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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 11.1911/​1912

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Heft 48.
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Redaktioneller Teil
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Rothe, Friedrich: Das Recht des Künstlers an seinen Werken, 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.52948#0669

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heft §8.

Die Werkstatt der Kunst.

659

Redaktioneller Teil.

Vas Reckt cles Runftlers an seinen
Merken. I!
(vgl. heft 2^.)
Im heft 21 vom 19. Februar 1912 habe ich
eine bedeutsame Entscheidung des Rammergerichts
über das Recht des Künstlers an seinen Werken
mitgeteilt. Da der Zachverhalt nicht mehr allen
Lesern in Erinnerung sein wird, sei er nochmals kurz
wiederholt:
Lin bekannter Künstler hatte im Jahre 189^ auf
Bestellung einer Hauseigentümerin für den Treppenstur
ihres Hauses, in welchem außer der Besitzerin noch eine
Mietspartei wohnt, ein Freskobild gemalt, welches ein
Felseneiland mit singenden unbekleideten Sirenen dar-
stellt. Die Bestellerin hat später ohne Zustimmung des
Künstlers die Sirenen derart übermalen lassen, daß sie
jetzt bekleidet erscheinen. Der Künstler hielt diese Aende-
rung seines Bildes für unzulässig und erhob Klage mit
dem Anträge:
1. die Beklagte zu verurteilen, die Uebermalung zu be-
seitigen;
2. ev. Vorkehrungen zu treffen, daß das übermalte Bild
dem öffentlichen Anblick entzogen wird;
3. eventualissime festzustellen, daß die Beklagte nicht be-
rechtigt ist, das übermalte Bild in unverhülltem Zu-
stande im Treppenhaufe zu lassen.
Das Landgericht hatte unter Abweisung des
Hauptantrags die Beklagte nach dem Anträge zu 2.
verurteilt. Das Kammergericht hatte auf die
Berufung beider Parteien das Urteil des Landgerichts
aufgehoben und die Beklagte nach dem Hauptantrage
verurteilt, die Uebermalung zu beseitigen.
Das Reichsgericht hat nun das von der Be-
klagten durch die Revision angefochtene Urteil des
Kammergerichts, welches auch in der Tagespresse
als zu weitgehend angegriffen worden ist, höchst er-
freulicherweise bestätigt. Das Urteil, das für die
Fortentwicklung des künstlerischen Urheber-
rechts und Persönlichkeitsrechts von größter
Bedeutung ist, sagt u. a. folgendes'-
„In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle des
täglichen Lebens wird ein Konflikt zwischen dem Urheber-
recht des Künstlers und dem Eigentumsrecht des Be-
sitzers des Kunstwerkes nicht praktisch werden, wo er
aber im Linzelfalle eintritt, da kann grundsätzlich das
Urheberrecht nur unbeschadet des Eigentums-
rechts, das Eigentumsrecht nur unbeschadet des
Urheberrechts ausgeübt werden. Deshalb wird der
Urheber sein Recht zur Vervielfältigung des Kunstwerks
(vgl. tz 15 Abs. 1 und 2) nur unter der Voraussetzung
ausüben können, daß ihm der Eigentümer das Kunst-
werk zum Zwecke der Vervielfältigung zugängig macht.
Andererseits darf der Eigentümer das Kunstwerk weder
selbst noch durch einen anderen vervielfältigen, wenn
der Künstler, der sein Urheberrecht nicht auf ihn über-
tragen hat, nicht seine Einwilligung dazu erteilt. Der
Eigentümer eines Kunstwerks hat es in der Regel
(wenn man von dem gewerbsmäßigen Händler absieht)
zu dem Zwecke erworben, um sich an seinem Besitz zu
erfreuen, um den ästhetischen Eindruck, den das Kunst-
werk hervorzurufen geeignet ist, auf sich und auf die-
jenigen, die bei ihm verkehren, wirken zu lassen. Aendert
sich der Geschmack des Eigentümers, ist er des Kunst-
werks aus irgendwelchen Gründen überdrüssig geworden,

