Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 11.1911/1912
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https://doi.org/10.11588/diglit.52948#0138
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Heft 10.
DOI Artikel:Redaktioneller Teil
DOI Artikel:Katsch, Hermann: Aerugo nobilis
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Die Werkstatt der Kunst.
Heft 10.
von Hunderten von Kanonieren gescheuert worden.
Friedrichs des Großen Denkmal wurde in der Zeit
gegossen, in der alles Handwerk in Deutschland am
tiefsten darniederlag, und es stellt ein typisches Opfer
der Säurebehandlung dar. Am Schluß seiner Er-
widerung verwahrt sich der Professor pathetisch gegen
die Barbarei, Kunstwerke durch Abbürsten bis auf
das reine Metall zu einer Patina zu bearbeiten!
Das sei eben Barbarei! Und doch ist dieser Mann
der Unhold, wie Toberentz in seiner Antwort her-
vorhebt, der in seinem wissenschaftlichen Dünkel als
Lhemiker durch Säurebehandlung das schöne Denk-
mal Schlüters, das Reiterstandbild des Großen Kur-
fürsten, mit behördlicher Genehmigung für immer
um die schöne Patina gebracht hat, eine Patina,
die schöner war, als alles, was existiert!
wer sich daran erinnern kann, wie das Pferd an
den großen Flächen sein malachitartig blaugrün
schillerte, der wird Prof. Weber den ärgsten Bar-
baren nennen, den je ein Minister gegen ein Kunst-
werk losgelassen hat. (Uebrigens, ganz nebenbei
bemerkt, möchte ich wohl wissen, was für ein Donner-
wetter im Kultusministerium einschlüge, wenn der
Kaiser einmal langsam an dem Denkmal vorüber-
ginge und sich die vordere Sockelfigur ansähe, einen
Gefesselten, der sich vornüberbeugt und auf den Fuß
stützt — der — 30—HO cm vom Erdboden entfernt,
frei in der Luft schwebt!)
Ferner entreißt Toberentz eine andere Barbarei
dieses wissenschaftlichen Wüterichs der Vergessenheit.
Weber war es, der die durch die Zeit unansehnlich
und schmutzig gewordenen Marmororiginale der Feld-
herrnstandbilder auf dem wilhelmsplatz durch Ab-
tragen der Oberschicht reinigen ließ; dabei wurde,
wo der Schmutz zu tief eingedrungen war, bis zu
1/4 preuß. Zoll heruntergeklopft! Tharakteristisch für
die Unbildung und Ueberhebung des Herrn war es
jedenfalls, daß er das Abbürsten des Schmutzes bis
zur metallischen Oberfläche als Barbarei ablehnte,
während er sich am Großen Kurfürsten, einem Heilig-
tum unserer Kunst, frech vergriff!
Die Korrespondenz mit der Patinakommission
ging resultatlos weiter; jedenfalls wurden Toberentz
die Mittel verweigert, die er für folgendes Unter-
nehmen verlangte: Er beantragte die Herstellung
eines Handbuches der praktischen Herstellung und
Konservierung von Patina auf Kupfer, Bronze,
Messing, und die Mittel zu den Vorarbeiten dazu.
Hierhin gehöre H eine gründliche Durchsuchung und
Sammlung der gesamten einschlägigen wissenschaft-
lichen und gewerblichen Literatur, 2. Sammlung
von Gutachten und Erfahrungen von Praktikern.
3. Nachprüfung jeder Mitteilung durch praktische
versuche, ehe sie als Verfahren empfohlen wird und
zwar an einer Reihe vorher bestimmter Legierungen.
Die Bearbeitung des so gewonnenen Materials,
dachte er sich, müßte in systematischen Versuchen
bestehen, um einen sicheren Aufschluß zu erhalten
zur Herstellung einer bestimmt gewollten Patina,
so daß ein Nachschlagewerk entstünde, „welches dem
Benützer ermöglichte, für jede beliebige kupferhaltige
Legierung sofort die ganz klaren Bestimmungen ab-
zulesen, wie er sich zu verhalten habe, um einen
bestimmten gewünschten Ton aus der Skala der
Patinafarben zu erzielen." Vielleicht nimmt infolge
dieser Anregung irgend jemand diese Zdee wieder
auf, es würde bei gewissenhafter Arbeit ein Buch
entstehen, welches jeder Bildhauer und Kunstgewerbler
dauernd zur Hand nähme. Toberentz wurden also
die Mittel jedenfalls nicht gewährt, aber noch ein-
mal, vier Zahre später, greift man auf ihn und
seine Kenntnisse zurück, als ein Fabrikant Fritze sich
mit einem Zmmediatgesuch an den Kaiser gewandt
hatte, um die allgemeine Einführung einer von ihm
erfundenen Patinierung zu erreichen. Das beauf-
tragte Kultusministerium wandte sich in diesem
heiklen Falle, da sich die Herren Sachverständigen
nicht recht hervorwagten, an Toberentz. Der ant-
wortete, erbittert über die vergebliche Mühe, die er
sich um das Verständnis für Patinierung gegeben
hatte, sehr heftig, daß er der Meinung sei, soviel
müßten doch die Sachverständigen auch wissen, daß
ein von dem Herrn Fritze erfundener wetterfester
Anstrich niemals Patina genannt werden könnte,
denn Patina sei eine Eigenschaft des Metalles. Damit
enden die Akten meines Freundes.
