Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 11.1911/1912
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https://doi.org/10.11588/diglit.52948#0533
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Heft 38.
DOI article:Redaktioneller Teil
DOI article:Die Teilnehmer am Opernhauswettbewerb
DOI article:Halbe, A.: Gedanken und Vorschläge zur Durchführung einer wirtschaftlichen Organisation der Künstlerschaft
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heft 38.
Die Werkstatt der Kunst.
523
geladenen Prof. Möhring-Berlin, Prof. Dülfer-Dresden,
Prof. Kreis-Düsseldorf, Architekt Brurein und Bau-
meister Dernburg-Berlin befinden. Minister Breitenbach
wird dem Kaiser abermals in dieser Angelegenheit Vor-
trag halten, und in dieser Audienz dürfte die Liste der be-
sonders Aufgeforderten noch ergänzt resp. abgeändert
werden.
In der zweiten Hälfte des Juni, wenn Baurat
Sarau vom Urlaub zurückgekehrt ist, sollen in einer neuen
Konferenz im Ministerium der öffentlichen Arbeiten die
letzten Bestimmungen endgültig festgesetzt und der Wett-
bewerb ausgeschrieben werden.
Geclanken unct Vorschläge zur Durch-
führung einer wirtschaftlichen Organi-
sation cler Rünstlerschaft
von Or. A. halbe-München
Ls ist über die wirtschaftliche Notlage der Künstler
bereits so viel gesprochen und geschrieben worden, daß
jedes weitere Wort darüber zuviel ist.
Schwieriger — aber auch dankbarer ist die Frage der
Abhilfe. Ls sind in dieser Richtung bereits zahlreiche
praktische Versuche gemacht worden, ohne daß jedoch durch-
schlagende Erfolge erzielt wurden. Skeptiker schieben dies
auf die Undurchführbarkeit der Idee. Mit Unrecht I Die
beste, gesundeste und lebensfähigste Idee kann, in falsche
Babnen gelenkt, zu Tode gehetzt werden, bevor sie zur Ent-
wicklung kommt.
Die bestehenden wirtschaftlichen Künstlervereinigungen
kranken vor allem an zwei Fehlern:
Erstens ist ihre Lntwicklungsbasis nicht einheitlich,
nicht weit, nicht ausdehnungsfähig genug. Der Ausgangs-
punkt ist bisher fast in allen Fällen die „Kunstrichtung",
das „künstlerische Glaubensbekenntnis" gewesen. Das rein
innerliche Moment blieb und bleibt Hauptsache. Sehr zum
Schaden des Aeußeren, wirtschaftlichen.
Zum andern sind die Künstler eben — Künstler. Ihr
Werk ist ihnen eine Verkörperung ihres Innenlebens. Mit
seinen Gedanken und Gefühlen aber schachert man nicht.
Das geht gegen das eigenste Ich. Also schachert man
auch nicht mit seinen Geisteswerken.
Diese Auffassung ist gewiß gerechtfertigt und an-
erkennenswert. Trotzdem bleibt die Tatsache bestehen, daß
jedes Kunstwerk, sobald es zum verkauf gestellt wird,
Marktware ist und bleibt, bis es den Käufer gefunden hat.
Jedes Kunstwerk hat, wenn es nicht gerade im festen
Auftrag entstanden ist, ein Zwischenstadinm durchzumachen.
Dieses Zwischenstadium beginnt in dem Augenblick, in dem
es das Atelier verläßt und in die Außenwelt tritt, von
diesem Zeitpunkt an tritt der Kunstwert, der bisher Haupt-
sache war, zurück und bleibt allenfalls, neben Geschmack
und Mode, Preisbildungsfaktor.
Aus diesen Tatsachen ergeben sich für eine wirtschaft-
liche Vereinigung der Künstler, die sich zu universeller Be-
deutung hindurchringen will, zwei wichtige Aufgaben:
Erstens muß die Grundlage, auf der die Vereinigung
stehen soll, so breit und ausdehnungsfähig wie nur mög-
lich sein. Es darf keine neue Partikularvereinigung ent-
stehen, sondern die verschiedenen künstlerischen kleinen
Staaten müssen sich zu einem einzigen großen wirtschaft-
licher: Bundesstaat zusammenschließen.
Innerhalb dieses rein äußerlichen Wirtschaftsbundes
sollen die einzelnen künstlerischen Richtungen unangetastet
bleiben, soll jede wie bisher nach ihrer Fasson selig werden
können. Das einzige einigende Moment soll das wirt-
schaftliche Ziel sein, das allen Künstlern, gleichgültig, welcher
Richtung sie angehören, gemeinsam ist: Ausstellung, ver-
kauf und Hebung der gesamten Wirtschaftslage.
