, daß man ihr Vorhandensein
voraussetzte." So Fritz Schumacher. Und Georg
Schuster-Woldan sagt: „Bis zu einem gewissen Grade
muß aber auch das System verantwortlich gemacht werden."
Ersterer empfiehlt für eine untere Schulstufe Naturge-
schichte usw. und erst für eine obere Fremdsprachen (eine
bekannte Forderung), verrät auch sonst Feingefühl für
Altersstufen und gewinnt dem Ueberfetzen Gutes ab.
Letzterer betont die „große Tradition" der „toten" Sprachen;
„welch ein Schutzwall gegen die Gefahr, von den Moden
des Tages erdrückt zu werden!" — Fritz Baer erzählt
ausführlich und freundlich vom Gymnasium, einschließlich
Zeichenstunde. „An meinem sonstigen wissen vom Gym-
nasium und Universität her ist meine Malerei nicht zu-
grunde gegangen, im Gegenteil" usw.
worin der Anfang aller unserer Schulreform bestehen
müßte, haben zahlreiche Gutachter erkannt. So der ver-
storbene Heinrich Lick mann, dessen sympathische Per-
sönlichkeit übrigens auch hier rührend hervortritt. „Richtig
genommen, hat das Kind für Unwissen keine Strafe ver-
dient, das viele Züchtigen kommt nur daher, weil viel
zuviel Schüler in einer Klasse untergebracht sind."
wahrscheinlich würden dem auch Die zustimmen, die
Gewicht auf das richtige Finden und Behandeln der vor-
handenen Fähigkeiten legen. Earl Haider führt „aus
Erfahrung" an, „daß es zur wichtigsten Aufgabe des
Lehrers gehört, besonders ins Auge zu fassen, nach welcher
Seite hin sich die Fähigkeiten des Schülers richten, um auf
eine erkannte Fähigkeit desselben dann anregend und
fördernd einwirken zu können. Besonders muß dabei auch
auf die Gemütsentwicklung des Schülers gesehen werden."
Richard Pietzfch: „Die einseitige Pflege des Verstandes ...
halte ich für das schlimmste an der ganzen Sache. Am
meisten hat mich auf dem Gymnasium die völlige Nicht-
beachtung, Nichtbewertung des Charakters des Schülers
bei seiner Beurteilung empört." Auch Hans Thoma
würde mehr wert auf Charakterbildung legen, „als auf
das viel- und Alleswissen — wie man aber das macht,
weiß ich nicht, das ist Sache der Schulmänner — wohl
eine recht persönliche Sache derselben".
Die praktische Schulung, die Schule des Lebens
betont als das wichtigste Leo Sam berg er; Vorstudien
beim Dekorationsmaler scheinen ihm lieber zu sein, als
„klassische" Vorbildung, obwohl er auch ein Wort fürs
Auswendiglernen einlegt. Auf die von der Pädagogik
längst geforderte Erforschung des Lehrerfolges kommt Karl
Vinnen: er bedauert, „daß die Lehrer das Schülermaterial,
das sie heranbilden, späterhin ganz aus den Augen ver-
lieren, so daß sie nur säen, ohne die Ernte genau prüfen
zu können". Dazu die Bemerkung Heinrich Wolffs,
daß unter den Schülern aus den „Ersten" im Einfluß auf
die übrigen ebenso wie aus den „Klassenersten" meist etwas
sehr harmloses geworden. Derselbe bemerkt auch das vrele
vergessen des Erlernten, möchte jedoch annehmen, „daß
vieles unbewußt schlummert oder an meiner Gesamtkon-
struktickn mitgearbeitet hat".

