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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 11.1911/​1912

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Heft 16.
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Redaktioneller Teil
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Der fünfte Stock: IV
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Olshausen-Schönberger, Käthe: Ein Porträtmaler in Shanghai
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Die Künstler und die Warenhaussteuer
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https://doi.org/10.11588/diglit.52948#0223

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Heft 16.

Die Werkstatt der Runst.

Auf diese Meise sind unzählige Ateliers hier entstanden,
die heute brach liegen oder zu anderen Zwecken verwendet
werden müssen. Ls werden hierdurch auch die Ateliers an
die jeweilige Stadtgrenze hinausgedrängt, wodurch für den
Naler wieder insofern eine Erschwerung und Verteuerung
seiner Lebenshaltung eintritt, als Modelle so weit hinaus
nur sehr schwer und mit größeren Rosten zu bekommen
sind, und der Transport der Bilder zu Ausstellungen o. dgl.
wesentlich verteuert wird.
Das Haupterfordernis für Atelieranlagen, die Reflex-
freiheit gegen Norden, ist deshalb auch der Grund dafür,
daß die staatlichen Akademiegebäude immer so angelegt
sind, daß sie nach Norden freiliegen."
6in Porträtmaler für Sbangkai
von geschätzter und durchaus zuverlässiger Seite wurden
mir folgende Angaben gemacht, die wohl geeignet wären,
das Interesse der Rollegen zu erregen.
In Shanghai, der größten Fremdenkolonie Chinas und
überhaupt des fernen Ostens, wäre ein jüngerer tüchtiger
Maler, im Hauptfach Porträtist, höchst willkommen und
dürfte auch voraussichtlich in jeder Richtung auf seine
Rosten kommen. Erstens ließe sich eine Malschule gründen,
die ausgezeichnet besucht würde, da nichts Derartiges dort
existiert, und in der englischen wie deutschen Rolonie direkt
ein Bedürfnis danach besteht. Ferner stehen Porträtaufträge
in Aussicht, nicht nur von Europäern, sondern auch von
chinesischen Würdenträgern, die sich neuerdings gern malen
lasten. Gelegenheit zu Ausstellungen und damit zu Ver-
käufen gäbe es ebenfalls, was sich besonders dann lukrativ
gestalten würde, wenn der betreffende Rünstler auch Land-
schafter wäre. Mancher Diplomat wird gern ein Gemälde
der chinesischen Landschaft als bleibende Erinnerung an
den Aufenthalt in Ostasien erwerben.
Unerläßlich aber ist, daß der hinausgehende Rünstler
kein junger Anfänger, sondern ein durchaus
reifer, tüchtiger Maler ist, der auch gesellschaftlich
seinen Mann stellt. Anhänger der ausgesprochen impressio-
nistisch-,nodernen Richtung sollten jedoch auf das Experiment
verzichten, sich draußen geltend zu machen — der Geschmack
ist dort nun einmal anders und der betreffende Rünstler,
selbst wenn er sehr Tüchtiges leistet, müßte unbedingt auf
einen gänzlichen Mißerfolg rechnen. Die Beherrschung des
Englischen, wenigstens des Notwendigsten, ist ebenfalls
ziemlich wichtig; man lernt es draußen allerdings auch
rasch. Ferner darf der Rünstler nicht auf dem Standpunkt
stehen, daß er sich etwas vergibt, wenn er die Preise für
seine Bilder auf einem auch minderbemittelten Leuten er-
schwinglichen Niveau hält. Die Voraussetzung, daß im
Auslande, je ferner, desto mehr, an Preisen aufgeschlagen
werden kann, ist absolut unrichtig.
Die Reise von Berlin bis Shanghai über Wladiwostok
auf der Sibirischen Bahn kostet alles in allem nicht mehr
als tooo Mk., jedoch soll jemand, der hinausgeht, auf alle
Fälle über ein Rapital von HOOO Mk. verfügen.
Ein in Shanghai lebender, seit vielen Jahren dort
ansässiger Deutscher, der reges Interesse für diese Sache
zeigt und mich zu vorliegender Anregung veranlaßte, wäre
nicht nur gern bereit, dem hinausgehenden Rünstler mit
Rat und Tat zur Seite zu stehen, sondern ihm auch ev.
einen kleinen Zuschuß zu gewähren.
RLttte OlsLLUsen-LcköuberAer.
Berlin ^V, Nürnberger Str. 65.
Vie Künstler uncl die Marenbauslleuer
Die vom Verein Berliner Rünstler an das
Finanzministerium gerichtete und von uns bereits er-
wähnte Eingabe hatte folgenden Wortlaut:
Das Warenhaussteuergesetz vom Juli t9OO wird
seit etwa einem Jahre in einer Weise ausgelegt und an-
gewendet, die unsere Rünstlerschaft auf das empfindlichste
schädigt. Der Verein Berliner Rünstler hat deshalb den

