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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 11.1911/​1912

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Heft 17.
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Redaktioneller Teil
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Der fliegende Kunsthandel
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https://doi.org/10.11588/diglit.52948#0237

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heft ^7.

Die Werkstatt der Kunst.

227

Redaktioneller Teil.

Der kliegencle Lunltkanclel
vom Hauxtausschuß der Allgemeinen Deutschen Kunst-
genossenschaft
(vgl. die Artikel in den Heften X. Jahrgang 52, 33, 27,
39, HO, H2 und XI. Jahrgang Heft 3)
In der Sitzung der preußischen Abgeord-
netenkammer vom 3. Mai 19^ hat der Abge-
ordnete Hammer einen Antrag auf Abände-
rung des H 56c der Reichsgewerbeordnung
eingebracht, der im Verlauf einer längeren Debatte
modifiziert in folgender Fassung zur Annahme kam:
Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen,
die königliche Staatsregierung zu ersuchen:
H bei den verbündeten Regierungen dahin wirken
zu wollen, daß dieselben dem Reichstage möglichst
noch in der laufenden Session einen Gesetzentwurf
vorlegen, durch den der K 56c der Neichsge-
werbeordnung (Wanderlager) durch eine Bestim-
mung ergänzt wird:
wonach für den Betrieb eines Wanderlagers
eine besondere Erlaubnis erforderlich ist, die von
dem Nachweise eines vorhandenen Bedürfnisses
abhängig zu machen ist, und die Landesregie-
rungen verpflichtet sind, den Betrieb eines Wander-
lagers über die Dauer von Tagen nicht zu-
zulassen;
2. zum K 56c der Reichsgewerbeordnung (Wander-
lager) Ausführungsanweisungen anordnen zu
wollen, wonach die Genehmigung zum Beginne
eines Wanderlagers mindestens 8 Tage vorher
bei der Ortspolizeibehörde nachzusuchen ist, mit
Angabe der Zeit und des Ortes, wo sich die
Verkaufsgegenstände bis zum Verkaufstermine be-
finden.
Nachdem nun dieser Antrag als Gesetzes-
vorlage dem Reichstage zugehen wird, ist es
Pflicht des Hauxtausschusses der Allgemeinen
Deutschen Kunstgenossenschaft, zu diesem An-
träge, soweit er seine Wirkung aus das Gebiet
der Kunst ausdehnen wird, Stellung zu nehmen.
Zur Klarlegung der Sache gestatten wir uns
festzustellen, was wir unter dem Begriffe
„fliegender Kunsthandel" verstehen: Ein
Händler mietet an irgendeinem Orte einen Raum,
in dem er für kurze Zeit Kunstwerke vertreibt.
Geschieht dies an einem Platze, an dem bisher
keine Verkaufsmöglichkeit für Kunstwerke war, so
können wir dies nur begrüßen, da einerseits das
Interesse für die Kunst geweckt, andererseits unbe-
rührter Boden für sie gewonnen und nutzbar ge-
macht wird, viele Kunstfreunde aus der Provinz,
welche durch den Prunk der Kunstausstellungen und
Kunsthandlungen vom Ankäufe von Kunstwerken
zurückgeschreckt wurden, weil sie von diesem auf die
Preise der Bilder schlossen, finden setzt die Kunst in
Räumen, die ihren eigenen Verhältnissen mehr an-
gepaßt sind. Auch die Fremden, die in der: großen

Städten häufig durch Geschäfte oder die zahlreich
gebotenen Vergnügungen abgehalten werden, ihr
Interesse der Kunst zuzuwenden, finden in Bädern
und dergleichen Orten Zeit und Gelegenheit, sich
während eines Teiles ihrer vielen freien Stunden
mit der Kunst zu beschäftigen. Hier wird dem
Fremden Gelegenheit geboten, deutsche Kunst kennen
zu lernen, zu kaufen und damit den Export deut-
scher Kunstwerke zu heben. Da diese zeitlich be-
schränkten Ausstellungen außerdem infolge ihrer ge-
ringeren räumlichen Ausdehnungen weniger An-
sprüche an die Leistungsfähigkeit des Besuchers
stellen und die Wahl nicht so erschweren wie An-
sammlungen von Hunderten von Kunstwerken, ent-
schließen sich die Kauflustigen leichter, ein Werk zu
erwerben.
wir betrachten deshalb diese zeitweisen Ver-
kaufsausstellungen als im Interesse der Künstler ge-
legen und kennen verschiedene bewährte Kunsthändler,
welche zur Sommerszeit in Bädern oder an sonstigen
geeigneten Orten, an denen größerer Fremdenzufluß
ist, ihre Geschäftstätigkeit ausüben.
Leider bemächtigen sich dieser Gelegenheit aber
auch Persönlichkeiten, die ohne Rücksicht und Ver-
ständnis für die Kunst nur ihr Geschäftsinteresse ini
Auge haben. Sie bringen eine Sammlung von
Bildern mit, die nach beliebten Mustern fabrikmäßig
hergestellt, ja sogar mit gefälschten Unterschriften
bekannter Künstler versehen sind, bieten sie unter
schwindelhafter Reklame als Gelegenheitskäufe usw.
aus und wissen sie durch allerlei Machenschaften
teuer an den Mann zu bringen, um nach Schluß
der Ausstellung spurlos zu verschwinden. Der Käufer
aber, der erst später über seine Täuschung aufge-
klärt wird, hat keine Gelegenheit mehr, sich an dem
Kunsthändler schadlos zu halten, besonders wenn
derselbe seinen ständigen Wohnsitz im Auslande hat.
Sehr häufig dient eine Versteigerung, in der durch
allerlei Kniffe und vorgeschobene Personen die
Kauflustigen zu unverhältnismäßig hohen Preisen
für die betreffenden „Kunstwerke" veranlaßt werden,
dazu, das Warenlager rasch und vorteilhaft zu
räumen.
Solche Kunsthändler sind ein Krebsschaden für
Kunst und Künstler, und diese Auswüchse will Herr-
Hammer mit seinem Anträge beseitigen.
Soweit mit ihm nur diese unanständigen Ele-
mente des Kunsthandels getroffen werden, sind wir
vollständig mit ihm einverstanden, er schädigt aber
auch anständige und tüchtige Kunsthändler, die wäh-
rend des Sommers in Kurorten usw. ihr Lager
aufschlagen und dadurch Kunst und Künstlern nützen.
Ls ist selbstverständlich, daß ein Kunsthändler
seine Tätigkeit nur an einen: solchen Orte ausübt,
wo er einem Bedürfnisse entgegenzukommen hofft.
Dieses Bedürfnis beweist sich aber erst, wenn Ge-
legenheit zum Kaufen vorhanden ist. Das Wecken
dieses Bedürfnisses ist aber eine kulturelle Tat, weil
 
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