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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 11.1911/​1912

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Heft 16.
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Redaktioneller Teil
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Katsch, Hermann: Noch einmal aerugo noblis
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Der fünfte Stock: IV
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https://doi.org/10.11588/diglit.52948#0222

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2^2

Die Werkstatt der Kunst.

heft

einem Elektrotechniker und einem Chemiker oder Photo-
graphen, sondern der eine von einem Maler, die andere
von einem Arzt erfunden.
Auch die unter einem scheinbaren Wohlwollen ver-
steckten Angriffe gegen Toberentz muß ich zurückweisen.
Die Punktiermaschine, die kontraktlich bis zu Bruchteilen
von Millimetern genau arbeitete, wurde vom Kultusmini-
sterium abgenommen, und da es doch nicht selbst als Unter-
nehmer auftreten konnte, wurde sie an den Bildhauer Gchs
gegen eine sehr bescheidene Amortisationsquote verpachtet.
Und Gchs hat sehr gute Geschäfte damit gemacht. Ferner,
was die geringschätzige Bemerkung über Toberentz' Luft-
schiff betrifft, so warte doch Herr Görling die Publikation
darüber ab. Toberentz hat zu einer Zeit, als kein Mensch
daran dachte, eine Art Halbstarren Ballonsystems erdacht
und eine lange Korrespondenz darüber mit dein Kriegs-
ministerium gehabt. Das war eben sein Fehler. Lr mußte
ans Patentamt und die Industrie gehen. Aber lächerlich
war die Sache gar nicht, vielleicht antwortet auf beides,
der Maschine und des Luftschiffes wegen, der Bildhauer
Prof. Max Kruse, den Herr Görling doch wohl als Fach-
mann gelten lassen wird. Und was das Wiedererwecken
des Wachsausschmelzungsverfahrens betrifft, so ist es für
Deutschland tatsächlich durch Toberentz erfolgt. Das erste
auf seine Art von ihm selbst gegossene Stück war ein
Marschallstab für den damaligen Kronprinzen, späteren
Kaiser Friedrich. Toberentz selbst gibt die Anzahl der von
ihm hergestellten als eine sehr große an und konstatiert
mit Befriedigung, daß sein vorgehen jede bessere Gießerei
in Deutschland gezwungen habe, sich mit dem Verfahren
vertraut zu machen.
Und am Schluß des viertletzten Absatzes verwechselt
Herr Görling wieder künstliche Färbung und Patina! Also
ist ihm noch nicht klar, was ich unter Patina verstanden
wissen will, nämlich eine Eigenschaft des Metallgusses,
wenn er sich darüber beklagt, daß der eine Künstler seinen
Guß stumpf, der andere glänzend haben wolle — nun,
dem ersteren genügt ja dann wohl der Zustand der Denk-
mäler, wie sie die Aktiengesellschaft bisher lieferte. Ich
meinte aber den metallischen Glanz, den der Große Kur-
fürst vor seiner Schimpfierung hatte und der gleichweit
entfernt ist von Politur und von Stumpfsein.
Der Vorschlag Herrn Görlings aber, eine
Patinastudienkommission unter Führung seiner Aktienge-
sellschaft mit staatlicher Hilfe ins Leben zu rufen, muß
ganz energisch zurückgewiesen werden; denn sonst
würden die Resultate der Studien der Aktiengesellschaft zu-
gute kommen, die ein Monopol gegenüber der ganzen
Konkurrenz bekäme.
Von den Zuschriften, die ich aus Anlaß meiner Ver-
öffentlichung erhielt, ist wohl die interessanteste die einen
österreichischen Künstlers, der im Begriff steht, nach München
zu übersiedeln. Lr teilt mir mit, daß er sein ganzes Leben
mit der Frage der Patinierung sich beschäftigt habe, uns
glaube, sehr wertvolle Erfahrungen und Kenntnisse auf
dem Gebiete zu besitzen. In dieser Ueberzeugung wandte
er sich an den Magistrat seiner Heimatstadt und bat, ihm
die Mittel zu gewähren, eine öffentlich aufgestellte schwarz
und stumpf gewordene Bronzebüste zu reinigen, für die
Patinierung vorzubereiten und ein Jahr lang unter Kon-
trolle zu halten. Der Magistrat antwortete überhaupt
nicht. Einem Künstler! Künstler betrachtet der angestellte
Deutsche nicht als beachtenswerte Menschen, wie schreibt
Dürer aus Venedig? „Allhier bin ich ein Kunig, daheim
aber ein Schmarutzer". Die Mißachtung künstlerischer An-
schauungen und Urteile ist bei uns Regel. Um aber dem
Antrag des Künstlers eine sachgemäße Erledigung zu geben,
befahl besagter Magistrat — der Feuerwehr, das Denkmal
zu reinigen. Die Feuerwehr lehnte das Ansinnen aber ab
— da kein Menschenleben in Gefahr sei! Unsterblich bist
du doch, mein Schilda!
Zum Schluß möchte ich noch auf eine Anregung hin-
deuten, die ich erfahren habe und die wohl gelegentlich in
geeigneter Form hier wiederkehren wird. Lin Chemiker,

