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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (1) — 1821

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No 40 (1821)
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https://doi.org/10.11588/diglit.20602#0164

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319

392

Vlice auf aunſtund Wiſfenſchaft.

—.———

Ueber den ſogenannten ſterbenden Fechter.
Dieſe Statue/ welche allen Freunden der Kunſt wenigũens
aus Gipſen bekannt iſt, wurde im Jahr 1816 aus Frankreich

zurückgebracht und im Kapitol aufgeſtellt. Sie iſt aus ſehr

feinkörnigem, nur dem des Laokdon ähnlichem, ſonſt von je-

der bekannten Gattung verſchiedenem Marmor gearbeitet.
Ihr rech ter Arm, eines der Schlachthörner und das Schwert

Fnd, wie man behauptet, von M. Angelo ergänzt. Völlig

unbekannt iſt der Ort ihrer Auffndung.

Daß dieſe Statue der ſchönſlen Zeit griechiſcher Kunſt an-

gehöre, daß alle Empfindungen eines im Todesſchmerz dahin-
ſinkenden kräftigen Gemüths/ meiſterhaft ausgedrückt ſind,
darüber ſind alle Stimmen einig ob es aber ein ſterbender
Fechter ſey, darüber ſind die Metnungen getheilt. Winkel-

mann und mehrere Atterthumsforſcher haben dieſe Benennung

verworfen: weil die Griechen ſchon beim erſten Anfang ihrer
Ziviliſation die Fechterſpiele aufgegeben, und es den Römern
nicht gelang, ſolche den überwundenen Griechen wieder an-
genehm zu machen, mie alte Schriftſteller erweiſen; dann
aber auch, weil die Nüſtung der Statue keinesweges den
vielen Darfellungen von Fechtern gleichkomme, welche in
alter Moſaik, Baſſe ⸗Rilievos, und andern Abbildungen an-
getroffen werden, auch der Beſchreibung Juvenals und des
Livius nicht zuſage. —11
Herr Nibby/ Ueberſetzer des Pauſamas, beweist nun aus
dem 10. Buche dieſes Schriftſtellers, daß der ſo berühmite
lerdende Fechter einer der Gallier ſey, welche in der Unter-
nehmung gegen den delphiſchen Tempel geblieben wären
und hat ſolches durch eine eigene Vorleſung in der archäolo-
giſchen Akademie zu Rom dargethan, welche im Aprilheft

der Effemeridi Letterarie abgedruckt eht. Wenn nun ſeine

Behauptung noch mit Diodors Beſchreibung vieler Einzeln-
heiten in Hinſicht der Geſtalt und Attribute dieſer Gallier

übereinulimmt; ſo wäre zu wünſchen, daß allen fernern anti-
quariſchen Unterſuchungen ein gleiches Ergebniß zu Theil

werden möchte.

Aus dem Tagebuche eines Schauſpielers.

—— ö (Fortſetzung.)
44. Alle Nomina propria müſſen betont, nämlich bemerkbar
gemacht werden, denn oft wird von einer Perſon im er-
hen Akt geſprochen, die erſt gegen das Ende erſcheint.
. Der handelnde Redner iſt erſt dann zur Nezitation vor-
bereitet, wenn er ſich von allen Fehlern ſeines Landes-

dialekts, und von allen Provinzialismen frei gemacht at;

20⁰

wenn er die grammattiſchen Eigenheiten ſeiner Mutter-
ſprache keunt, und in dem Beſttz einer deutlichen, wohl-
tönenden und vollkommen reinen Ausſprache iſt.

13. Rezitation nenne ich den einfachen Vortrag des wohl

einſtudierten Textes mit Gefühl und Begeiſterung, mit
Licht und Schatten, mit Forte und Piano. Ohne dieſe
Fertigkeit der Mudulationen aber nenne ich ſie: Geſchwätz.

14. Rezitation und Deklamation ſind weſentlich von einan-

der verſchieden: Rezitation iſt eine Zeichnung, Dekla.
mation aber ein Gemälde; Rezitation alſo die Grund-
lage zur Deklamatioit.
15. Rezititt wird ein Gedicht, deklamirt wird eine Rolle;
Deklamation iſt alſo die geſteigerte Rezitation. Der De-
klamator verlaßt ſeinen individuellen Karakter, ſeine
Aeuſſerlichkeit, und verſeſt ſich ganz in die Lage desjeni-
gen den er vorſtellt.

16. Bei der Rezitation bewegen ſich nur Zunge und Lipven/

bei der Deklamation aber der ganze Körper. Darum iſt
jede Aktion mit Haänden und Füßen bei Herſagung eines
Gedichts in geſellſchaftlichen Zirkeln fehlerhaft.

17. Da ſowohl unſer teutſches Publikum, als auch unſere

teutſchen Schauſpieler den Werth der rythmiſchen Sprache/
beſonders in Tragödien, allmälig kennen gelernt haben,
ſo kann man hoffen, daß auch das noch ſo beliebte Ge-
ſchrei, und das oft noch tiefe Rührung erregende wei-
nerliche Gewimmer, dem gewichtigen, erhabenen und
wahrhaft gefühlvollen Vortrage des Verſes, auf unſern
Bühnen Platz machen werde. ö
18. Parentheſen müſſen bemerkbar gemacht und alſo in ei-
nem andern Tone geſprochen werden, als die Rede,
zwiſchen der ſie eingeſchaltet ſind; eben ſo muß jede Re-
flexion in einem tiefern als dem dewöhnlichen Ton ge-
ſprochen werden, weil der Redner gewiſſermaßen in ſich
hineinſpricht und ſich gleichſam ſelbſt um Rath fraͤgt.

19. Man hat oft behauptet, daß man keine Oper dichten

könne, wenn man nicht ſelbſt muſkaliſch ſey, eben ſo-
wird man nie Verſe richtig ſprechen, wenn man den
Ban der Verſe nicht verſteht. —.
Wer für Rythmik kein muſikaliſches Gehör oder Gefübl
hat, wird in der Deklamation entweder übertrieben oder

trivial ſeyn.

(Fortſfetzung forgt.)

Mannheimer Theater⸗ Anzeige.

Die wegen Wiederherſtellung des Hörſaales ſeit dem 16. des
vorigen Monates geſchloſſene hieſige Bühne wird Donnerſtags
den 23. Auguſt eröffnet. An dieſem Tage wird zum erſten
Male aufgefuͤhrt: Geiſela, Schauſpiel von Kotzebue.

Verleger. Schwanu. Götziſche Bachhandlung.

Druckerer: Hofbuchdrucker Kankmann.
 
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