Zweitens dürfen die Kunstwerke in ihrem Zwischen-
stadium nicht einfach in die Hände des Kunsthändlers,
sondern müssen in die Hände solcher Personen geleitet
werden, die zwar mit nüchternem Blick die Gepflogenheiten
des Marktes beherrschen, aber nicht als eigene Herren im
eigenen Interesse, sondern als Angestellte der Künstlerschaft
im Interesse der Künstlerschaft arbeiten.
Die nächste Frage ist, welche Form für eine solche
Vereinigung in Frage kommt. Das moderne Wirtschafts-
und Rechtsleben kennt eine Unmenge von Gesellschafts-
formen, vom amerikanischen Trust bis zur gewöhnlichen
Gelegenheitsgesellschaft.
welche Form ist zu wählen? Ausgeschlossen ist zu-
nächst die Aktiengesellschaft, denn sie ist die Form der
großkapitalistischen Unternehmungen. Die Zahl der Aktio-
näre ist begrenzt durch die höhe des Aktienkapitals. Außer-
dem ist die Aktie grundsätzlich übertragbar, auch die vinku-
lierte Namensaktie bietet absolut keine Gewähr dafür, daß
nicht fremde Elemente, die von der Kunst nichts verstehen,
in die Gesellschaft eindringen, indem sie Aktien erwerben.
Schließlich kennt das deutsche Recht normalerweise nur
Aktien zum Betrage von ;ooo Mk., eine Summe, welche
für die meisten Künstler unerschwinglich hoch sein würde.
Ls ist möglich, geringere Aktien aufzunehmen, jedoch
ist hierzu die Genehmigung des Bundesrates erforderlich.
Das wäre aber in jedem Falle ein sehr zweifelhafter und
langwieriger weg.
Herr Or. Bunzel hat in seinen Vorträgen auf die
Möglichkeit hingewiesen, die Kapitaleinlage dadurch zu er-
mäßigen, daß mehrere Künstler sich zusammen als Mit-
eigentümer eine Aktie kauften. Juristisch ist dies tatsäch-
lich denkbar. Fraglich ist nur, ob nicht der Handelsrichter
in einer solchen Art der Gründung eine Gesetzesumgehung
erblicken und deshalb die Eintragung verweigern würde.
Auch die Ausübung des gemeinschaftlichen Stimm-
rechtes in der Generalversammlung seitens der Miteigen-
tümer einer Aktie würde sehr schnell zu Mißhelligkeiten
führen, denn zwar nicht die juristische, aber die praktische
Definition des Miteigentums lautet: Miteigentum liegt
vor, wenn die Leute sich zanken.
Schließlich ist die Besteuerung der Aktiengesellschaft
und die Gründungsgebühr heute, namentlich in Bayern,
so enorm hoch, daß man hierfür sofort ein Zehntel des
Aktienkapitals in Ansatz bringen müßte.
Aus diesen Gründen ist die Aktiengesellschaft, die Herr
Or. Bunzel für seine Gründung vorschlägt, wohl die un-
geignetste Form, in die man das Unternehmen gießen
könnte.
Andererseits kennt unser Rechtsleben bereits seit
so Jahren für Unternehmungen, welche den Erwerb und
die Hebung der Wirtschaftslage ihrer Mitglieder zum Gegen-
stand haben, eine Form, die sich in anderen Berufszweigen
bereits als äußerst segensreich und gewinnbringend erwiesen
hat. Es ist dies die Form der Genossenschaft.
Die Genossenschaft ist keine Kapitalvereinigung, sondern
eine Arbeitsgemeinschaft. Die Nitgliederrechte, die sich in
Anteilscheinen verkörpern, sind im Gegensatz zur Aktie
grundsätzlich unübertragbar; hierdurch wird das Eindringen
fremder Elemente verhindert.
Die Geschäftsanteile können so gering bemessen werden,
daß der Beitritt einem jeden möglich ist. während bei
der Aktiengesellschaft ein Zehntel des Aktienkapitals für
die Gebühren der Gründung daraufgeht, ist die Genossen-
schaft bereits eintragungsfähig, wenn überhaupt nur ein
Zehntel Geschäftsanteil eingezahlt ist. Die Eintragung
selbst ist gebührenfrei, der Rest der Geschäftsanteile kann
in Teilzahlungen geleistet werden. Bei einem Geschäfts-
anteil von soo Mk. brauchen also nur ;o Mk. von jedem
eingezahlt zu sein, um die Genossenschaft zur Eintragung
und damit zur Entstehung zu bringen. Der Rest könnte
in monatlichen Teilzahlungen von lo Mk. nach und nach
bezahlt werden. Diese Leistungen werden der größeren
Mehrzahl der Künstler ohne allzugroße Gxfer möglich sein.
