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Die Gartenkunst — 1.1899

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■}& DIE GARTENKUNST I, 2

Züchters mit dem ausländischen Import müsse für ersteren zum
Untergang führen. Herr Kohlmann-Berlin sprach vom Stand-
punkte des Markthändlers aus und teilte mit, in welchem
Mafse der Schnittblumenhandel sich in den letzten Jahren
entwickelthat und wie durch den Import aus dem Süden im Winter
die deutschen Blumen vom Markte verdrängt oder entwertet
worden sind, und wie diese zum Teil billiger als die bei uns im
Sommer gezogenen Blumen verschleudert werden. Es rnüfste
dem Beispiel der nordischen Länder, welche längst einen Zoll
für unsere Produkte haben, gefolgt werden, und zwar um so
mehr, als wir nicht nur in einer Jahreszeit, sondern während
des ganzen Jahres der Einfuhr ausgesetzt sind. Herr Hapt-
Nieder-Schönhausen vertrat den Standpunkt des Gemüsezüchters
und führt Beispiele an, wie durch dieEinfuhr die Anzuchtgedrückt
werde und die gezogenen "Waren nur Wert haben, wenn durch
klimatische Einflüsse die auswärtigen Erzeugnisse gelitten
hätten. Unsere Gemüsetreibereien, welche früher den Bedarf
vollauf gedeckt haben und auch heute noch bei einer Be-
wertung des ausländischen Gemüses den Markt beherrschen
würden, sind infolge der freien Einfuhr so gut wie ver-
schwunden. — Herr Jungclatifsen-Frankfurt a. 0. beleuchtete
den Baumschulenbetrieb und die Obstzucht. Wenn auch augen-
blicklich das Baumschulengeschäft, so führt Redner aus, und
insbesondere der Verkauf von Obstbäumen als nicht ungünstig
zu bezeichnen sei, so wäre dieses eine Folge der vermehrten An-
pflanzung und der wohlwollenden Fürsorge der Regierung zu
verdanken. In 1—2 Jahren würden jedoch wieder ungünstige
Verhältnisse eintreten. Grund und Boden wie auch Arbeits-
löhne befänden sich in stetem Zunehmen, so dafs eine Ren-
tabilität im Hinblick auf die ausländische Konkurrenz ausge-
schlossen sei. Die kolossale Einfuhr bedinge einen Schutz der
heimischen Produktion, deren Erzeugnisse sich zweifelsohne
besser für Anpflanzungen bei uns eigneten als die des Auslandes.
Während bei uns die Anzucht 6—8 Jahre dauere, sei in Holland
dieselbe Stärke schon in 3—4 Jahren erreicht; mit dem langsameren
Wachstum verbänden unsere Produkte aber eine gröfsere Wider-
standsfähigkeit, welche andererseits aber den höheren Preis anch
nur zu gerechtfertigt erscheinen liefsen gegenüber den Akklimati-
sationsversuchen, welche gewissermassen erst mit den im-
portierten Pflanzen gemacht werden müfsten. Während
einstens die Ausfuhr nach Schweden. Russland u. s. wr. blühend
war, sei dieselbe jetzt durch die dort erhobenen Zölle, für
welche Redner ausreichendes statistisches Material vorlegt,
vollständig lahm gelegt; die Einfuhr nach Deutschland sei
dagegen eine unbeschränkte. Wo etwa noch Ausfuhr ge-
stattet sei, wie z. B. nach Rumänien und Bulgarien, machen
unausführbare Vorschriften für die Verpackung sowie die Reb-
lau skonvention, die einer dringenden Regelung bedürfe, denn
bekanntlich komme die Reblaus nur auf Reben vor, den
Handel unmöglich. Auf Obstbau übergehend bemerkte Redner
dafs die vermehrte Anpflanzung von Obstbäumen in den letzten
Jahren uns die Gewifsheit gäbe, dafs Deutschland, welches
in erster Linie für Obstzucht geeignet sei. so viel Obst
heranziehe, wie verlangt würde. Der deutsche Obstbau habe
für unser Volksleben eine hohe wirtschaftliche, soziale und
kulturelle Bedeutung, so dafs ein Schutz von Reichswegen
geboten sei.

