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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 11.1911/​1912

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Heft 38.
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Redaktioneller Teil
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Halbe, A.: Gedanken und Vorschläge zur Durchführung einer wirtschaftlichen Organisation der Künstlerschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.52948#0534

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52H

Die Werkstatt der Runst.

Heft 38.

Die nächste Frage ist die, welche Aufgabe eine solche
Genossenschaft zu erfüllen hätte.
I.
Einkauf der Rohmaterialien.
Zunächst könnte sich die Genossenschaft dadurch eine
recht erhebliche Einnahmequelle verschaffen, daß sie den
Verkauf der Rohmaterialien selbst in die Hand nimmt,
ähnlich wie die landwirtschaftlichen Genossenschaften es
beim Einkauf des Saatgutes halten. Die Erzeugnisse der
einzelnen Fabriken werden chemisch und praktisch geprüft,
das Beste herausgesucht und mit einem Aufschlag von
ca. 20°/o verkauft. Der Farbenhändler nimmt heute hoo/g
Aufschlag. Die Genossenschaft würde also bei einem Ver-
dienst von ca. 20°/o den Mitgliedern die Rohmaterialien
immer noch um 20 billiger liefern können, als der Be-
russzwischenhandel es tut.
II.
Wahrung der Verlagsrechts und Gründung
einer eigenen Verlagsanstalt.
Die Verlagsrechts der bildenden Künstler liegen heute
noch sehr im argen. Tatsächlich ist diese Materie bis heute
gesetzlich überhaupt noch nicht geregelt, denn das Verlags-
gesetz spricht nur von Werken der Literatur und der Ton-
kunst und übersieht das Verlagsrecht an Werken der bilden-
den Kunst vollkommen. Das mag wohl daran liegen, daß
die Reproduktionstechnik bei der Beratung des Gesetzes
vor mehr als einem Jahrzehnt bei weitem nicht die Rolle
spielte, die sie heute spielt. Heute werden durch die Re-
produktion von Werken der bildenden Kunst jährlich Millionen
verdient, ohne daß dem Künstler eine prozentuale Beteili-
gung am Gewinn ermöglicht ist, wie es bei Werken der
Literatur der Fall ist. Dabei sind die Auflagen der Re-
produktion im Durchschnitt höher als die eines Buches.
An diesen Mißständen, durch welche der Künstlerschaft
jährlich Unsummen verloren gehen, tragen die Künstler
zum größten Teile selbst die Schuld, denn sie übertragen
dem Verleger nicht nur das Recht der Veröffentlichung und
der Verbreitung, wie der Schriftsteller es tut, sondern sie
übertragen dem Verleger in den meisten Fällen die sämt-
lichen Urheberrechte um einen lächerlich geringen Kauf-
preis, oft sogar ohne jedes Entgelt.
Durch einen festen Zusammenschluß, ferner durch die
Formulierung geeigneter Verlagsverträge und durch die
Boykottierung unreeller Verlagsfirmen könnte hier mit
leichter Mühe gründlicher Wandel geschaffen werden, der
dann später zur gesetzlichen Sanktionierung eines Verlags-
vertrages über Werke der bildenden Kunst führen würde.
Einstweilen wird man sich in besonders krassen Fällen
zur Abwehr unwirtschaftlicher Verträge mit dem allgemeinen
wucherxaragraphen behelfen müssen, der bisher (traurig
genug!) immer nur in solchen Fällen zur Anwendung ge-
kommen ist, wo es sich um Geld handelte. Es steht aber
nichts im Wege, ihn auf alle jene Fälle auszudehnen, in
welchen sich ein Kunsthändler oder ein Verleger, unter Aus-
beutung der Notlage oder der Unerfahrenheit, vom Künstler
Vermögensvorteile versprechen oder gewähren läßt, welche
den wert der Gegenleistung derart übersteigen, daß die
Vermögensvorteile in ausfälligem Mißverhältnis zu der
Leistung stehen (tz t28 BGB.).
Die Ausbeutung des Künstlers ist ein Kapitel für sich
und soll hier nicht weiter behandelt werden. Um wenigstens
einigermaßen hiergegen angehen zu können, soll die wirt-
schaftliche Vereinigung ein Leihamt errichten, bei welchem
gute Kunstwerke nach Prüfung durch eine Jury zum

