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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 11.1911/​1912

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Heft 40.
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Redaktioneller Teil
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Bunzel, Rud.: Eine Kunstbörse und Künstlergalerie für München
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https://doi.org/10.11588/diglit.52948#0560

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550

Die Werkstatt der Kunst.

Heft HO.

Vergünstigungen für die Verbandsvereine und für die
einzelnen Mitglieder die größte Aufmerksamkeit zuwenden.
Größere Schwierigkeiten hat das Vorgehen gegen den
Winkelkunsthandel bereitet. Ls ist zunächst als ausge-
schlossen zu betrachten, daß sich die Reichsregierung zur
Einführung der Konzessionspflicht für das Kunsthändler-
gewerbe entschließen werde. Auch die Handelskammern
lehnen die Vorschläge des Verbandes ab. Ebenso sind die
Vorschläge des Verbandes gegen die Errichtung von Mal-
schulen durch ungenügend vorgebildete oder nicht befähigte
Personen vielfach angegriffen worden. Man hat u. a. dem
verbände vorgeworfen, daß er sich gegen die künstlerische
Freiheit wenden wolle usw. Auf eine Rundfrage in dieser
Angelegenheit haben zahlreiche Akademieprofessoren und
Inhaber großer Malschulen fast sämtlich zustimmend ge-
antwortet. Infolgedessen soll nunmehr die geplante Ein-
gabe an die Bundesregierungen abgeschickt werden.
Am Schluffe des Berichts wird hervorgehoben, daß sich
der Umfang der Verbandsgeschäfte ganz bedeutend gestei-
gert hat, ebenso sind eine größere Anzahl von Vereinen
dem verbände neu beigetreten. Der Bericht spricht schließ-
lich noch die Hoffnung aus, daß der dauernde Bestand des
Verbandes die Gewähr dafür gibt, die vielseitigen Auf-
gaben, die den deutschen Kunstvereinen gestellt seien, mit
Erfolg zum Wohle der deutschen Kunst und der deutschen
Künstler zu lösen. Der Jahresbericht sowie die Kassenab-
rechnung wurden hierauf genehmigt und der Gesamtvorstand
entlastet. Nach der Festsetzung der Mitgliederbeiträge für
wurde der Antrag des Kunstvereins in Salzburg,
die Versammlung wolle beschließen: Der verband führt
künftig den Namen „verband deutscher und österreichischer
Kunstvereine" (v. D. u. Oe. K. v.), bis auf weiteres zurück-
gestellt. Dann trat die Versammlung in die Beratung
verschiedener Ausstellungsangelegenheiten ein, darunter
Stellung zu den Untergeboten auf ausgestellte Kunstgegen-
stände, Feuerversicherung und Schadenregulierung, Rekla-
mationsfristen, Sicherstellung des Ausstellers gegen den
Rückgang eines Kaufes, Verpackung, sachgemäße Behand-
lung der Ausstellungsgüter, Erweiterung der Absatzgebiete
für Kunstwerke usw. Unter anderem wurde beschlossen,
den deutschen Künstlervereinigungen nahezulegen, reelle
Preisnotierungen bei dem verkaufe von Kunstwerken
dnrchzuführen. weiter standen noch auf der Tagesordnung
Angelegenheiten der Wanderausstellungen, der fliegende
Kunsthandel, die Konzessionierung des Kunsthändlergewerbes,
die Malschulen usw. Am 4. Juni, abends, fand eine ge-
sellige Vereinigung in den oberen Räumen des Königlichen
Belvedere der Brühlschen Terrasse statt, während für den
nächsten Tag Führungen und Ausflüge geplant waren.
(Spezielle Ergänzungen dieses Berichts behalten
wir uns noch vor. Die Schriftleitung.)
Eine kLunstbörle uncl Runltlergalerie
kur Mimcken
von Rud. Bunzel
Der Absatz auf Ausstellungen, Auktionen und bei
Kunsthändlern wird von der Mehrheit der Künstler als
unbefriedigend bezeichnet.
Jedenfalls wäre von der Künstlerschaft ohne Ansehen
der Zugehörigkeit zu Gruppen eine zeitgemäße Anstalt
ins Leben zu rufen, die den Absatz steigert, eine stete Ver-
bindung zwischen Künstlern und Kunstfreunden herstellt,
eine Aufrollung der Gesamtproduktion aller Ateliers vor
den Augen der Geffentlichkeit und ohne Spesen ermöglicht,
den Kunsthändlern, Kunstfreunden wie den Leitern staat-
licher und autonomer Galerien Ankäufe erleichtert — und,
was bisher fehlte, unter Mitwirkung der breitesten Geffent-
lichkeit reguläre Preise festzusetzen vermag als wahres
Produkt von Nachfrage und Angebot.
Line solche Anstalt wäre eine Börse, an der nicht nur
die Künstlerschaft, sondern zweifelsohne auch der Staat
und die Stadt stark interessiert fein würden.