Im Anschlufs an diese Referate entspann sich eine lange
Erörterung, in der als erster Redner Herr van Thiel, der In-
haber eines Blumengeschäftes zu Berlin ist, auftrat und vom
Standpunkt des Handelsmannes aus eine mächtige Philippika
gegen die Schutzzölle hielt. Herr Dr. Diedrich Hahn, Mitglied
des Reichstags, welcher nunmehr folgte, führte in längerer Aus-
führung unter begeisterter Zustimmung der Versammlung aus,

dafs das produktive Interesse dem Handel, der wohl als
schätzenswerter Gehilfe für die Verwertung der einheimischen
Produktion zu achten sei, vorangehen müsse und dafs keine
Verteuerung der ausländischen Waren herbeigeführt werden,
sondern lediglich der Unterschied in den Produktionsforderungen
des Inlandes mit dem Auslande erstrebt werden solle. Redner
rühmte die Intelligenz des deutschen Gärtners und gab im
Namen des Bundes der Landwirte die Erklärung ab, dafs dieser
jederzeit für den Gartenbau, den er als den edelsten Zweig
der Landwirtschaft anerkenne, mannhaft eintreten wrerde. Der
deutsche Markt gehöre auch der deutschen Arbeit, und von
diesem Grundsatz aus seien auch die Forderungen des
deutschen Gärtners als billige anzuerkennen. Als Landschafts-
gärtner, welcher nicht produziert, sondern nur das angezogene
Material verwertet, vertrat Herr Brodersen-Berlin den Stand-
punkt, dass bei genauer Betrachtung die Notlage als vorhanden
bezeichnet werden müsse und es daher Pflicht sei, den Bedarf
bei den inländischen Firmen zu decken und deren Existenz zu
sichern. Der Reichstagsabgeordnete von Queis-Malschöwen
(Gumbinnen) erkannte ebenfalls die schutzlose Preisgebung der
deutschen Gärtnerei gegenüber der ausländischen Konkurrenz
an. Diesem schlofs sich Dr. Oertel, Reichstagsabgeordneter
für Sachsen an, welcher die Versicherung abgab, für die Er-
strebung der Schutzzölle bis zum äufsersten zu fechten, und
für die Erreichung der Ziele ein treues und festes Zusammen-
halten zwischen den Männern des praktischen Lebens und
denen des Wortes und der Feder empfahl. Nachdem noch die
Herren Tropp - Steglitz, Krause - Neuhaidensleben, Behrens-
Berlin, welcher als Vertreter des „Allgemeinen Gärtner-Ver-
bandes" die Zusage der arbeitnehmenden Gärtnerschaft unter
der Bedingung, dafs nach Einführung der Zölle auch die
Lage dieser aufgebessert werde, abgab, sowie mehrere andere
Herren für den Schutzzoll gesprochen hatten, trug der Vor-
sitzende folgende Resolution vor: „Nachdem die malslose Zu-
nahme der zollfreien Einfuhr aller Gartenbau - Produkte die
schon im vorigen Jahrzehnt schwere Existenz der Handels-
gärtner u. s. w. jetzt nahezu unhaltbar gestaltet hat, spricht
die Versammlung die Erwartung aus, dafs bei dem Abschlufs
der neuen Handelsverträge die deutsche Gärtnerei einen ge-
bührenden Schutz finde. Die Versammlung richtet an die
Reichsregierung sowie an die gesetzgebenden Körperschaften
die dringende Bitte, den von allen Seiten im Deutschen Reiche
ausgesprochenen Wünschen der Gärtner gerecht zu werden,
zum Schutze ihrer Produktion sowie zur Erhaltung ihrer
Existenz. Die Vorsammlung beauftragt den Verband der Handels-
gärtner Deutschlands als den berufenen Vertreter der deutschen
Handelsgärtnerei, mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln
dahin zu wirken, dafs sämtliche Produkte des Gartenbaues
sobald als angänglich mit einem Eingangszoll belegt werden."

Eine überwältigende Mehrheit, denn noch nicht 50 Stimmen
erhoben sich dagegen, nahm dieselbe an und gab damit Aus-
druck, dafs eine Verlängerung der Handelsverträge und Unter-
lassung von Schutzzolleinrichtungen die emstliche Gefährdung
des deutschen Gärtnerstandes, als eines Standes der produktiven
Arbeit, nach sich ziehen müsse. Schreiber dieses giebt sich
der Hoffnung hin, dass unsere Regierung den harten Kampf
der Gärtner ums Dasein einsehen und sich den berechtigten
Forderungen zum Segen des deutschen Gartenbaues, zum
Schutz der deutschen Arbeit und zur Wohlfahrt des lieben
Vaterlandes nicht verschliefsen möge. W eif s-Berlin.
 
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