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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 11.1911/​1912

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Heft 16.
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Redaktioneller Teil
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Die Künstler und die Warenhaussteuer
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Vermischter Nachrichtenteil
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https://doi.org/10.11588/diglit.52948#0224

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Die Werkstatt der Kunst.

Heft 16.

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zu treten, geben naturgemäß ihre Bestellung am liebsten
in eine Hand, weil sie weder Lust noch die hinreichenden
Ortskenntnisse haben, um nach den einzelnen in Frage
kommenden Künstlern zu suchen.
Die neue Auslegung des lvarenhaussteuergesetzes mag
auch aus dem Grunde höchstes Befremden erregen, als die
Summen, die für die rein künstlerische Ausschmückung von
Gebäuden und Wohnungen ausgegeben werden, ohnehin
als viel zu gering angesehen werden müssen, und man bei
der hartnäckigen, noch immer so weit verbreiteten geschmack-
lichen Unkultur deshalb wohl eher annehmen dürfte, daß
die Ausbreitung der Kunst liebevollste Förderung als
Hemmnisse erfahren müßte.
wenn man sich nun noch vergegenwärtigt, daß Waren-
häuser, wie z. B. Hertzog und Israel, von dieser Steuer
befreit sind, während Werkstätten für Innenausbau und
Möbelfabrikation, wie z. B. Gebrüder Bauer, Bellevue-
straße 5, A. S. Ball, Potsdamer Straße 27 u, I. L. Pfaff,
Französische Straße 37, und die vereinigten Werkstätten
für Kunst im Handwerk A.-G., Bellevuestraße 5, Waren-
haussteuer bezahlen müßten, wenn sie die Ausschmückung
der Räume durch Kunstwerke übernähmen oder den verkauf
von Kunstwerken vermitteln, wenn gar die neue Auslegung
dazu führen konnte, Architekten, also Künstler, wie z. B.
den Geh. Reg.-Rat Prof. Or. Muthesius, als Warenhaus
zu behandeln, wird es sofort offenbar, daß der Gesetzgeber
nicht einmal an die Möglichkeit einer derartigen Auslegung
des Gesetzes gedacht haben kann.
Mögen Euere Exzellenz aus den vorstehenden Dar-
legungen ersehen, daß die jetzige Auslegung des Waren-
haussteuergesetzes in bezug auf Kunstwerke eine unmög-
liche und vom Gesetzgeber sicher nicht gewollte ist. wenn
Euere Exzellenz dabei noch sehen, daß die Künstlerschaft
ohnedies härter unter den wirtschaftlichen Verhältnissen zu
leiden und schwerer um ihre Existenz zu kämpfen hat als
irgendein anderer Beruf, indem das kaufkräftige Publikum
heute den weitaus größten Teil der früher für Kunst ein-
gesetzten Beträge für Sport — und andere Luxuszwecke
anfwendet, werden Euere Exzellenz die ganz gehorsame
Bitte der Künstlerschaft sicher wohlwollend prüfen und
eine Verfügung erlassen, durch die die jetzige Aus-
legung des Warenhaussteuergesetzes ein für allemal
unmöglich wird, derart, daß das Führen oder Ver-
kaufen von Kunstwerken bezw. das vermitteln von
Aufträgen an Künstler fürder nicht ausschlaggebend
dafür sein kann, daß Firmen oder Architekten deswegen
zur Warenhaussteuer herangezogen werden können.
Der Vorsitzende des Vereins, Herr Prof. Schulte im
Hofe, schreibt uns noch dazu:
Künstlerschaft und Warenhaussteuergesetz, wie
reimt sich das zusammen?
Das Warenhaussteuergesetz ist wohl von tyoo, die
Beunruhigung aber erst seit ein paar Jahren. Ls hat
allerdings eigenartige Rubriken. Da gehören Möbel und
Möbelstoffe zu den Kleidern und Kupferstiche zu den
Papierwaren. Ls kann also leicht Konfusionen geben.
Nach dem Buchstaben wäre da auch unsere Große Berliner
Kunstausstellung ein Warenhaus. Als ich zuerst davon
Kenntnis erhielt, daß Muthesius ein Warenhaus sei und
Warenhaussteuer hatte bezahlen sollen, dachte ich mir: Aha,
inan will die Sache ack ubsurckum führen, um das Waren-
haussteuergesetz zu Fall zu bringen, und ich fand den Witz
gar nicht so übel. Als uns dann aber gesagt wurde, daß

