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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 11.1911/​1912

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Heft 42.
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Redaktioneller Teil
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Künstlerurteile
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Hellwag, Fritz: Ideen über Ausstellungswesen, 2
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D.W.D.K.: Fliegende Kunsthändler, 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.52948#0588

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578

Die Werkstatt der Kunst.

Heft H2.

Lorinth: „Lin anderes Mittel, Mangel an Monu-
mentalität und Durchdringkraft des Geistes zu ersetzen, ist:
Monumentalität des Pinsels. Das lernt man bei Lovis
Lorinth. Aber ein großes Maul macht keinen Shakespeare,
und ein robuster pinsel ist noch kein robust auffassender
Geist. — Die innere Athletik machts — nicht die äußere.
Notzucht ist nicht Brunstdrang, Brutalität nicht Kraft,
äußere technische Faustgebärde nicht innere Erregtheit form-
zeugenden Willens. Pinselkraftmeier!"
Prof. Henry Van de Velde, in dem sich gewisser-
maßen das „moderne Weimar" personifiziert, sandte hierzu
dem „Berliner Tageblatt" folgenden Protest:
„Im Sommer erreichen uns Nachrichten langsamer,
nicht, weil die Zeitungen ihre Schnelligkeit im Berichten
vermindern, sondern weil wir mehr reisen und weil unser
Verlangen nach Neuigkeiten in dieser Jahreszeit voll-
kommen nachläßt.
„So habe ich erst gestern die unerhörte Kritik gelesen,
die der kürzlich nach Weimar berufene Maler Prof. Egger-
Lienz sich berechtigt fühlte, über die Dresdener Ausstellung
in der Zeitung .Deutschland' zu veröffentlichen, einen Artikel,
der danach auch in anderen Zeitungen abgedruckt wurde.
„Der Artikel richtet sich gegen Künstler wie Hodler,
Klinger, Lorinth, die ich als Meister hoch achte.
„Ich hatte schon öfter unter der irreführenden Aus-
legung meiner Rolle und meiner Tätigkeit von feiten des
deutschen Publikums zu leiden, welches mir in allem, was
dort auf dem Gebiete der Kunst geschieht, irgendwelchen
Einfluß zuschreibt. Ich habe bisher über diese Dinge, wie
über manche anderen, geschwiegen, weil Schweigen über
alles, was mir nicht wesentlich dünkt, mir — mit Recht
oder Unrecht! — zur Regel meines Benehmens geworden ist.
„Diesmal aber liegt der Fall besonders schwer. Prof.
Egger-Lienz lebt in Weimar und bekleidet dort eine öffent-
liche Stellung; das könnte den Glauben erwecken, daß seine
Ansicht von den übrigen in Weimar lebenden und für den
gleichen Zweck angestellten Künstlern geteilt würde, von
Künstlern, die die Aufgabe haben, das Bedürfnis des
Publikums nach Kunst und die Achtung, mit welcher es
Kunstwerke aller Art und die Künstler selbst umgibt, zu
erhalten und zu fördern.
„Deshalb übersteigt die Stellungnahme des Prof. Egger-
Lienz sehr alle Grenzen dessen, was mir für einen Künstler
selbst von übermäßigem Temperament in bezug auf öffent-
liche Kritik feiner Kollegen erlaubt erscheint, daß ich für
meinen Teil mich nicht enthalten kann, so rasch wie mög-
lich öffentlich zu erklären, daß ich nichts gemein habe weder
mit den künstlerischen Wertschätzungen des Prof. Egger-
Lienz, noch mit seiner Auffassung von Kollegialität.
„Ls leben in Weimar andere Künstler, die unmittel-
barer ermächtigt wären, vor mir diese Erklärung abzugeben.
„Jedoch bei einem solchen Grad von Empörung wartet
man nicht ab, bis die Reihe an einen kommt, sondern man
befreit sich so rasch wie möglich durch Aussxrechen."
Iäeen über KuslteUungswesen. II
(Vgl. den Artikel in der vor. Nummer)
Mit den von Franz Marc geäußerten Ansichten bin
ich im allgemeinen ganz einverstanden, muß ihm aber in
seiner speziellen Beurteilung der Sonderbund-Ausstel-
lung in Köln, die ich inzwischen gesehen habe, doch
widersprechen.
wenn nämlich dort eine „ungleiche Gewichts-
verteilung" entstanden ist, so liegt sie keineswegs in der
Euantität, denn die neben van Gogh ausgestellten
Künstler beanspruchen mindestens ebensoviel, wenn nicht
sogar viel mehr Raum wie dieser, sondern in der Qua-
lität. Und zwar relativ, denn ein ganzes Lebenswerk
ausgestellt muß die periodische Arbeit auch zahlreicher
Künstler drücken; und absolut wegen der alle anderen