Ich hatte oft an seinen Gesprächen über den
Gegenstand teilgenommen, lediglich als Zuhörer.
Und als ich nach seinem Tode in seinen Schriften
blätterte, kam ich auch nicht weiter. Nur befremdete
mich eins, daß weder Toberentz, noch die Sachver-
ständigen genau definiert hatten, was Patina sei,
oder was sie darunter verstanden wissen wollten.
So wirft in der Korrespondenz einer dem andern
vor, der andere meine eben Grünspan, während er
das meine, was Patina sei, der Edelrost, aeruZo
nobilis; und merkwürdig, ich habe eigentlich bis
jetzt vergeblich nach einer klaren Definition für das
Wort Patina gesucht, und ich sehe darin den Haupt-
grund, warum der Streit zwischen dem Künstler und
der Kommission zu keinem Resultat führte.
vor einiger Zeit wollte ich einmal in einem
Neubau telephonieren. Der Apparat befand sich in
der Nähe der Schänke des neueingerichteten Restau-
rants, wo Klempner damit beschäftigt waren, große
Kupferbleche an den Schänktischen zu befestigen. Hier
hörte ich folgendes Gespräch:
„wenn ich das vorher gewußt hätte, dann
hätte ich den Ausschank nicht übernommen," sagte
der Zapfer.
„warum denn nicht?" fragte ein Klempner.
„Na, — so 'ne Masse Küpper, da kann ich ja
nach Feierabend noch anderthalb Stunden putzen,"
war die Antwort.
Da belehrte aber den Zapfer — und mich —
der Klempner durch die klassischen Worte:
„Det is blos im Anfang; wenn der Metall erst
Zrund hat, denn bleibt er von selber blank."
Die Werkstatt der Kunst.
Heft 10.
von Hunderten von Kanonieren gescheuert worden.
Friedrichs des Großen Denkmal wurde in der Zeit
gegossen, in der alles Handwerk in Deutschland am
tiefsten darniederlag, und es stellt ein typisches Opfer
der Säurebehandlung dar. Am Schluß seiner Er-
widerung verwahrt sich der Professor pathetisch gegen
die Barbarei, Kunstwerke durch Abbürsten bis auf
das reine Metall zu einer Patina zu bearbeiten!
Das sei eben Barbarei! Und doch ist dieser Mann
der Unhold, wie Toberentz in seiner Antwort her-
vorhebt, der in seinem wissenschaftlichen Dünkel als
Lhemiker durch Säurebehandlung das schöne Denk-
mal Schlüters, das Reiterstandbild des Großen Kur-
fürsten, mit behördlicher Genehmigung für immer
um die schöne Patina gebracht hat, eine Patina,
die schöner war, als alles, was existiert!
wer sich daran erinnern kann, wie das Pferd an
den großen Flächen sein malachitartig blaugrün
schillerte, der wird Prof. Weber den ärgsten Bar-
baren nennen, den je ein Minister gegen ein Kunst-
werk losgelassen hat. (Uebrigens, ganz nebenbei
bemerkt, möchte ich wohl wissen, was für ein Donner-
wetter im Kultusministerium einschlüge, wenn der
Kaiser einmal langsam an dem Denkmal vorüber-
ginge und sich die vordere Sockelfigur ansähe, einen
Gefesselten, der sich vornüberbeugt und auf den Fuß
stützt — der — 30—HO cm vom Erdboden entfernt,
frei in der Luft schwebt!)
Ferner entreißt Toberentz eine andere Barbarei
dieses wissenschaftlichen Wüterichs der Vergessenheit.
Weber war es, der die durch die Zeit unansehnlich
und schmutzig gewordenen Marmororiginale der Feld-
herrnstandbilder auf dem wilhelmsplatz durch Ab-
tragen der Oberschicht reinigen ließ; dabei wurde,
wo der Schmutz zu tief eingedrungen war, bis zu
1/4 preuß. Zoll heruntergeklopft! Tharakteristisch für
die Unbildung und Ueberhebung des Herrn war es
jedenfalls, daß er das Abbürsten des Schmutzes bis
zur metallischen Oberfläche als Barbarei ablehnte,
während er sich am Großen Kurfürsten, einem Heilig-
tum unserer Kunst, frech vergriff!