unsere vereinigten Werkstätten für Handwerkskunst, unsere
ersten Geschäfte für Inneneinrichtung keine Kunstwerke
mehr verkaufen oder vermitteln durften, ohne 3"/» Waren-
haussteuer zu bezahlen, und als wir das alles aktenmäßig
belegt fanden, hieß es für uns: hie Künstlerschaft, hie
Warenhaussteuer! So reimt sich das zusammen!
In dem Gesetze heißt es übrigens, daß solche Geschäfte,
die nach Herkommen und Gebrauch die und die Arten von
Gegenständen stets geführt haben, sie auch weiterführen
dürfen, ohne Warenhaussteuer bezahlen zu müssen. Nun,
unsere Wohnungseinrichtungsgeschäfte haben doch wohl
stets die dazu notwendigen Gegenstände geliefert. Daß ein
Architekt ein Warenhaus sein konnte, der Gedanke war
mir nie gekommen. Diese haben sicher von jeher nicht
nur Häuser gebaut, sondern sie auch ganz eingerichtet. Es
soll sogar schon ein gewisser Schlüter ein gewisses könig-
liches Schloß gebaut und ganz eingerichtet haben, wir
hätten ihn also von jetzt ab für ein Warenhaus zu halten.
Denken Sie nur mal: Londoner, Pariser, Dresdener,
Münchener Firmen dürfen in Preußen ganze Häuser bauen
und bis auf den letzten Knopf einrichten, ohne Waren-
haussteuer zu bezahlen. Die preußischer: Firmen dürfen es
weder in Preußen noch sonstwo. Enorme Summen sind
schon den preußischen Firmen und Künstlern verloren ge-
gangen.
Jetzt hatten wir uns schon so gefreut, daß Künstler
und Kunsthandwerk endlich einmal wieder Zusammenarbeiten,
daß endlich diese banausenhafte, geschmackliche Unkultur-
gebrochen werden könnte, wir hatten uns gefreut, daß die
ernstesten Künstler sich damit befaßten, die kunstgewerbliche
Vede neu zu beleben und daß das Ausland zu uns kam,
um sich einzurichten. — Da kommt einer und sagt: „Halt,
so was gibt's in Preußen nicht! Das darfst du nur als
Warenhaus!"
Die an sich so kleine Summe, die heute von Staats
wegen für reine Kunstzwecke zur Verfügung steht, wird zu
einem großen Teil dazu verwendet, um Werke längst ver-
storbener Künstler zu erwerben, zu einem Preise, der too
bis 500°/« höher ist, als damals der Künstler erhielt.
Den Werken, die man später von den heutigen Künstlern
kaufen muß, wird es ebenso ergehen. Da muß denn die
Künstlerschaft solche Schädigungen, wie sie die neue Aus-
legung des Warenhaussteuergesetzes bringt, auf das ener-
gischste abwehren und gleich im Keime ersticken.
wenn aber die Steuerbehörde mal ein Mittel findet,
die Ramschbasare mit ihren sog. Kunstwerken unmöglich
zu machen, dann sind wir dabei!
Anmerkung der Schriftleitung:
Auf eine Anfrage erfahren wir von Herrn Geheim-
rat Dr.-Ing. Hermann Muthesius, daß der erwähnte
Versuch, ihn zur Warenhaussteuer heranzuziehen, auf eine
plumpe Denunziation zweier Berliner Kunstgewerbe-
firmen zurückzuführen ist, die sehr genau wissen mußten,
welche ungerechtfertigte Verwirrung der Begriffe sie damit
angerichtet haben. Ls erscheint uns aber beinahe unglaublich
und als ein Schildastreich, daß der betreffende Referent des
Finanzministeriums darauf eingehen konnte.
Hat also die Künstlerschaft ihre direkte Hereinziehung
eben jenen modernen Kunstgewerbehändlern zu verdanken,
und hätte sie alle Veranlassung, auf jene ärgerlich zu sein,
so tut sie jetzt doch ganz recht daran, als Aussteller und
Lieferant für Kunstgewerbefirmen sich auch gegen eine
indirekte Schädigung zu wahren und gegen die Aus-
dehnung der Warenhaussteuer überhaupt mit zu pro-
testieren.

vermischter Nachrichtenteil.

Geplante Ausstellungen

Berlin, Januar. (Kgl. Kupferstichkabinett.) Line
neue Ausstellung, Kupferstiche, Radierungen und Zeich-
nungen von Georg Friedrich Schmidt wird am

2h. Januar, dem 200jährigen Geburtstage des Künstlers,
eröffnet werden.
Berlin. (Für die II. Iuryfreie Ausstellung) der
„Vereinigung bildender Künstler", die am Sonn-
abend, den 28. Januar, eröffnet werden soll, sind die Kunst-
 
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