Zum Schlüsse mögen wir uns der Pointe erfreuen,
mit der Robert Breyer seine Darlegung schließt: „Lieber
Lehrer, wenn du einen deiner Jungen erwischest, der von
dir eine treffende Karikatur in seinem Lehrbuch gefertigt
hat, so bezähme dein Handgelenk und deine Zornesröte,
freue dich über sein Talent und feure ihn an, dich noch
einmal von der andern Seite abzukonterfeien!"
Oer preuMcke Hoflieferanten titel.
Auf Veranlassung des königlich preußischen Gber-
kämmereramtes hat das preußische Ministerium des
Innern eine Verfügung erlassen, nach der die Führung
des Hoftitels einige Aenderungen erfährt. Ls wurde die
Beobachtung gemacht, daß Hoflieferanten des preußischen
Königshauses sich die Bezeichnung „Königlich preußischer
Hoflieferant" beilegten. Dieser Titel ist aber, wie das
Vberkämmereramt mitteilt, falsch. In Preußen er-
nannte Hoflieferanten dürfen sich nur „Hoflieferant Seiner
Majestät des Königs" nennen. Auch darf, da die Ver-
leihung des Titels eine persönliche ist, die Bezeichnung
„Hoflieferant" nicht mehr nach dem Tode des damit Aus-
gezeichneten auf die Firma übergehen oder nach Verlegung
des Geschäftes an einen anderen Grt weitergeführt werden,
wie dies bisher gebräuchlich war. Handwerker, die den
Hoftitel verliehen erhalten haben, dürfen künftig nicht
mehr die Bezeichnung „Hoflieferant" führen, sondern nur
den Meistertitel ihres Handwerkes mit dem Vorworte „Hof",
so z. B. „hofschuhmachermeister Seiner Majestät des Königs".
Die bisher allgemein verbreitete Sitte der Hoflieferanten,
das Wappen mit der preußischen Krone auf ihren
Geschäftskarten zu führen, wird durch die Verfügung eben-
falls aufgehoben. Ein Recht zur Anbringung eines
Wappenschildes besteht lediglich für die Außenfront des
Geschäftslokales. Die Verleihungsurkunde darf von
jetzt ab nicht mehr zu Reklamezwecken in Schau-
auslagen angebracht werden.
hierzu schreibt das „Berliner Tageblatt" vor dem
Bluffen der gewerblichen Firmen könne man sich durch Zu-
rückhaltung wohl noch schützen. „Anders liegt das bei den-
jenigen Auszeichnungen, die heutzutage von den Fürsten
nicht für gelieferte waren, sondern für dem Hof ge-
lieferte Kunst verliehen werden, wenn man in Deutsch-
land eine Statistik darüber aufnehmen würde, wie viele
profefsorentitel und Große Goldene Medaillen
für Kunst und Wissenschaft in den letzten Jahren und
besonders von den Beherrschern der deutschen Kleinstaaten
an Leute verliehen worden sind, die kaum außerhalb der
wenigen Ouadratmeilen jener Kleinstaaten ein Mensch
kennt — man würde zu ganz erstaunlichen Zahlen kommen.
Der Betrieb ist sehr lebhaft. Diesen Professoren aber und
den also gewordenen Inhabern der Großen Goldenen Me-
daille — welch ein Gepränge liegt allein in dem Namen
dieser Dekoration! — kann niemand, wie dem Warenliefe-
ranten, es ansehen, daß sie nicht auf Vorschlag und Be-
fähigung von sachverständigen Männern, ja auch nie nach
einer genaueren Prüfung ihrer «Dualitäten, sondern einfach
durch den Willensakt eines niemandem verantwortlichen
Fürsten ausgezeichnet worden sind."
wenn man nun noch in Betracht zieht, daß die Käuf-
lichkeit derartiger Auszeichnungen kleiner Höfe in er-
schreckender weise überhand genommen hat, so ist es sehr
zu begrüßen, daß der preußische Staat Ernst damit
machte, sein Wappenschild vor den anstürmenden wogen
der kleinstaatlichen Bauernfängerei energisch zu
schützen. v. N. v. K.

Vermischter Nachrichtenteil.

- Geplante Ausstellungen
Berlin. (Die Begas-Gedächtnisausstellung) in der
Akademie der Künste findet in der zweiten November-

woche statt. Der Präsident der Akademie, Prof. v. Kampf,
hat unter den Werken des verstorbenen Meisters selbst die
Auswahl für die Ausstellung getroffen. Der Kaiser wird
die Ausstellung besuchen.
 
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