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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 11.1911/​1912

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Heft 17.
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Der fliegende Kunsthandel
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https://doi.org/10.11588/diglit.52948#0238

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228

Die Werkstatt der Kunst.

Heft s7.

nur in der Kultur hochstehende Persönlichkeiten und
Völker das Bedürfnis nach Kunst empfinden. Kein
Kunsthändler wird die großen Spesen eines tempo-
rären Kunsthandels auf sich nehmen, wenn er nicht
vom Erfolge seiner Tätigkeit überzeugt ist, es ist
ihm aber schwer, wenn nicht unmöglich, den Nach-
weis eines vorhandenen Bedürfnisses vorher zu
liefern und den betreffenden Behörden zur Prüfung
vorzulegen. Ls ist dies um so schwieriger, weil
fliegende Kunsthandlungen sowie Wanderausstellungen
von Künstlervereinigungen meist nur an solchen
Orten erscheinen, an denen kein Bedürfnis für
dauernd besteht. Der Erfolg allein ist auch hier
maßgebend. In diesem Punkte müßte der Antrag
Hammer, soweit er das Gebiet der Kunst berührt,
in der Praxis scheitern, weil der Nachweis des
Bedürfnisses nach Kunst auf neuem Boden substantiell
überhaupt nicht vorher geliefert werden kann, weder
von Kunsthändlern, Künstlern noch Behörden.
Das Verlangen des Herrn Abgeordneten Hammer,
den Betrieb eines Wanderlagers nicht über die
Dauer von sH Tagen zuzulassen, schädigt nur den
anständigen Geschäftsmann, denn erfahrungsgemäß
ist der Verkauf in den ersten Tagen sehr schwach,
weil die Reklame noch nicht genügend gewirkt hat
und der Laden sowie seine Ware noch nicht be-
kannt ist. Die unanständigen Händler würden durch
dieses Verlangen wenig oder gar nicht getroffen,
weil ihr Gewinn größer ist und ihre Machenschaften
sie veranlassen, sich von dem Orte ihrer Tätigkeit
möglichst bald zu entfernen, um nicht von den Ge-
schädigten für ihr unlauteres Geschäftsgebaren
haftbar gemacht werden zu können.
Ls dürfte hier angezeigt sein, darüber zu sprechen,
wie das Publikum über gute Namen hierbei ge-
täuscht wird. Kopien bekannter Meisterwerke, die
meistens ohne Erlaubnis der Schöpfer entstanden
sind, werden mit dem vollen Namen der Künstler
signiert, vor welche im besten Lalle ein kleines, fast
unsichtbares „n" (nach) gesetzt wird. Oder es wird
der Name des Künstlers so verändert, daß dieser
die Signierung nicht mehr als offenbare Fälschung
seines Namens beanstanden will, z. B. wird Deffreger
statt Defregger unterschrieben. Auch werden die
Vornamen, welche der Künstler nicht immer aus-
schreibt, etwas verändert, z. B. Ferd. Aug. von Kaul-
bach. Es werden endlich nur die Initialen des
betreffenden Künstlers eingesetzt und der Kunsthändler
versichert auf Ehrenwort, daß das Werk vom
Künstler selbst so gezeichnet sei. Sehr häufig werden
einzelne Figuren aus den Bildern eines Malers in
veränderte Umgebung gebracht und als Studien
zum Bilde oder als Originale selbst verkauft.
Die Forderung des Herrn Abgeordneten Hammer,
daß die Genehmigung zum Betriebe eines Wander-
lagers mindestens 8 Tage vorher bei der zuständigen
Ortsbehörde nachgesucht werden muß, hätte auf
dem Gebiete der Kunst nur dann einen Zweck, wenn
die betreffende Behörde diese 8 Tage dazu ver-

wenden würde, sich über die Verhältnisse der in
Betracht kommenden Persönlichkeiten zu informieren
und bei ungenügender Auskunft die Installation des
Wanderlagers zu verbieten.
Mit Recht bemängelt der „Verband deutscher
Kunstvereine" in seiner Eingabe an das Reichs-
amt des Innern, welche den Antrag Hammer unter-
stützt, die Tatsache, daß auch beim Kunsthandel Ge-
werbefreiheit herrscht und daß der Kunsthandel nicht
von entsprechend vorgebildeten, kundigen und ver-
lässigen Persönlichkeiten ausgeübt wird. Diese Frage
läßt sich jedoch nicht allein lösen, sondern hängt
mit der vom Gesetze gewährleisteten Gewerbefreiheit
zusammen.
wir fürchten, daß der Antrag Hammer nicht
den unreellen Kunsthandel treffen, wohl aber den
reellen Kunsthandel empfindlich schädigen wird, und
können ihn daher wegen seiner Wirkung auf dem
Gebiete der Kunst nicht befürworten. Andererseits
aber find wir der Ansicht, daß die oben geschilderten
Mißstände im fliegenden Kunsthandel so erheblich
sind, daß im Wege der Gesetzgebung dagegen ein-
geschritten werden muß. Eine Möglichkeit hier-
zu bietet sich, wenn der Vertrieb von Kunst-
werken im Umherziehen lediglich solchen
Kunsthändlern oder Künstlervereinigungen
gestattet wird, die ihrer Persönlichkeit oder
ihrer Zusammensetzung nach Gewähr dafür
bieten, daß ihr Unternehmen auf reeller
Grundlage beruht. Allerdings dürfte die Prü-
fung dieser Frage und die Erteilung der Geneh-
migung nicht in die Hände niederer Polizeiorgane
gelegt werden, die in den meisten Fällen weder die
Fähigkeit noch die erforderlichen Unterlagen zu einer
sachgemäßen Prüfung haben werden.
Als zuständig könnte nur die Zentralbehörde
des betreffenden Bundesstaates in Frage
kommen, zumal ja die Genehmigung zum Betriebe
eines Handels mit Kunstwerken im Umherziehen
sich auf das ganze bundesstaatliche Gebiet zu er-
strecken haben würde. Aber auch hier dürfte die
Voraussetzung am Platze sein, daß die größeren
Künstlerverbände, die an dem ständigen Wohn-
orte des betreffenden Kunsthändlers oder dem Sitze
des in Frage kommenden Künstlerverbandes bestehen,
über die Reellität der betreffenden Unternehmungen
befragt werden.
wenn daher der Antrag Hammer dem Kunst-
handel nicht schwere Wunden schlagen soll, so muß
der sogenannte fliegende Kunsthandel von der Be-
schränkung auf die Dauer von sH Tagen und von
der vorherigen Anmeldung des Wanderlagers min-
destens 8 Tage vorher bei der betreffenden Orts-
polizeibehörde ausgenommen werden. Andererseits
aber ist es dringend erforderlich, durch einen Zusatz
zur Gewerbeordnung den Betrieb von fliegen-
den Kunsthandlungen nur solchen Kunsthändlern
oder Künstlern zu gestatten, welche die Genehmi-
gung hierzu von der zuständigen Zentral-
 
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