Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 11.1911/1912
Cite this page
Please cite this page by using the following URL/DOI:
https://doi.org/10.11588/diglit.52948#0558
DOI issue:
Heft 40.
DOI article:Redaktioneller Teil
DOI article:Berger, E.: II. Internationaler Kunstkongreß, Paris Juni 1912
DOI article:"Kunst und Volkswirtschaft": Thesen zu einem im Deutschen Werkbunde zu Wien von Dr. Friedrich Naumann gehaltenen Vortrage
DOI Page / Citation link:https://doi.org/10.11588/diglit.52948#0558
Heft HO.
Die Werkstatt der Kunst.
5^8
für die Grundlagen bei öffentlichen Wettbewerben
(Reglement-Type des Lonoours ?ublic8), die in vieler
Hinsicht mit den in Deutschland neuerlich aufgestellten
Bedingungen in Uebereinstimmung sind. M. Lou-
pinel vom Verein französischer Architekten übergab
eine für die Zwecke des Reglements für inter-
nationale Wettbewerbe vorbildliche Zusammenstellung
aller Statuten in- und ausländischer Architekten-
vereine, die das Komitee permanent prüfen sollte.
Dem nächsten Kongreß würde die Aufgabe zufallen,
allgemeine Grundlagen für ein Statut, das bei
öffentlichen Wettbewerben zu gelten habe, aufzustellen.
Hier war auch Gelegenheit, namens der Allgemeinen
Deutschen Kunstgenossenschaft dem Komitee die
Grundlagen für öffentliche Wettbewerbe bei Werken
der Malerei und Bildhauerei zu übergeben mit dem
Ansuchen, diese zu prüfen und die besten Punkte
daraus zu übernehmen, die das Komitee für seine
Zwecke passend finden würde.
Die Vormittagssitzung vom s5. Zuni wurde durch
M. Laugees Bericht über die allgemeinen Grund-
lagen, die bei internationalen Kunstausstellungen
geltend sein sollten, eingeleitet, und dieses Thema führte
zu lebhafren Meinungsäußerungen von feiten der
Anwesenden. Belgiens Vertreter M. E. Blone-
G arin übergab das Reglement der belgischen Künstler-
gesellschaften, es sprachen der spanische Delegierte
puis y Tatefalet, der dänische Vertreter Tuxen,
Baron Lederström-Stockholm, Gaston La Touche,
Kautsch (Oesterreich) u. a. Schließlich wurden
Laugees Vorschläge mit einigen Aenderungen an-
genommen und das Komitee permanent mit den
weiteren Arbeiten betraut.
Zn der Nachmittagssitzung hat M. G. Har-
mond die längst als wünschenswert erkannte Rege-
lung der internationalen Gesetze zum Schutze des
geistigen Eigentums an Werken der bildenden Kunst
zum Gegenstand seiner Ausführungen genommen,
womit einer der wichtigsten Punkte der Kongreßver-
handlungen seine Erledigung fand. Harmond for-
dert gleichen Schutz des geistigen Eigentumsrechts
für Werke der angewandten Kunst (^.rt appli^ue)
wie für die Werke der Malerei, Skulptur, Archi-
tektur, Medailleurkunst und des Kupferstichs (Original-
graphik) als ein natürliches Recht des Künstlers,
das noch 50 Zahre nach dem Tode des Autors zu
gelten habe, und erhofft von der Gesetzgebung eine
Gleichstellung des Urheberrechtes an Werken der
Literatur mit denjenigen der künstlerischen Produktion.
Zm Anschluß daran sprach M. Petit-Gerard den
Wunsch aus, alle beim Kongresse vertretenen Länder
mögen ähnliche Gesellschaften zum Schutze des gei-
stigen Eigentums gründen, wie deren nun bereits in
Frankreich (Paris, 3 bi8 ruo ck^tbenes) existieren.
Aus dem gleichzeitig vorgelegten Jahresbericht von
^9^ ist ersichtlich, daß die durch Syndikat erzielten
Einnahmen aus Eigentumsrechten in den vierzehn
Zähren des Bestehens von 6800 Fr. auf IsOHOOO
Fr. gestiegen sind. (!!Red.)
Die Tagesordnung des Kongresses war damit
beendet, wie bei ähnlichen Anlässen wurden auch
in Paris den Teilnehmern Genüsse künstlerischer Art
geboten, so eine Führung in die Sammlungen des
Louvre durch den Direktor des Nusees natlonaux
M. pujalet, ein Besuch der retrospektiven Aus-
stellung im Schloß Bagatella, in den Sammlungen
zu Versailles, überdies wurden die Kongreßteilnehmer
vom Senatspräsidenten poinoare empfangen und
vom Präsidium des Munizipalrats im Hotel cke
Ville, dessen reiche künstlerische Ausstattung sehr
interessant ist, bewirtet. Lin Bankett, bei dem herz-
liche Abschiedsworte gewechselt wurden, vereinigte
zum Schluffe die Teilnehmer im kalais cl'Orgay.
