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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (1) — 1821

DOI Kapitel:
No 54 (1821)
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https://doi.org/10.11588/diglit.20602#0217

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Cbharis.

unterhaltungs sblatt

fuͤr

eeben. und Literatur;

Poeſie und Kunſ.

Nedartear und Herausgeber: dr. K. Sreibere v. 10

N 54.

Mannheim, den 6. Oetober, 1821.

—— — —.—— —

Triumph der Liebe.

ö ö IVeſchluß
Endlich ward es Abend. Das Getuͤmmel vermehrte

ſich. Die Traͤger traten herein, und man trug den

Sarg fort, mit dem Kaſten hinterher, zur hoͤchſten
Verwunderung der ganzen Stadt.
emporgehoben fuͤhlte, als er den Trauerton' des Re-
quiem aeternam vernahm, wer beſchreibt ſeine Em-
pfindungen? Zuweilen kam ihm jetzo noch der Ge-

Achtung fuͤr die Todte, deren einziger Fehler unge-
meßne Liebe Zu ihm geweſen war, und auf der andern
Seite die Ausſicht eines noch gewiſſern Todes unter

den Schwertern ſo vieler Anverwandten, preßten ſeine
Stimme auch in dieſem kritiſchen Augenblicke zurück.
So langte denn der Zug bei der Kirche des heiligen

Als Lothario ſich

ö den gewiſſen Tod zu beſhleuntgen Er füͤhlte mehrere
Paͤckchen, kleine Ketten, aber nichts, was ſinem

Zwecke zu entſprechen ſchien.
Indem er noch herumſuchte, daͤucht' es ihm, er
hoͤre Geraͤuſch. Es war wirklich ſo. Zwei Perſonen
ſtlegen ins Gewolbe herab, naͤherten ſich dem Kaſten,
und im Hui war der Deckel aufgebrochen, und ein Paar
Blendlaternen leuchteten unſern Eingekerkerten erfreu-
lich an. Es war ein Neffe des Anſelmo mit zwei
Freunden, luſtige Geſellen, die in dem geheimni 5⸗

vollen. Kaſten etwas vermuthet hatten/ das Lebendigen

danke, aufzuſchreien und ſich zu erkennen zu geben; allein

Cataldo an, die den Predigermoͤnchen zugehoͤrt. Man

ſang die gewoͤhnlichen Todtenmeſſen, dann ſetzte man
den Sarg im Kloſtergewoͤlbe bei, den Kaſten daneben;

und weil es ſchon ſpaͤt war, ſo ſchob man beim Weg-
gehen vor der Hand bloß den Stein davor, ohne die
Zwiſchenraͤume der Oeffnung mit Kalk zu fuͤlen.

Nun fand ſich alſo der ungluͤckliche Lothario allein,

lebendig verſcharrt, von aller menſchlichen Huͤlfe ab-

geſchnitten. Die dicke, veipeſtete Gewoͤlbsluft er-

ſchwerte ihm den Athem; das Blut ſchlich traͤger und

immer traͤger durch die Adern; er taſtete umher, ob
er nicht ein Band oder irgend ein Werkzeug faͤnde,

nuͤtzlicher ſey als Todten.
Oithario ergriff den Augenblick der Rettung: er

ſprang auf, ballte den Kirchenraͤubern beide Haͤnde ent-
gegen, und ſtieß mit verſtellter fuͤrchterlicher Stimme

Zormworle aus. Mehr bedurft' es nicht, um die
Juͤnglinge aus der Faſſung zu bringen. Schrecken-
0 warfen ſie die Brecheiſen und Laternen hin, und
liefen, ſamt dem beſtochenen HKirchenſchlleßer, nach
Hauſe, ohne ſich nur einmal umzuſehn. Lothario aber
athmete nun wieder frei auf. Vermittelſt einer Blend-
laterne unterſucht' er genau ſein ſchreckliches Gefaͤng-
niß, und fand darin ein Paar Ringe, goldene Ketten,

nebſt andern Kleinoden, und eine betraͤchtliche Summe

Geldes; Dinge, uͤber die er gleicher Meinung mit

Anſelmo's Neffen war; und nachdem er alles von

Werth eingeſteckt, verließ auch er das Gewoͤlbe mit

lautem. Dank gegen den Himmel, der ihn ſo unver-

hofft von der auſſerordentlichſten Gefahr erloſ't hatte.
 
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