2F3
Beschluß gefaßt, an Euere Exzellenz die gehorsame Bitte
zu richten, die Angelegenheit hochgeneigtest zu prüfen und
die die Rünstlerschaft schädigende Auslegung des Gesetzes
unmöglich zu machen.
von jeher ist es der Brauch und ein naturgemäßer
Bestandteil der kunstgewerblichen Werkstätten sowie eine
wichtige Aufgabe der Architekten gewesen, die Ausschmückung
von Gebäuden und Wohnungen mit Runstwerken zu über-
nehmen. Sie vergeben hierbei selbständig die Aufträge,
z. B. auf Deckengemälde, Supraporten sowie plastischen
Schmuck. Sie übernehmen aber auch die Ausschmückung
der Räume von mit dem Bau selbst nicht in Zusammen-
hang stehenden Runstwerken, wie Velgemälden, graphischen
Arbeiten, Bronzen und Bildhauerwerken jeder Art, und
müssen zu diesem Zwecke in der Lage sein, ihren Runden
die Werke vorführen und verkaufen zu können. Durch
diese Tätigkeit wird der Gesamtumsatz derartiger Betriebe
jetzt warenhaussteuerpflichtig. Sie haben infolge der
drohenden Veranlagung zur Warenhaussteuer vielfach
Plakate mit folgendem Wortlaut in ihren Verkaufsräumen
ausgehängt:
„Sämtliche im Hause ausgestellten Gemälde, Rupfer-
stiche, Werke der Rleinkunst, Bronzen usw. sind un-
verkäuflich."
Durch die neue Auslegung des warenhaussteuergefetzes
werden alle derartigen Betriebe gezwungen, Aufträge, die
ihnen die Ausschmückung dec Räume durch Rünstler in der
oben angeführten Art zur Bedingung machen, ganz zurück-
zuweisen. Denn der Verdienst, der beim verkauf oder beim
Vermitteln künstlerischer Gbjekte erzielt wird, kann nicht
ausreichen, die Belastung durch Warenhaussteuer mit 5"/°
des Gesamtumsatzes zu tragen, um so weniger, als die für
die Ausschmückung mit Runstwerken in Betracht kommende
Summe meistens nicht den Betrag der zu entrichtenden
Steuer ansmacht. Die Folge davon ist, daß die Firmen
solche Aufträge ohne die künstlerische Ausschmückung mit
Runstwerken zu erlangen suchen. Es unterbleibt dann
ganz einfach in den Voranschlägen dieser Firmen jeglicher
Hinweis auf den Schmuck der Räume durch Kunstwerke
oder überhaupt eine Ausstattung, bei der Rünstler in irgend-
einer weise tätig sein könnten. Die Vorschläge für den
Innenausbau werden dann sogar eigens daraufhin zuge-
schnitten, daß Runstwerke darin keinen Platz finden und
überflüssig erscheinen. Bei der bekannten Unselbständigkeit
vieler und gerade reicher Auftraggeber und deren Be-
dürfnislosigkeit Runstwerken gegenüber werden diese dann
weder verlangt noch angebracht, wenn man weiter be-
denkt, daß zahlreiche Rünstler, Maler wie Bildhauer, sich
besonders die ersten Jahre ihrer Existenz dadurch zu er-
leichtern suchen müssen, daß sie Anschluß an eine kunst-
gewerbliche Werkstatt suchen, der sie dekorative Arbeiten
und Modelle liefern, so liegt es auf der Hand, daß sie
durch die neue Auslegung des Gesetzes in ihrem Lebens-
nerv getroffen werden.
Die Härte und die geradezu vernichtende Wirkung der
neuen Auslegung des Gesetzes tritt bei der preußischen
Rünstlerschaft noch dadurch besonders empfindlich in die
Erscheinung, als das Warenhaussteuergesetz nur für Preußen
erlassen ist. In Hamburg, Bremen, im Rönigreich Sachsen
und in ganz Süddeutschland besteht es nicht. Rünstler
und Firmen, die ihren Wohnsitz in diesen Staaten haben
und naturgemäß in Verbindung mit deren Rünstlerschaft
stehen, können, ohne durch das warcnhaussteuergesetz ge-
troffen zu werden, in Berlin oder an anderen preußischen
Orten ihre Aufträge ausführen, während preußische Rünstler
und Werkstätten durch dieses Gesetz gebunden sind. Ls
wird so die preußische Rünstlerschaft in einen ganz unge-
rechten Gegensatz zu der anderen deutschen Rünstlerschaft
gebracht. Den außerpreußischen und ausländischen Firmen
kommt die Auslegung dieses Gesetzes zugute, denn reiche
ausländische Auftraggeber, die für Wohnungseinrichtungen
und deren künstlerische Ausstattung namhafte Summen
aufwenden, und die sich schon in immer steigendem Maße
daran gewöhnten, mit preußischen Firmen in Verbindung
 
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