der meinen Artikel las, teilte mir mit, daß man seit einiger
Zeit der „Chemie der Verunreinigungen" ein sehr ernstes
Interesse und Studium widme. Man habe festgestellt, daff
minimale Verunreinigungen oft an rätselhaften Eigen-
schaften sonst bekannter Legierungen schuld sind, und sucht
jetzt das, was früher eine Folge mangelhafter chemischer
Prozesse und ein Glück für die Kunstwerke war, bewußt
zu wiederholen. Das chemisch Reine, der Stolz unserer
Tage, sei für die Kunst vielleicht geradezu verhängnisvoll.
Die Terpentine und Malmittel Tizians waren sicher nicht
chemisch rein, und die Bronzen der früheren Jahrhunderte
auch nicht. Ls wird sehr mühsamer Untersuchungen be-
dürfen, um hier Kenntnisse, wissen zu erlangen. Daß die
Beschaffenheit des Formsandes, in den die Alten bereits
ihre technischen Geheimnisse taten, z. B. Gips, Mist usw.,
wahrscheinlich auch die Möglichkeit der Patinabildung nicht
ohne Einfluß sei, sei gar nicht von der Hand zu weisen.
Der Herr, der in subtilen Untersuchungen Lereisen im
Spreewasser nachgewiesen hat, will uns gelegentlich über
die Materie einen Beitrag liefern, was mit größtem In-
teresse zu erhoffen ist.
So, denke ich, wird die Sache nicht ruhen, bis eine
Studiengesellschaft dem Problem konsequent zuleibe geht.
Und wenn das geschieht, habe ich meine Pflicht als Außen-
seiter und Nichtfachmann besser erfüllt als alle Gießerei-
direktoren.
Osr künkte Stock. IV
(vgl. die Aufsätze in den Heften ;2, tö und th)
Der Verein Berliner Künstler hat am Januar
noch folgende Eingabe an die Herren Minister des Innern
und der öffentlichen Arbeiten gerichtet:
„Der Bitte, Ateliers für Künstler in den Dachgeschossen
zuzulassen, ist dem ehrerbietigst Unterzeichneten von stadt-
bauamtlicher Seite entgegengehalten worden, daß dann
t. die Häuser zu hoch, 2. durch den Einbau der großen
Fenster in das Dach die Häuser noch unschöner und 3. daß
infolgedessen allenthalben Ateliers gebaut werden würden.
Da derartige und andere nicht vorauszusehende Einwen-
dungen leicht in sachverständigem Gutachten niedergelegt
werden könnten, beehren wir uns, hierzu das Folgende
auszuführen:
Zu Die Häuser werden durch die Zulassung der Ateliers
nicht höher, da diese in das sowieso bestehende oder
zu errichtende Dachgeschoß eingegliedert werden.
Zu 2: Es ist nicht notwendig, daß die Häuser durch die
Fenster häßlicher werden. Denn dadurch, daß das
Dach schräg liegt und das Atelierfenster in seinem
unteren, mindestens 3 in hohen Teile senkrecht stehen
soll, muß es so weit von der Straßenfront zurück-
gerückt werden, daß es von der Straße aus nicht zu
sehen ist. Ls gäbe dieses für einen einigermaßen
talentvollen Architekten vielmehr eine Gelegenheit,
dem meist sehr öden Großstadtdache eine für das
Auge wohltuende Gliederung zu geben.
Zu 3: wenn man, wie in den Eingaben vom und
22. Dezember nachgewiesen, in der Straßen-
front fast nirgendwo Ateliers anlegen kann, da-
gegen in den Dachgeschossen überall, so möchte dieses
doch wohl einen Grund dafür abgeben, sie in den
Dachgeschossen zuzulassen, nicht aber dafür, sie zu
verbieten. Sollten jedoch einer Zulassung an der
Straßenfront irgendwelche Bedenken gegenüberstehen,
so können diese doch sicher nicht für die Rückseiten
der Häuser gelten.
Vom rein wirtschaftlichen Standpunkt aus beehren
wir uns darauf hinzuweisen, daß durch den Mangel an
guten Ateliers die Bauherren vielfach veranlaßt werden,
an einstweilen noch freien Plätzen oder Straßen Ateliers
anzulegen. Diese werden dann bei dem Bau eines Gegen-
übers in der Gebrauchsfähigkeit gemindert, ja oft ganz
unbrauchbar und bilden so die stete Sorge des Bauherrn.
 
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