L. Lerner.
„Kunst UNÄ Volkswirtschaft"
Thesen zu einem im Deutschen Werkbunde zu Wien
von Or. Friedrich Naumann gehaltenen Vortrage.
s. wenn die Gegenwart der hohen Kunst früherer
Zeiten etwas Gleichwertiges an die Seite stellen
will, so darf sie nicht nachahmen oder abzeichnen,
sondern muß von sich aus neu gestalten, da die
Lebensbedingungen der Künste andere geworden sind.
2. Das künstlerische Gestalten eines Zeitalters
hängt ab von den Auftraggebern, den Herstellern
und der Arbeitsweise. Die Merkzeichen der
neueren Zeit heißen Demokratisierung der Auf-
traggeber, Kapitalisierung der Hersteller und Mecha-
nisierung der Arbeitsweise.
3. Die alten Auftraggeber: Fürsten, Kirche
und Adel sind in den Hintergrund getreten gegen-
über den Verwaltungsräten, Behörden, Aktienge-
sellschaften einerseits und gegenüber dem durch Kauf-
mannserwerb reich gewordenen Privatmanns ander-
seits. Damit verliert die große Kunst an Monu-
mentalität, Tradition und dekorativem Zwecke und
kommt in unpersönliche oder traditionslose Hände.
Zhr Zweck wird mehr im Nutzen als in der würde
gesehen, während früher vielfach die Auftraggeber
die Erzieher der Künstler gewesen sind, scheint heute
das Umgekehrte nötig zu werden.
H. Die alten Künstler waren entweder Ange-
stellte oder Mitglieder zünftlerischer Verbände. Da-
durch, daß sie sogenannte freie Künstler wurden,
verloren sie an Disziplin, nahmen aber zu an Zn-
dividualität und Erwerbssinn. Das führt teilweise
zur Manier, Mode, Sensation, teilweise zur Täu-
schung über die Echtheit und Güte von Materie,
Form und Farbe. Das Aufsteigen einer neuen Kunst-
periode hängt in erster Linie von der Organisierung
der freien Künstler ab, denn Kunst ist niemals
nur individualistisch zu bessern.
5. während die englische Reformbewegung von
Morris einfach Rückkehr zur Handwerkskunst pre-
digte, müssen wir uns mit Maschine und Arbeits-
teilung befreunden, ohne uns von ihnen entseelen
zu lassen.
Die Werkstatt der Kunst.
5^8
für die Grundlagen bei öffentlichen Wettbewerben
(Reglement-Type des Lonoours ?ublic8), die in vieler
Hinsicht mit den in Deutschland neuerlich aufgestellten
Bedingungen in Uebereinstimmung sind. M. Lou-
pinel vom Verein französischer Architekten übergab
eine für die Zwecke des Reglements für inter-
nationale Wettbewerbe vorbildliche Zusammenstellung
aller Statuten in- und ausländischer Architekten-
vereine, die das Komitee permanent prüfen sollte.
Dem nächsten Kongreß würde die Aufgabe zufallen,
allgemeine Grundlagen für ein Statut, das bei
öffentlichen Wettbewerben zu gelten habe, aufzustellen.
Hier war auch Gelegenheit, namens der Allgemeinen
Deutschen Kunstgenossenschaft dem Komitee die
Grundlagen für öffentliche Wettbewerbe bei Werken
der Malerei und Bildhauerei zu übergeben mit dem
Ansuchen, diese zu prüfen und die besten Punkte
daraus zu übernehmen, die das Komitee für seine
Zwecke passend finden würde.
Die Vormittagssitzung vom s5. Zuni wurde durch
M. Laugees Bericht über die allgemeinen Grund-
lagen, die bei internationalen Kunstausstellungen
geltend sein sollten, eingeleitet, und dieses Thema führte
zu lebhafren Meinungsäußerungen von feiten der
Anwesenden. Belgiens Vertreter M. E. Blone-
G arin übergab das Reglement der belgischen Künstler-
gesellschaften, es sprachen der spanische Delegierte
puis y Tatefalet, der dänische Vertreter Tuxen,
Baron Lederström-Stockholm, Gaston La Touche,
Kautsch (Oesterreich) u. a. Schließlich wurden
Laugees Vorschläge mit einigen Aenderungen an-
genommen und das Komitee permanent mit den
weiteren Arbeiten betraut.