Pfand genommen werden, werden diese Werke später
nicht eingelöst, so übernimmt die Genossenschaft die Ver-
steigerung; an einem hierbei sich etwa ergebenden Gewinn
wäre der Künstler prozentual beteiligt.
III.
Ausstellung und verkauf.
Schließlich könnte die Genoffenschaft das Ausstellungs-
wesen und den verkauf, vor allem durch Einrichtung von
Wanderausstellungen, in die Hand nehmen. Die Verkaufs-
räume müssen der Genossenschaft, wenn irgend möglich,
von den Regierungen oder Stadtverwaltungen und Kunst-
vereinen unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden und
könnten gleichzeitig als verkaufslokal für die Malutensilien
dienen. Der Gedanke, den Künstler bei einer etwaigen
Wertsteigerung durch den Käufer prozentual teilnehmen
zu lassen, ist, so ideal er gedacht ist, praktisch schwer durch-
führbar. Theoretisch wäre dies Ziel aus folgende weise
leicht zu erreichen: Die Kaufverträge werden schriftlich
abgeschlossen und enthalten eine Bestimmung, nach welcher
der Käufer sich verpflichtet, den etwaigen Weiterverkauf
dem Künstler anzuzeigen und ihm von der Wertsteigerung
lv<>/g zukommen zu lassen. Diese Verpflichtung könnte
durch eine Konventionalstrafe gesichert werden, prak-
tisch ist der Gedanke schwer durchführbar, weil man den
Kunstwerken durch eine solche Vertragsklausel ein schweres
wirtschaftliches Bleigewicht anhängen würde und außerdem
auch niemals kontrollieren könnte, ob der Käufer, um sich
seiner Verpflichtung zu entziehen, das Werk nicht zuerst
an einen Strohmann verkauft, welcher dann unabhängig
von den Verpflichtungen des Lrstkäusers das Werk im Auf-
trage desselben weiter verkauft.
Im übrigen müßte der Bilderverkauf vollkommen
kaufmännisch, nach den Usancen des gewerbsmäßigen Zwi-
schenhandels, jedoch immer unter der Regie und Kontrolle
der Künstlerschaft selbst gehandhabt werden.
Hiermit kommen wir zu einer Frage, die jedenfalls starken
Widerspruch Hervorrufen wird, nämlich zur Frage einer
Jury.
Da der verkauf kaufmännisch betrieben werden soll,
kann die Jury unmöglich ausschließlich aus Künstlern be-
stehen, die naturgemäß immer in erster Linie das Künstle-
rische und in allerletzter Linie das wirtschaftliche beurteilen.
Um das zu vermeiden, und das Kaufmännische als gleich-
berechtigten Faktor neben das künstlerische zu stellen, müßte
das kaufmännische Element auch in der Jury vertreten
sein, wir haben in dem Entwurf des Statuts folgende
Zusammensetzung der Jury ins Auge gefaßt: Zwei aus-
übende Künstler, die, um Bevorzugung einer bestimmten
Richtung zu vermeiden, möglichst ost wechseln, ferner zwei
Kunstkritiker oder Kunsthistoriker, (theoretische Künstler)
und schließlich einen Kaufmann.
Zum Schluffe sei noch daraus aufmerksam gemacht,
daß es für die Genossenschaft absolute Existenzfrage ist,
ihre Organisation über sämtliche in „Deutschland bestehenden
Kunstzentren zu erstrecken und die Überproduktion von hier
in diejenigen Städte zu leiten, in denen die Nachfrage nach
guten Kunstwerken bisher größer ist als das Angebot.
Dies sind einige der Hauptrichtpunkte für die Gründung
einer wirtschaftlichen Vereinigung, wenn wir den weg
heute in allen seinen Einzelheiten noch nicht übersehen, so
schadet das durchaus nicht. Die Hauptsache ist, daß man
endlich einmal losgeht und das Ziel im Auge behält. Das
Ziel aber ist klar genug: Ls soll in Zukunft nicht mehr
heißen: „Die Kunst geht nach Brot", d. h. die Kunst bettelt
um Brot, sondern es soll heißen: „Die Kunst erkämpft sich
ihr Brot."
 
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