Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 11.1911/1912
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https://doi.org/10.11588/diglit.52948#0629
DOI issue:
Heft 45.
DOI article:Redaktioneller Teil
DOI article:Egger-Lienz, Albin; Marcus, Otto: Künstlerurteile, 2
DOI article:Freund, Karl: Ein frischer Luftzug nach Darmstadt, 2
DOI Page / Citation link:https://doi.org/10.11588/diglit.52948#0629
heft H5.
Die Werkstatt der Kunst.
der in sich selbst abgewogenen Harmonie des Urteils. Als
schaffender Künstler, als der ich den Artikel in der Wiener
„Sonn- und Montagszeitung" schrieb (was auch in der
Weglassung des Amtstitels zum Ausdruck kam, da ich den
Leser nicht durch Titel und Amtsautorität beeinflussen will,
sondern durch Sachkaxazität), kenne weder ich noch sonst
ein Künstler „Kollegen", sondern nur verwandte und
Gegner; denn der Begriff „Kollega" ist das gerade Gegen-
teil von dem, was zu betonen der würde des Künstlers
allein angemessen ist, nämlich: Persönlichkeit.
Als „Ernannter" schreibe ich Amtsberichte, vor der
Geffentlichkeit rede ich als „Geborener". Kollegen kennt
Ser Handwerker, der Techniker, der Beamte — der Künstler
hat keine Kollegen, er steht allein. Schon aus diesem
Grunde konnte meine Kritik nicht den „Glauben erwecken,
daß seine, Eggers, Ansicht von den übrigen in Weimar
lebenden und für den gleichen Zweck angestellten Künstlern
geteilt würde", da mein Urteil nicht der Stützung aus
v. d. Velde bedarf und auch nicht auf ihn gestützt wurde,
noch sonst auf anderer Meinung, sondern im Gegenteil
den Widerspruch zur allgemeinen Meinung sogar entschieden
betont, wenn Max Liebermann über Kunst schreibt, wird
es keinem Menschen einfallen, zu glauben, er rede im
Namen sämtlicher Berliner Künstler — wie sollte ich mich
dazu degradieren, nichts weiter zu sein als das Sprachrohr
irgendwelcher Körperschaft, und sei es die der größten
Akademie der weltl
Mich wenigstens dünkt es alleweil ehrenvoller, meine
Meinung zu sagen, als irgendwelche andere nachzusagen,
weder ich noch sonst jemand, der aus Selbständigkeit des
Urteils Anspruch erhebt, wird, bevor er es publiziert, seine
Kollegen um „Erlaubnis" und „Berechtigung" fragen —
nur unsicherer Dilettantismus wird sich erst bei irgend-
welcher vielstimmiger Allgemeinheit eine «Quittung holen,
ehe er sich zu reden getraut.
Kein Mensch, der je ein Werk v. d. Veldes und ein
Werk von mir gesehen hat, wird glauben können, zwei so
ungleich Schaffende könnten je in künstlerischen Dingen
gleich urteilen. — Herrn v. d. Veldes Protest war daher
zum mindesten überflüssig, nicht insofern er Klinger usw.
in Schutz nimmt (das ist sein Recht, wie es meines ist,
ihn anzugreifen), aber insofern, als er glaubt, jemand
könnte denken, er habe mein Urteil.
Albin Egger-Lienz.
Am 27. Juli bringt dann das „Berl. Tagebl." die
nachstehende Notiz:
„Line Kollektivausstellung von Werken des Professors
Albin Egger-Lienz, der durch seine Kritik der Arbeiten
Klingers und Hodlers von sich reden machte, wird im
kommenden Herbst von dem Kunstsalon Keller L Reiner
veranstaltet werden."
wenn diese Notiz auch wahrscheinlich auf einem
Waschzettel der Firma K. A R. beruht und der Aussteller
selbst ihr sicher fernsteht, so bekommt die ganze Sache doch
einen fatalen Beigeschmack nach Sensationshascherei.
An sich ist m. L. gar nichts dagegen zu sagen, wenn
ein Künstler seinen Meinungen und Ueberzeugungen in
der Tagesxreffe Ausdruck gibt. Das kann sogar sehr gut
sein. Dagegen ist es dem Ansehen der gesamten Künstler-
schaft Deutschlands und damit jedem einzelnen Künstler
abträglich, wenn solche Meinungsäußerungen Formen an-
nehmen, wie sie unter den Angehörigen anderer Berufe
vergönnt sind und als gegen die guten Sitten verstoßend
angesehen werden, wenn ein Künstler für sich die Ge-
meinschaft mit den „Kollegen" ablehnt und einsam als
„Geborener" durch die Welt schreiten will, so kann es ihm
doch vielleicht mal unangenehm sein, wenn es gelegentlich
wieder so aus dem Wald herausschallt, wie hineingerufen
wurde.