Dazu kommt als weiterer Vorzug der Genossenschaft,
daß ihre Mitgliederzahl unbeschränkt und ihre Besteuerung
gering ist.
Die Werkstatt der Kunst.
523
geladenen Prof. Möhring-Berlin, Prof. Dülfer-Dresden,
Prof. Kreis-Düsseldorf, Architekt Brurein und Bau-
meister Dernburg-Berlin befinden. Minister Breitenbach
wird dem Kaiser abermals in dieser Angelegenheit Vor-
trag halten, und in dieser Audienz dürfte die Liste der be-
sonders Aufgeforderten noch ergänzt resp. abgeändert
werden.
In der zweiten Hälfte des Juni, wenn Baurat
Sarau vom Urlaub zurückgekehrt ist, sollen in einer neuen
Konferenz im Ministerium der öffentlichen Arbeiten die
letzten Bestimmungen endgültig festgesetzt und der Wett-
bewerb ausgeschrieben werden.
Geclanken unct Vorschläge zur Durch-
führung einer wirtschaftlichen Organi-
sation cler Rünstlerschaft
von Or. A. halbe-München
Ls ist über die wirtschaftliche Notlage der Künstler
bereits so viel gesprochen und geschrieben worden, daß
jedes weitere Wort darüber zuviel ist.
Schwieriger — aber auch dankbarer ist die Frage der
Abhilfe. Ls sind in dieser Richtung bereits zahlreiche
praktische Versuche gemacht worden, ohne daß jedoch durch-
schlagende Erfolge erzielt wurden. Skeptiker schieben dies
auf die Undurchführbarkeit der Idee. Mit Unrecht I Die
beste, gesundeste und lebensfähigste Idee kann, in falsche
Babnen gelenkt, zu Tode gehetzt werden, bevor sie zur Ent-
wicklung kommt.
Die bestehenden wirtschaftlichen Künstlervereinigungen
kranken vor allem an zwei Fehlern:
Erstens ist ihre Lntwicklungsbasis nicht einheitlich,
nicht weit, nicht ausdehnungsfähig genug. Der Ausgangs-
punkt ist bisher fast in allen Fällen die „Kunstrichtung",
das „künstlerische Glaubensbekenntnis" gewesen. Das rein
innerliche Moment blieb und bleibt Hauptsache. Sehr zum
Schaden des Aeußeren, wirtschaftlichen.
Zum andern sind die Künstler eben — Künstler. Ihr
Werk ist ihnen eine Verkörperung ihres Innenlebens. Mit
seinen Gedanken und Gefühlen aber schachert man nicht.
Das geht gegen das eigenste Ich. Also schachert man
auch nicht mit seinen Geisteswerken.
Diese Auffassung ist gewiß gerechtfertigt und an-
erkennenswert. Trotzdem bleibt die Tatsache bestehen, daß
jedes Kunstwerk, sobald es zum verkauf gestellt wird,
Marktware ist und bleibt, bis es den Käufer gefunden hat.
Jedes Kunstwerk hat, wenn es nicht gerade im festen
Auftrag entstanden ist, ein Zwischenstadinm durchzumachen.
Dieses Zwischenstadium beginnt in dem Augenblick, in dem
es das Atelier verläßt und in die Außenwelt tritt, von
diesem Zeitpunkt an tritt der Kunstwert, der bisher Haupt-
sache war, zurück und bleibt allenfalls, neben Geschmack
und Mode, Preisbildungsfaktor.
Aus diesen Tatsachen ergeben sich für eine wirtschaft-
liche Vereinigung der Künstler, die sich zu universeller Be-
deutung hindurchringen will, zwei wichtige Aufgaben:
Erstens muß die Grundlage, auf der die Vereinigung
stehen soll, so breit und ausdehnungsfähig wie nur mög-
lich sein. Es darf keine neue Partikularvereinigung ent-
stehen, sondern die verschiedenen künstlerischen kleinen
Staaten müssen sich zu einem einzigen großen wirtschaft-
licher: Bundesstaat zusammenschließen.
Innerhalb dieses rein äußerlichen Wirtschaftsbundes
sollen die einzelnen künstlerischen Richtungen unangetastet
bleiben, soll jede wie bisher nach ihrer Fasson selig werden
können. Das einzige einigende Moment soll das wirt-
schaftliche Ziel sein, das allen Künstlern, gleichgültig, welcher
Richtung sie angehören, gemeinsam ist: Ausstellung, ver-
kauf und Hebung der gesamten Wirtschaftslage.