Aussteller weit überragenden künstlerischen Kraft und
Persönlichkeit van Goghs.
Aber daß sie das Lebenswerk van Goghs hier in so
umfassender und beinahe lückenloser weise ausstellte, darf
man der Leitung nicht zum Vorwurf machen, denn erstens
glaubte sie dies wohl dem Andenken des Künstlers (dessen
frühere Mißachtung sie ja nicht auf dem Gewissen hat)
schuldig zu sein, und zweitens ist das Werk van Goghs
zum Verständnis der übrigen Aussteller unbedingt not-
wendig.
Das Werk verstorbener schlägt oft die Brücke zur
Schätzung der Lebenden. Dies sollte einmal prinzipiell
hier gesagt werden, weil immer wieder gegen „Gedächtnis-
ausstellungen" protestiert wird. Uebrigens hat sich selten
eine Zeit so um das Verständnis der Lebenden und Zu-
künftigen bemüht wie die unsrige. k*. rLsIIvaA.
fliegende liunstbäncller. II
(vgl. den Artikel in vor. Nummer)
In einer uns zugegangenen Zuschrift wird die Ver-
mutung ausgesprochen, daß wohl Kunsthändler als „Hinter-
männer" hinter dem hier wiedergegebenen Artikel des
„Janus" ständen. Das glauben wir nicht, denn es fehlt
nach unserer im langen Kampf gegen die „fliegenden
Kunsthändler" gewonnenen Erfahrung beim soliden, seß-
haften Kunsthandel leider durchaus an jeder Initiative
gegen die fliegende Konkurrenz. Und doch wären die
guten Kunsthändler noch mehr wie die Kunstvereine be-
rufen, hier vorzugehen, und vor allem würden sie, als die
materiell direkt Geschädigten, vor Gericht und vor den
Behörden noch weit eher ihre Aktivlegitimation erweisen
können als wie jene, die nur indirekte Interessen ver-
treten. Der Artikel des „Janus" schien uns also in sehr
willkommener weise auch die soliden Kunsthändler gegen
die unsoliden in die Front zu rufen.
Daß Herr Ankelen von einer Anzahl Künstler, die
der Vereinigung „Ring" angehören, den Auftrag hat,
für sie Wanderausstellungen zu veranstalten, war uns be-
kannt, ebenso aber auch, daß er dies Mandat leider in
einer Weise ausübt, die sein Unternehmen wenig mehr
von dem hier so oft an den Pranger gestellten fliegenden
Kunsthandel unterscheidet. Er führt wohl eine Anzahl
guter Bilder guter Künstler mit, daneben aber auch viel
recht Minderwertiges. Der gute Wille und die kaufmänni-
sche Befähigung sollen gar nicht angezweifelt werden und
kommen vielleicht auch den beteiligten Künstlern mit zu-
gute. Direkt anfechtbar sind aber die Reklametricks
des Herrn Ankelen. Er überschwemmt die Städte, die
Presse und die Ausstellungsbesucher mit einer Anzahl
„amtlicher Atteste", d. h. mit „Empfehlungen" ur-
teilsloser Magistratsbeamter, deren Eitelkeit er kitzelte,
indem er sie die Ausstellungen offiziell eröffnen ließ.
Ls wird in seinen Reklamen nicht die kleinste den
Ausstellern zugefallene Auszeichnung ver schwiegen, son-
dern laut ausposaunt, um das kritiklose Publikum zu
bluffen und ihm den wert der Ausstellungsgegenstände
zu demonstrieren. Ja er scheut sich nicht, in den Aus-
stellungen auf einem großen Reklametisch Din er ein-
ladungen des Königlichen Bayerischen Hofes
an verschiedene der Aussteller und Sektversprechungen
von Kommerzienräten usw. zahlreich verstreut aufzu-
legen! So mag man bei Schneidern und Lieferanten
„Kredit schinden", aber eines ernst sein wollenden Künstler-
unternehmens sind solche Dinge einfach unwürdig.
Gerade weil sich immer mehr Künstlerkor-
porationen rüsten, auch in kleineren Städten, besonders
der Industriegegenden, in denen sich noch keine Kunstvereine
oder keine tüchtigen Kunsthändler befinden, Wanderaus-
stellungen zu veranstalten, so muß gegen diese „Nach mir
die Sindstut"-Wirtschaft des Herrn Ankelen warnend
die Stimme erhoben werden, bevor die Sache des Künst-
lers ganz und gar diskreditiert ist. O. W. O. L.
 
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