Zn der Nachmittagssitzung hat M. G. Har-
mond die längst als wünschenswert erkannte Rege-
lung der internationalen Gesetze zum Schutze des
geistigen Eigentums an Werken der bildenden Kunst
zum Gegenstand seiner Ausführungen genommen,
womit einer der wichtigsten Punkte der Kongreßver-
handlungen seine Erledigung fand. Harmond for-
dert gleichen Schutz des geistigen Eigentumsrechts
für Werke der angewandten Kunst (^.rt appli^ue)
wie für die Werke der Malerei, Skulptur, Archi-
tektur, Medailleurkunst und des Kupferstichs (Original-
graphik) als ein natürliches Recht des Künstlers,
das noch 50 Zahre nach dem Tode des Autors zu
gelten habe, und erhofft von der Gesetzgebung eine
Gleichstellung des Urheberrechtes an Werken der
Literatur mit denjenigen der künstlerischen Produktion.
Zm Anschluß daran sprach M. Petit-Gerard den
Wunsch aus, alle beim Kongresse vertretenen Länder
mögen ähnliche Gesellschaften zum Schutze des gei-
stigen Eigentums gründen, wie deren nun bereits in
Frankreich (Paris, 3 bi8 ruo ck^tbenes) existieren.
Aus dem gleichzeitig vorgelegten Jahresbericht von
^9^ ist ersichtlich, daß die durch Syndikat erzielten
Einnahmen aus Eigentumsrechten in den vierzehn
Zähren des Bestehens von 6800 Fr. auf IsOHOOO
Fr. gestiegen sind. (!!Red.)
Die Tagesordnung des Kongresses war damit
beendet, wie bei ähnlichen Anlässen wurden auch
in Paris den Teilnehmern Genüsse künstlerischer Art
geboten, so eine Führung in die Sammlungen des
Louvre durch den Direktor des Nusees natlonaux
M. pujalet, ein Besuch der retrospektiven Aus-
stellung im Schloß Bagatella, in den Sammlungen
zu Versailles, überdies wurden die Kongreßteilnehmer
vom Senatspräsidenten poinoare empfangen und
vom Präsidium des Munizipalrats im Hotel cke
Ville, dessen reiche künstlerische Ausstattung sehr
interessant ist, bewirtet. Lin Bankett, bei dem herz-
liche Abschiedsworte gewechselt wurden, vereinigte
zum Schluffe die Teilnehmer im kalais cl'Orgay.
L. Lerner.
„Kunst UNÄ Volkswirtschaft"
Thesen zu einem im Deutschen Werkbunde zu Wien
von Or. Friedrich Naumann gehaltenen Vortrage.
s. wenn die Gegenwart der hohen Kunst früherer
Zeiten etwas Gleichwertiges an die Seite stellen
will, so darf sie nicht nachahmen oder abzeichnen,
sondern muß von sich aus neu gestalten, da die
Lebensbedingungen der Künste andere geworden sind.
2. Das künstlerische Gestalten eines Zeitalters
hängt ab von den Auftraggebern, den Herstellern
und der Arbeitsweise. Die Merkzeichen der
neueren Zeit heißen Demokratisierung der Auf-
traggeber, Kapitalisierung der Hersteller und Mecha-
nisierung der Arbeitsweise.
3. Die alten Auftraggeber: Fürsten, Kirche
und Adel sind in den Hintergrund getreten gegen-
über den Verwaltungsräten, Behörden, Aktienge-
sellschaften einerseits und gegenüber dem durch Kauf-
mannserwerb reich gewordenen Privatmanns ander-
seits. Damit verliert die große Kunst an Monu-
mentalität, Tradition und dekorativem Zwecke und
kommt in unpersönliche oder traditionslose Hände.
Zhr Zweck wird mehr im Nutzen als in der würde
gesehen, während früher vielfach die Auftraggeber
die Erzieher der Künstler gewesen sind, scheint heute
das Umgekehrte nötig zu werden.
H. Die alten Künstler waren entweder Ange-
stellte oder Mitglieder zünftlerischer Verbände. Da-
durch, daß sie sogenannte freie Künstler wurden,
verloren sie an Disziplin, nahmen aber zu an Zn-
dividualität und Erwerbssinn. Das führt teilweise
zur Manier, Mode, Sensation, teilweise zur Täu-
schung über die Echtheit und Güte von Materie,
Form und Farbe. Das Aufsteigen einer neuen Kunst-
periode hängt in erster Linie von der Organisierung
der freien Künstler ab, denn Kunst ist niemals
nur individualistisch zu bessern.
5. während die englische Reformbewegung von
Morris einfach Rückkehr zur Handwerkskunst pre-
digte, müssen wir uns mit Maschine und Arbeits-
teilung befreunden, ohne uns von ihnen entseelen
zu lassen.