so wird er es veräußern, verkaufen, vertauschen, ver-
schenken, oder er wird es seinem und anderer Anblick
durch Beseitigung aus den bewohnten Räumen entziehen.
Ja man wird ihm für den Regelfall auch das Recht
nicht versagen können, es völlig zu vernichten. Durch
alle diese Handlungen greift er in die künstlerische Eigen-
art des fortbestehenden Werkes und damit in das per-
sönlichkeitsrecht des Künstlers nicht ein. Der Künstler,
der das Werk zu Eigentum veräußert und dafür in der
Regel ein Entgelt empfangen hat, muß von vornherein
mit diesem möglichen Schicksal seines Werkes in der
Hand des Besitzers rechnen. Die Beklagte hat aber ge-
rade das getan, was sie auch als Eigentümerin nicht
tun durfte, ohne mit dem Urheberrecht des Künst-
lers in Widerstreit zu geraten. Sie hat das Bild,
das in dem Treppenhaus eines bewohnten Gebäudes
angebracht ist, an seiner Stelle belassen, hat es weder
vernichtet, noch seinen Anblick den in dem Hause ver-
kehrenden Personen entzogen, sondern hat in die künst-
lerische Eigenart des Bildes eingegriffen, indem sie die
auf dem Bilde angebrachten nackten Frauengestalten
durch Anbringung von Gewändern übermalen ließ. Da-
mit hat sie das Werk des Künstlers verändert und
sein trotz Uebertragung des Eigentums fortbestehendes
Urheberrecht verletzt, das nach dem dem tz 12 a. a. V.
zu gründe liegenden gesetzgeberischen Gedanken das Werk
des Künstlers gegen jede ohne seine Einwilligung er-
folgende Veränderung schützt.
In der mündlichen Verhandlung ist von den Par-
teien zutreffend hervorgehoben, daß es auf die Motive,
die die Beklagte zu dieser Maßnahme veranlaßten, nicht
ankommt. Doch sei hervorgehoben, daß, wie gleichfalls
unter den Parteien unstreitig ist, das Freskobild in keiner
Hinsicht obfzön wirkt, so daß die Frage, ob das Urheber-
recht des Künstlers etwa höheren öffentlich-rechtlichen
Interessen der Sittlichkeit zu weichen hätte, hier über-
haupt nicht auftaucht. Die Beklagte beruft sich für die
Berechtigung ihrer Maßnahme ausschließlich auf die
Vorschrift des tz 90z BGB., auf ihre Machtbefugnis als
Eigentümerin. Diese besteht aber, wie das Gesetz aus-
drücklich hervorhebt, nur, soweit nicht Rechte Dritter
entgegenstehen. Der von der Beklagten veranlaßten
Veränderung des Bildes steht das Urheberrecht des
Klägers entgegen.
Mit Unrecht hat die Beklagte sich gegenüber dieser
Auffassung darauf berufen, daß ihr Haus dem Besuche
des Publikums entzogen, daß es in der Regel verschlossen
und außer ihr nur noch von einer Mietpartei bewohnt
sei. Diese Umstände schließen es nicht aus, daß der
Anblick des im Trexxenhause angebrachten Freskos
einem unbestimmten und unkontrollierbaren Kreis von
Personen zugänglich ist. wer immer in der Wohnung
der Beklagten oder ihres Mieters verkehrt, wird sich den
Anblick des Bildes verschaffen können und selbst, wenn
die Beklagte geeignete Vorkehrungen hiergegen treffen
würde, wäre doch im Falle eines Verkaufs des Hauses
dem Kläger keinerlei Garantie gegeben, daß das ver-
änderte Bild dauernd dem Anblick der im Hause ver-
kehrenden Personen entzogen bleibt. Durch die An-
bringung des Bildes als Fresko eines Treppenhauses
in einem bewohnten Gebäude der Großstadt war für
dasselbe von vornherein eine gewisse, wenn auch be-
schränkte Geffentlichkeit gegeben. Der Anspruch des
Klägers kann deshalb auch nicht unter dem Gesichtspunkt
abgelehnt werden, daß für die Wahrung seines Urheber-
rechts kein persönliches Interesse bestehe. Dieses persön-
liche Interesse, das mit der Ehre und dem Ansehen des
Klägers als Künstler untrennbar verknüpft ist, ist aber,
wie ausgeführt, ein rechtlich geschütztes. Seine Ver-
letzung berechtigt den Künstler, auf Wiederherstellung zu
klagen. Diese ist nach dem insoweit übereinstimmenden
 
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