München, für das ich eine solche Institution ins Auge
gefaßt habe, würde damit eine neue Anziehungskraft er-
halten. Der Plan einer Kunstbörse ist finanziell und tech-
nisch rasch lösbar.
2000 Aktien ä tvoo Mk. sind rasch gezeichnet, wenn
sie zur Hälfte, also mit 500 Mk., einzuzahlen wären, während
die zweite Hälfte des Aktienkapitals durch Hypothek gedeckt
werden könnte.
Um eine größere Beteiligung auch weniger Bemittel-
teren zu ermöglichen, könnten zwei eine Aktie als Mit-
eigentum mit je 250 Mk. erwerben. Für 500000 Mk.
ließe sich ein entsprechendes Grundstück erwerben oder lang-
fristig pachten, für 500000 Mk. ein der Kunst geweihter
edler Bau von vornehmen Architekten Herstellen.
Der Aktionär hätte satzungsgemäß das Recht:
t. seinen ausgelosten Sonderxlatz selbst das ganze
Jahr mit seinen Werken zu belegen oder zweiteilig gegen
Fixgebühr durch die Börse vermieten zu lasse,! (Miteigen-
tümer einer Aktie müßten bei deren Zahlung das Maß
und die Art gegenseitiger Benützung urkundlich ausweisen);
2. auf kaufmännischen Nutzen (Dividende), welcher
aus den Provisionen von verkauften Werken, Platzmiete,
Auktionserlösen usw. erzielt werden würde. Die Aktie
lautet auf den Namen des Künstlers, der nur an die
Direktion, diese an dritten Berufskünstler zu Fixpreisen
Weiterverkäufen kann.
Die Börse bringt den Künstlern die Kommerzialisie-
rung ihrer Produktion, den ihnen gebührenden Nutzen der
Erzeugung und des Vertriebes. Das Publikum würde sich
der Börse gerne bedienen, auf der ein nicht selten maß-
loser Zwischenhandelnutzen ausgeschaltet wäre. Dieserart
müßte sich auch eine Absatzsteigerung ergeben. Die Form
des Börsenbetriebes müßte eine völlig neue sein.
Jede praktike, jede Vortäuschung, jeder sonstige even-
tuelle Nachteil des Auktionswesens wäre hier ausgeschaltet.
Die Börsenbesucher bieten auf eingehändigten Blan-
ketteofferten, die in eine Sammelurne geworfen werden.
Das Blankette lautet wörtlich wie folgt: Ich Ge-
fertigter, wohnhaft in Stadt. . ., Land . . ., Straße . . .,
Nr. . . . biete auf das Werk Nr. ... des . . . den Be-
trag . . . Diese Offerte bindet mich, sofern sie nicht ein
Dritter überboten hat. (Der Künstler bietet schriftlich auf
geheimgehaltenem Blankette mit.
Die Offerten öffnet dann jeden Sonnabend ein kgl.
Notar, wer ein auf der Börse gekauftes Werk in 50 Jahren
mit mehr als dem doppelten Nutzen verkauft oder durch
Dritte verkaufen läßt, zahlt von dem Ueberbetrag 50°/<>
Nachtragsprovision an die Börse, welche diese dem Konto
des Künstlers gutbucht.
Dem Höchstbietenden wird sofort das erstandene Werk
durch den bevollmächtigten Spediteur gegen Nachnahme
und Linhebung der Pauschalgebühr von .. Pf. pro too Mk.
bei gleichzeitiger Verständigung zugestellt.
Der verkauf mittels dieser Blanketteofferten dürfte
eine enorme Absatzsteigerung bringen. Jeder kann geheim
bieten oder bieten lassen; der Künstler wird kaum in seinem
geheim, d. h. geschloffen gehaltenen Offert überfordern,
wenn er verkaufen will. Das übliche Ueberfordern ist, wie
die Erfahrung lehrt, der Grund für den heutzutage stocken-
den Absatz. Wenn etwa q^ooo Künstler bei 50 Schau-
stellungsobjekten (in 50 Wochenschichten) nur je tvo Mk.,
das ist 2 Mk. pro Schicht mehr als bisher, außerhalb der
Börse absetzen, bedeutet das 4000 X50, also 200000x2
— Hooooo im Jahre, bei einer 30jährigen Schaffensdauer
also mindestens t2 Millionen Mehrabsatz durch die Kunst-
börse. Diese Mindestansätze sind absichtlich für eineFutural-
statistik gewählt, wahrscheinlich wird bei Leitung der
Börse durch eine allererste kaufmännische Kraft, die to°/«
des Reinertrages erhalten könnte, das finanzielle Absatz-
ergebnis ein mehrfach höheres sein. Sobald das Aktien-
kapital gänzlich abgeschrieben sein wird, hätten die Aktionäre
zu beschließen, ob die aus dem Unternehmen fließenden
Erträgnisse zur Gänze für Dividendenzahlungen weiter
verwendet oder teilweise einer Galerie zugute kommen
 
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