Mag der Kampf um die künstlerische Ueberlegenheit,
den die Künstler untereinander auszufechten haben, gut
und notwendig sein, wie jeder Kampf, ein Zusammen-
schluß einer „Kollegialität" ist trotzdem unbedingt
nötig, schon damit dieser Kampf in anständiger Form er-
folgt und die Künstler nicht wie die Raufbolde sich zum
Gaudium des Publikums in die haare fahren.
hier könnten die vorhandenen Organisationen viel-
leicht schon eingreifen. O. v/larcus.
bin friscber Luktzug nack Darmstadt. II
(vgl. den Artikel in heft HZ)
In Nr. HZ der „Werkstatt der Kunst" ist unter oben-
stehender Ueberschrift ein Aufsatz erschienen, der sich mit
den „unerquicklichen Zuständen" im „Kunstverein für das
Großherzogtum Hessen" beschäftigt. Der Aufsatz fordert,
da sein Inhalt teils mit der Wahrheit nicht in Ueberein-
stimmung gebracht ist, teils auf Entstellungen beruht und
sich überdies seine Verfasser oder Veranlasser nicht klar-
gemacht haben, was ein Kunstverein zu leisten hat, zur
Richtigstellung und Erwiderung heraus.
Der Kern der Anklagen ist in dem Vorwurf aufzu-
suchen, daß „in diesem Kunstverein die hessischen, d. h. ein-
heimischen Künstler ganz verdrängt werden"; der Grund
für diese „Verdrängung" aber wird darin gesehen, daß
der Kunstvereinsjury seit einiger Zeit „kein ausübender
Künstler angehörte", und daß auch dem Vorstand „jetzt
gar niemand von den zahlreichen hervorragenden hessischen
Malern und Mitgliedern der Künstlerkolonie angehört",
sondern daß die Kunstvereinsleitung „eben fast ganz in
den Händen jüngerer Museumsbeamten ist".
Demgegenüber kann festgestellt werden:
daß in der Jury die Maler Hölscher und Kröh
und der Architekt Pützer sitzen, im geschäftsführen-
den Ausschuß der Bildhauer Lauer, der Architekt
pützer, der Goldschmied und Bildhauer Ernst
Riegel, letzterer ein Mitglied der Künstlerkolonie,
und ferner die Maler Hölscher und Kröh. Sind
diese Herren das eine oder andere Mal den Sitzungen
ferngeblieben, so war das nicht etwa infolge von
Mißhelligkeiten geschehen, die sich zwischen ihnen
und den übrigen Mitgliedern der Jury und des
Ausschusses ergeben hätten, sondern weil sie ver-
reist waren oder aus anderen triftigen Gründen
ihr Fehlen entschuldigen mußten. Ebenso häufig
oder selten wie sie haben auch die Nichtkünstler ge-
fehlt. In diesem Punkte hat der Kunstverein vor
anderen Vereinen nichts voraus, wie jedem ein-
leuchten wird, der das Vereinsleben überhaupt nur
ein wenig kennt.
2. stellen die hessischen bezw. Darmstädter Künstler fort-
während im Kunstverein aus, ohne daß ihnen hier-
bei auch nur das geringste Hindernis in den weg
gelegt werde, es sei denn, daß sie so gut wie die
auswärtigen die Jury zu passieren haben. So
nahmen die einheimischen Künstler, darunter Alt-
heim, Bader, Bayer, Hölscher, Kröh und
Kempin, vom 28. Dezember bis zum 2l. Fe-
bruar t9l2, also zwei volle Monate, die Kunsthalle
mit ihren Werken fast gänzlich ein;
z. aber erscheint es, da gerade heute die Museums-
beamten es sind, welche, entgegen ihren früheren welt-
fremden Kollegen, mit gespannter Aufmerksamkeit die
Vorgänge in der Fortentwicklung der Kunst verfolgen,
und welche ohne Aussehen sich mitten unter den
Künstlern befinden, wenn es gilt, der „Modernen"
Bahn zu machen, durchaus gerecht, daß neben
Künstlern und Kunstfreunden der Museumsdirektor
Back, der Museumskustos Kienzle, der Professor
für Kunstgeschichte an der technischen Hochschule
Pinder, sich im Ausschuß und in der Jury be-
finden, und daß auch einmal ein jüngerer Museums-
beamter als Geschäftsleiter die Beschlüsse ausführt,
welche Ausschuß und Jury fassen.