Zweitens dürfen die Kunstwerke in ihrem Zwischen-
stadium nicht einfach in die Hände des Kunsthändlers,
sondern müssen in die Hände solcher Personen geleitet
werden, die zwar mit nüchternem Blick die Gepflogenheiten
des Marktes beherrschen, aber nicht als eigene Herren im
eigenen Interesse, sondern als Angestellte der Künstlerschaft
im Interesse der Künstlerschaft arbeiten.
Die nächste Frage ist, welche Form für eine solche
Vereinigung in Frage kommt. Das moderne Wirtschafts-
und Rechtsleben kennt eine Unmenge von Gesellschafts-
formen, vom amerikanischen Trust bis zur gewöhnlichen
Gelegenheitsgesellschaft.
welche Form ist zu wählen? Ausgeschlossen ist zu-
nächst die Aktiengesellschaft, denn sie ist die Form der
großkapitalistischen Unternehmungen. Die Zahl der Aktio-
näre ist begrenzt durch die höhe des Aktienkapitals. Außer-
dem ist die Aktie grundsätzlich übertragbar, auch die vinku-
lierte Namensaktie bietet absolut keine Gewähr dafür, daß
nicht fremde Elemente, die von der Kunst nichts verstehen,
in die Gesellschaft eindringen, indem sie Aktien erwerben.
Schließlich kennt das deutsche Recht normalerweise nur
Aktien zum Betrage von ;ooo Mk., eine Summe, welche
für die meisten Künstler unerschwinglich hoch sein würde.
Ls ist möglich, geringere Aktien aufzunehmen, jedoch
ist hierzu die Genehmigung des Bundesrates erforderlich.
Das wäre aber in jedem Falle ein sehr zweifelhafter und
langwieriger weg.
Herr Or. Bunzel hat in seinen Vorträgen auf die
Möglichkeit hingewiesen, die Kapitaleinlage dadurch zu er-
mäßigen, daß mehrere Künstler sich zusammen als Mit-
eigentümer eine Aktie kauften. Juristisch ist dies tatsäch-
lich denkbar. Fraglich ist nur, ob nicht der Handelsrichter
in einer solchen Art der Gründung eine Gesetzesumgehung
erblicken und deshalb die Eintragung verweigern würde.
Auch die Ausübung des gemeinschaftlichen Stimm-
rechtes in der Generalversammlung seitens der Miteigen-
tümer einer Aktie würde sehr schnell zu Mißhelligkeiten
führen, denn zwar nicht die juristische, aber die praktische
Definition des Miteigentums lautet: Miteigentum liegt
vor, wenn die Leute sich zanken.
Schließlich ist die Besteuerung der Aktiengesellschaft
und die Gründungsgebühr heute, namentlich in Bayern,
so enorm hoch, daß man hierfür sofort ein Zehntel des
Aktienkapitals in Ansatz bringen müßte.
Aus diesen Gründen ist die Aktiengesellschaft, die Herr
Or. Bunzel für seine Gründung vorschlägt, wohl die un-
geignetste Form, in die man das Unternehmen gießen
könnte.
Andererseits kennt unser Rechtsleben bereits seit
so Jahren für Unternehmungen, welche den Erwerb und
die Hebung der Wirtschaftslage ihrer Mitglieder zum Gegen-
stand haben, eine Form, die sich in anderen Berufszweigen
bereits als äußerst segensreich und gewinnbringend erwiesen
hat. Es ist dies die Form der Genossenschaft.
Die Genossenschaft ist keine Kapitalvereinigung, sondern
eine Arbeitsgemeinschaft. Die Nitgliederrechte, die sich in
Anteilscheinen verkörpern, sind im Gegensatz zur Aktie
grundsätzlich unübertragbar; hierdurch wird das Eindringen
fremder Elemente verhindert.
Die Geschäftsanteile können so gering bemessen werden,
daß der Beitritt einem jeden möglich ist. während bei
der Aktiengesellschaft ein Zehntel des Aktienkapitals für
die Gebühren der Gründung daraufgeht, ist die Genossen-
schaft bereits eintragungsfähig, wenn überhaupt nur ein
Zehntel Geschäftsanteil eingezahlt ist. Die Eintragung
selbst ist gebührenfrei, der Rest der Geschäftsanteile kann
in Teilzahlungen geleistet werden. Bei einem Geschäfts-
anteil von soo Mk. brauchen also nur ;o Mk. von jedem
eingezahlt zu sein, um die Genossenschaft zur Eintragung
und damit zur Entstehung zu bringen. Der Rest könnte
in monatlichen Teilzahlungen von lo Mk. nach und nach
bezahlt werden. Diese Leistungen werden der größeren
Mehrzahl der Künstler ohne allzugroße Gxfer möglich sein.
Dazu kommt als weiterer Vorzug der Genossenschaft,
daß ihre Mitgliederzahl unbeschränkt und ihre Besteuerung
gering ist.