Charis.
oItt
4 80
No
73.
Manobeie, den 8. December, 1821.
Sragmente ö
einer maleriſchen Reiſe durch verſchiedene
Gegenden des ſavlichen Keutſchlands.
Sortiebung.
Fünfzehnte Stunde. Von 8 bis 9 uhr.
Aus dem Gotteshauſe getreten, nahm mich bald
die kuͤhle umſchattung des baumumpflanzten Thier-
marktes auf, wo ſich die preußiſchen Ordonanzen
und Rapporteurs durchkreuzten. Hier wohnt in dem
mit drei Balkonen gezierten graͤflich Oſteiner Hof
der preußiſche Cammandant. Auſſerdem aber iſt dle-
ſer Markt noch von verſchiedenen herrſchaftlichen Ge-
baͤuden umkraͤnzt und hat e ein froͤhliches, beiteres
Anſehn.
Durch die Thiermarktoſtraße fortwandernd, machte
ich endlich auf dem unregelmaͤßigen, mit ſchoͤn
Haͤuſern, im neueren Geſchmack umbauten Mu
ſterplatz, wo ſich fuͤnf Straßen: die drei Blei-
chen, die Altmuͤnſter⸗ und dle Thlermarkts-
ſtraße vereinigen, Halt. Links fůhrt der Weg
durch das Muͤnſterthor, an dem ſich ein oͤſter-
reichiſcher Wachpoſten befindet, und rechts oͤffnet ſich
die Ausſicht durch dle drei bei 800 Schritt langen
Bleichen. Die große Bleiche iſt die ſchoyſte dieſer
ſchuurgeraden Straßen, und zleht ſich wie die beiden
andern gegen den Rhein hinab, aus dem neblichte
Duͤnſte emporſteigen, welche die freie Durchſicht
vach dem jenſeitigen ufer und dem Taunusgebirg
leicht verſchlelern. Du kennſt, lieber Freund, meine
alte Liebhaberei fuͤr ſchoͤn gruppirte Stadt⸗Anſich-
ten. Erlaube daher, dir eine gedraͤngte Schilderung
dieſer gegen 30 Schritte breiten Hauptſtraße, von
meinem Standpunkte aus, zu machen.
aneinander gerkcheten alten und neuen, dauerhaften
und zierlichen hohen und niedern Haͤuſer geben dem
Gemaͤlde eine gefaͤllige, ergoͤtzende Abwechſelung. Die
linke Seite wird von einigen vorzuͤglich ſchoͤnen, maſ-
ſiven Gebaͤuden geſchmuͤckt, und von der Mitte ab-
waͤrts traͤgt der Vorderthell des ehemaligen Marſtalls
„(der jetzigen Artillerie ⸗Kaſerne) ein galloppirendes
vergoldetes Pferd. Dieſes Standbild adelt die ganze
Stiuße und giebt ihr einen vornehmen Karakter.
Gegenüber⸗ iniponirt der ſogenannte Löwenhof, —
ebenfalls Kaſerne — am Ende der rechten Seite er-
zeben die zwei braunrothen gleichen Thuͤrme der St.
Peterskirche ihre ſtolzen Kuppeln (aus denen ſo eben
ein harmoniſches Gelaͤut, man will ſagen das ſchoͤnſte
in Mainz, zur Andacht ruft) und von der entgegen-
geſezten Seite nicken einige dunkelgruͤne Baumzwelge
in die Straße. Das ſanftblaue Taunusgebirg ſchließt
die Perſpektlve, und uͤber die mannigfaltigen Gebaͤude,
—die auf der einen Seite gigantiſche Schatten bilden,
woͤlbt ſich hoch der blaue ueihern mit leichten e Flocken-
woͤlkchen geſchmuͤckt.
Die in) ſchoͤner Miſchung zu beiden Seiten d dicht
oItt
4 80
No
73.
Manobeie, den 8. December, 1821.
Sragmente ö
einer maleriſchen Reiſe durch verſchiedene
Gegenden des ſavlichen Keutſchlands.
Sortiebung.
Fünfzehnte Stunde. Von 8 bis 9 uhr.
Aus dem Gotteshauſe getreten, nahm mich bald
die kuͤhle umſchattung des baumumpflanzten Thier-
marktes auf, wo ſich die preußiſchen Ordonanzen
und Rapporteurs durchkreuzten. Hier wohnt in dem
mit drei Balkonen gezierten graͤflich Oſteiner Hof
der preußiſche Cammandant. Auſſerdem aber iſt dle-
ſer Markt noch von verſchiedenen herrſchaftlichen Ge-
baͤuden umkraͤnzt und hat e ein froͤhliches, beiteres
Anſehn.
Durch die Thiermarktoſtraße fortwandernd, machte
ich endlich auf dem unregelmaͤßigen, mit ſchoͤn
Haͤuſern, im neueren Geſchmack umbauten Mu
ſterplatz, wo ſich fuͤnf Straßen: die drei Blei-
chen, die Altmuͤnſter⸗ und dle Thlermarkts-
ſtraße vereinigen, Halt. Links fůhrt der Weg
durch das Muͤnſterthor, an dem ſich ein oͤſter-
reichiſcher Wachpoſten befindet, und rechts oͤffnet ſich
die Ausſicht durch dle drei bei 800 Schritt langen
Bleichen. Die große Bleiche iſt die ſchoyſte dieſer
ſchuurgeraden Straßen, und zleht ſich wie die beiden
andern gegen den Rhein hinab, aus dem neblichte
Duͤnſte emporſteigen, welche die freie Durchſicht
vach dem jenſeitigen ufer und dem Taunusgebirg
leicht verſchlelern. Du kennſt, lieber Freund, meine
alte Liebhaberei fuͤr ſchoͤn gruppirte Stadt⸗Anſich-
ten. Erlaube daher, dir eine gedraͤngte Schilderung
dieſer gegen 30 Schritte breiten Hauptſtraße, von
meinem Standpunkte aus, zu machen.
aneinander gerkcheten alten und neuen, dauerhaften
und zierlichen hohen und niedern Haͤuſer geben dem
Gemaͤlde eine gefaͤllige, ergoͤtzende Abwechſelung. Die
linke Seite wird von einigen vorzuͤglich ſchoͤnen, maſ-
ſiven Gebaͤuden geſchmuͤckt, und von der Mitte ab-
waͤrts traͤgt der Vorderthell des ehemaligen Marſtalls
„(der jetzigen Artillerie ⸗Kaſerne) ein galloppirendes
vergoldetes Pferd. Dieſes Standbild adelt die ganze
Stiuße und giebt ihr einen vornehmen Karakter.
Gegenüber⸗ iniponirt der ſogenannte Löwenhof, —
ebenfalls Kaſerne — am Ende der rechten Seite er-
zeben die zwei braunrothen gleichen Thuͤrme der St.
Peterskirche ihre ſtolzen Kuppeln (aus denen ſo eben
ein harmoniſches Gelaͤut, man will ſagen das ſchoͤnſte
in Mainz, zur Andacht ruft) und von der entgegen-
geſezten Seite nicken einige dunkelgruͤne Baumzwelge
in die Straße. Das ſanftblaue Taunusgebirg ſchließt
die Perſpektlve, und uͤber die mannigfaltigen Gebaͤude,
—die auf der einen Seite gigantiſche Schatten bilden,
woͤlbt ſich hoch der blaue ueihern mit leichten e Flocken-
woͤlkchen geſchmuͤckt.
Die in) ſchoͤner Miſchung zu beiden Seiten d dicht