Dieser Tatsachen ungeachtet fühlen sich, man sieht den
Grund nicht ein, einige Darmstädter Künstler benachteiligt
Die Werkstatt der Kunst.
der in sich selbst abgewogenen Harmonie des Urteils. Als
schaffender Künstler, als der ich den Artikel in der Wiener
„Sonn- und Montagszeitung" schrieb (was auch in der
Weglassung des Amtstitels zum Ausdruck kam, da ich den
Leser nicht durch Titel und Amtsautorität beeinflussen will,
sondern durch Sachkaxazität), kenne weder ich noch sonst
ein Künstler „Kollegen", sondern nur verwandte und
Gegner; denn der Begriff „Kollega" ist das gerade Gegen-
teil von dem, was zu betonen der würde des Künstlers
allein angemessen ist, nämlich: Persönlichkeit.
Als „Ernannter" schreibe ich Amtsberichte, vor der
Geffentlichkeit rede ich als „Geborener". Kollegen kennt
Ser Handwerker, der Techniker, der Beamte — der Künstler
hat keine Kollegen, er steht allein. Schon aus diesem
Grunde konnte meine Kritik nicht den „Glauben erwecken,
daß seine, Eggers, Ansicht von den übrigen in Weimar
lebenden und für den gleichen Zweck angestellten Künstlern
geteilt würde", da mein Urteil nicht der Stützung aus
v. d. Velde bedarf und auch nicht auf ihn gestützt wurde,
noch sonst auf anderer Meinung, sondern im Gegenteil
den Widerspruch zur allgemeinen Meinung sogar entschieden
betont, wenn Max Liebermann über Kunst schreibt, wird
es keinem Menschen einfallen, zu glauben, er rede im
Namen sämtlicher Berliner Künstler — wie sollte ich mich
dazu degradieren, nichts weiter zu sein als das Sprachrohr
irgendwelcher Körperschaft, und sei es die der größten
Akademie der weltl
Mich wenigstens dünkt es alleweil ehrenvoller, meine
Meinung zu sagen, als irgendwelche andere nachzusagen,
weder ich noch sonst jemand, der aus Selbständigkeit des
Urteils Anspruch erhebt, wird, bevor er es publiziert, seine
Kollegen um „Erlaubnis" und „Berechtigung" fragen —
nur unsicherer Dilettantismus wird sich erst bei irgend-
welcher vielstimmiger Allgemeinheit eine «Quittung holen,
ehe er sich zu reden getraut.
Kein Mensch, der je ein Werk v. d. Veldes und ein
Werk von mir gesehen hat, wird glauben können, zwei so
ungleich Schaffende könnten je in künstlerischen Dingen
gleich urteilen. — Herrn v. d. Veldes Protest war daher
zum mindesten überflüssig, nicht insofern er Klinger usw.
in Schutz nimmt (das ist sein Recht, wie es meines ist,
ihn anzugreifen), aber insofern, als er glaubt, jemand
könnte denken, er habe mein Urteil.
Albin Egger-Lienz.
Am 27. Juli bringt dann das „Berl. Tagebl." die
nachstehende Notiz:
„Line Kollektivausstellung von Werken des Professors
Albin Egger-Lienz, der durch seine Kritik der Arbeiten
Klingers und Hodlers von sich reden machte, wird im
kommenden Herbst von dem Kunstsalon Keller L Reiner
veranstaltet werden."
wenn diese Notiz auch wahrscheinlich auf einem
Waschzettel der Firma K. A R. beruht und der Aussteller
selbst ihr sicher fernsteht, so bekommt die ganze Sache doch
einen fatalen Beigeschmack nach Sensationshascherei.
An sich ist m. L. gar nichts dagegen zu sagen, wenn
ein Künstler seinen Meinungen und Ueberzeugungen in
der Tagesxreffe Ausdruck gibt. Das kann sogar sehr gut
sein. Dagegen ist es dem Ansehen der gesamten Künstler-
schaft Deutschlands und damit jedem einzelnen Künstler
abträglich, wenn solche Meinungsäußerungen Formen an-
nehmen, wie sie unter den Angehörigen anderer Berufe
vergönnt sind und als gegen die guten Sitten verstoßend
angesehen werden, wenn ein Künstler für sich die Ge-
meinschaft mit den „Kollegen" ablehnt und einsam als
„Geborener" durch die Welt schreiten will, so kann es ihm
doch vielleicht mal unangenehm sein, wenn es gelegentlich
wieder so aus dem Wald herausschallt, wie hineingerufen
wurde.