Die Korrespondenz mit der Patinakommission
ging resultatlos weiter; jedenfalls wurden Toberentz
die Mittel verweigert, die er für folgendes Unter-
nehmen verlangte: Er beantragte die Herstellung
eines Handbuches der praktischen Herstellung und
Konservierung von Patina auf Kupfer, Bronze,
Messing, und die Mittel zu den Vorarbeiten dazu.
Hierhin gehöre H eine gründliche Durchsuchung und
Sammlung der gesamten einschlägigen wissenschaft-
lichen und gewerblichen Literatur, 2. Sammlung
von Gutachten und Erfahrungen von Praktikern.
3. Nachprüfung jeder Mitteilung durch praktische
versuche, ehe sie als Verfahren empfohlen wird und
zwar an einer Reihe vorher bestimmter Legierungen.
Die Bearbeitung des so gewonnenen Materials,
dachte er sich, müßte in systematischen Versuchen
bestehen, um einen sicheren Aufschluß zu erhalten
zur Herstellung einer bestimmt gewollten Patina,
so daß ein Nachschlagewerk entstünde, „welches dem
Benützer ermöglichte, für jede beliebige kupferhaltige
Legierung sofort die ganz klaren Bestimmungen ab-
zulesen, wie er sich zu verhalten habe, um einen
bestimmten gewünschten Ton aus der Skala der
Patinafarben zu erzielen." Vielleicht nimmt infolge
dieser Anregung irgend jemand diese Zdee wieder
auf, es würde bei gewissenhafter Arbeit ein Buch
entstehen, welches jeder Bildhauer und Kunstgewerbler
dauernd zur Hand nähme. Toberentz wurden also
die Mittel jedenfalls nicht gewährt, aber noch ein-
mal, vier Zahre später, greift man auf ihn und
seine Kenntnisse zurück, als ein Fabrikant Fritze sich
mit einem Zmmediatgesuch an den Kaiser gewandt
hatte, um die allgemeine Einführung einer von ihm
erfundenen Patinierung zu erreichen. Das beauf-
tragte Kultusministerium wandte sich in diesem
heiklen Falle, da sich die Herren Sachverständigen
nicht recht hervorwagten, an Toberentz. Der ant-
wortete, erbittert über die vergebliche Mühe, die er
sich um das Verständnis für Patinierung gegeben
hatte, sehr heftig, daß er der Meinung sei, soviel
müßten doch die Sachverständigen auch wissen, daß
ein von dem Herrn Fritze erfundener wetterfester
Anstrich niemals Patina genannt werden könnte,
denn Patina sei eine Eigenschaft des Metalles. Damit
enden die Akten meines Freundes.
Ich hatte oft an seinen Gesprächen über den
Gegenstand teilgenommen, lediglich als Zuhörer.
Und als ich nach seinem Tode in seinen Schriften
blätterte, kam ich auch nicht weiter. Nur befremdete
mich eins, daß weder Toberentz, noch die Sachver-
ständigen genau definiert hatten, was Patina sei,
oder was sie darunter verstanden wissen wollten.
So wirft in der Korrespondenz einer dem andern
vor, der andere meine eben Grünspan, während er
das meine, was Patina sei, der Edelrost, aeruZo
nobilis; und merkwürdig, ich habe eigentlich bis
jetzt vergeblich nach einer klaren Definition für das
Wort Patina gesucht, und ich sehe darin den Haupt-
grund, warum der Streit zwischen dem Künstler und
der Kommission zu keinem Resultat führte.
vor einiger Zeit wollte ich einmal in einem
Neubau telephonieren. Der Apparat befand sich in
der Nähe der Schänke des neueingerichteten Restau-
rants, wo Klempner damit beschäftigt waren, große
Kupferbleche an den Schänktischen zu befestigen. Hier
hörte ich folgendes Gespräch:
„wenn ich das vorher gewußt hätte, dann
hätte ich den Ausschank nicht übernommen," sagte
der Zapfer.
„warum denn nicht?" fragte ein Klempner.
„Na, — so 'ne Masse Küpper, da kann ich ja
nach Feierabend noch anderthalb Stunden putzen,"
war die Antwort.
Da belehrte aber den Zapfer — und mich —
der Klempner durch die klassischen Worte:
„Det is blos im Anfang; wenn der Metall erst
Zrund hat, denn bleibt er von selber blank."