Mag der Kampf um die künstlerische Ueberlegenheit,
den die Künstler untereinander auszufechten haben, gut
und notwendig sein, wie jeder Kampf, ein Zusammen-
schluß einer „Kollegialität" ist trotzdem unbedingt
nötig, schon damit dieser Kampf in anständiger Form er-
folgt und die Künstler nicht wie die Raufbolde sich zum
Gaudium des Publikums in die haare fahren.
hier könnten die vorhandenen Organisationen viel-
leicht schon eingreifen. O. v/larcus.
bin friscber Luktzug nack Darmstadt. II
(vgl. den Artikel in heft HZ)
In Nr. HZ der „Werkstatt der Kunst" ist unter oben-
stehender Ueberschrift ein Aufsatz erschienen, der sich mit
den „unerquicklichen Zuständen" im „Kunstverein für das
Großherzogtum Hessen" beschäftigt. Der Aufsatz fordert,
da sein Inhalt teils mit der Wahrheit nicht in Ueberein-
stimmung gebracht ist, teils auf Entstellungen beruht und
sich überdies seine Verfasser oder Veranlasser nicht klar-
gemacht haben, was ein Kunstverein zu leisten hat, zur
Richtigstellung und Erwiderung heraus.
Der Kern der Anklagen ist in dem Vorwurf aufzu-
suchen, daß „in diesem Kunstverein die hessischen, d. h. ein-
heimischen Künstler ganz verdrängt werden"; der Grund
für diese „Verdrängung" aber wird darin gesehen, daß
der Kunstvereinsjury seit einiger Zeit „kein ausübender
Künstler angehörte", und daß auch dem Vorstand „jetzt
gar niemand von den zahlreichen hervorragenden hessischen
Malern und Mitgliedern der Künstlerkolonie angehört",
sondern daß die Kunstvereinsleitung „eben fast ganz in
den Händen jüngerer Museumsbeamten ist".
Demgegenüber kann festgestellt werden:
daß in der Jury die Maler Hölscher und Kröh
und der Architekt Pützer sitzen, im geschäftsführen-
den Ausschuß der Bildhauer Lauer, der Architekt
pützer, der Goldschmied und Bildhauer Ernst
Riegel, letzterer ein Mitglied der Künstlerkolonie,
und ferner die Maler Hölscher und Kröh. Sind
diese Herren das eine oder andere Mal den Sitzungen
ferngeblieben, so war das nicht etwa infolge von
Mißhelligkeiten geschehen, die sich zwischen ihnen
und den übrigen Mitgliedern der Jury und des
Ausschusses ergeben hätten, sondern weil sie ver-
reist waren oder aus anderen triftigen Gründen
ihr Fehlen entschuldigen mußten. Ebenso häufig
oder selten wie sie haben auch die Nichtkünstler ge-
fehlt. In diesem Punkte hat der Kunstverein vor
anderen Vereinen nichts voraus, wie jedem ein-
leuchten wird, der das Vereinsleben überhaupt nur
ein wenig kennt.
2. stellen die hessischen bezw. Darmstädter Künstler fort-
während im Kunstverein aus, ohne daß ihnen hier-
bei auch nur das geringste Hindernis in den weg
gelegt werde, es sei denn, daß sie so gut wie die
auswärtigen die Jury zu passieren haben. So
nahmen die einheimischen Künstler, darunter Alt-
heim, Bader, Bayer, Hölscher, Kröh und
Kempin, vom 28. Dezember bis zum 2l. Fe-
bruar t9l2, also zwei volle Monate, die Kunsthalle
mit ihren Werken fast gänzlich ein;
z. aber erscheint es, da gerade heute die Museums-
beamten es sind, welche, entgegen ihren früheren welt-
fremden Kollegen, mit gespannter Aufmerksamkeit die
Vorgänge in der Fortentwicklung der Kunst verfolgen,
und welche ohne Aussehen sich mitten unter den
Künstlern befinden, wenn es gilt, der „Modernen"
Bahn zu machen, durchaus gerecht, daß neben
Künstlern und Kunstfreunden der Museumsdirektor
Back, der Museumskustos Kienzle, der Professor
für Kunstgeschichte an der technischen Hochschule
Pinder, sich im Ausschuß und in der Jury be-
finden, und daß auch einmal ein jüngerer Museums-
beamter als Geschäftsleiter die Beschlüsse ausführt,
welche Ausschuß und Jury fassen.
Dieser Tatsachen ungeachtet fühlen sich, man sieht den
Grund nicht ein, einige Darmstädter Künstler benachteiligt