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Die Gartenkunst — 1.1899

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Weiss, A.: Ein Beitrag zu dem Thema: "Allgemeine Regeln zur Bepflanzung von Strassen"
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https://doi.org/10.11588/diglit.20975#0063

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DIE GARTENKUNST

53

raten, etwaige Ratschläge für die Bepfianzungsweise aus
diesem Werk zu schöpfen, denn neben sehr richtigen An-
gaben finden sich auch solche, die nicht zutreffend sind
und daher den nicht genügend auf diesem Gebiete unter,
richteten Fachmann leicht irre führen , können. Der Ver-
fasser, dem gewifs umfangreiche Kenntnisse auf dem Ge-
biete des Tiefbaues zur Seite stehen, beschäftigt sich in
einem Kapitel „Rücksichten auf die Bepflanzung" mit den
Strafsenbäumen und kommt nach einer Einleitung, in
welcher er z. B. empfiehlt, dafs so manche einspringende
Winkel in unseren Städten, um diese vor Verunreinigung
zu schützen, mit den geringsten Mitteln in ein „mit einigen
Blumen oder Ziersträuchern versehenes Rasenplätzchen"
umgewandelt werden können*) und, indem er auf der
Pflänzling übergehend, von diesem erwartet, dafs er sich
einstmals als kräftiger Baum mit weitausladender Krone
entwickeln möge, kurzer Hand zur Aufstellung folgender
Grundsätze: „Als die geringste Entfernung zweier Allee-
bäume von einander ist 7 bis 8 m und als das Mindest-
mafs des Abstandes eines Alleebaumes von der Hausfront
5,50 bis 6,00 m anzusehen, je nachdem den verwendeten
Alleebaumarten eine geringere oder stärkere Entwickelung
der Krone eigen ist."

Das Wachstum unserer Bäume und damit zusammen-
hängend die Ausdehnung der Krone ist es aber, was für
die Anpflanzungen von grundlegender Bedeutung ist und
abgesehen von den Bodenvorhältnissen in erster Linie
berücksichtigt werden mufs. Bei den folgenden Angaben
über Strafsenbreiten mit Baumpflanzungen zieht der Ver-
fasser dieses nirgends in Betracht und spricht immer nur,
ohne sich um die einzelnen Baumtypen zu kümmern, von
Strafsenbäumen. Hierin offenbart sich die Unkenntnis des
Pflanzenmaterials, das vollständig zu beherrschen aber
Hauptsache ist, um durch Zahlen festgelegte Bestimmungen
zu treffen.

Sehr richtig wird dagegen in dem Buche das Vor-
gehen vieler Verschönerungsvercine gegeifselt, die in den
Städten umhersuchen, wo sie wohl die in ihrem jährlichen
Etat ausgesetzte Zahl von Baumstämmchen unterbringen
können und dabei oft auf Strafsenbreiten verfallen, die
hierzu nicht geeignet sind. Zutreffend ist ferner, dafs das
planlose Verfahren in der Anordnung der Ausführung von
städtischen Baumanpflanzungen in weiten Kreisen die
Meinung verbreitet hat, dafs diese Anpflanzungen in
den Städten nicht gedeihen könnten. Mit Freuden ist jedoch
weiter zu lesen, dafs der Verfasser diese Meinung als irrige
bezeichnet und das Gedeihen der Bäume bei sachgemäfscr
Pflege und planmüfsiger Anordnung (bei richtiger Wahl
der Art und Sorte, Weifs) als ein sehr gutes-anerkennt.
Dafs nicht zum wenigsten es aber gerade oft die Architekten
sind, die an einer unrichtigen Herstellung von Baum-
pflanzungen Schuld tragen, sei hier gleich eingeschaltet.
Man denke an viele Verwaltungen, wo der leitende Architekt

*) Ich möchte dringend davon abraten, denn bei nicht
genügender Beaufsichtigung' sind gerade derartige kleine An-
lagen die Sammelstelle der vom Winde hin und hergetriebenen
Papier- und sonstigen Abfälle.

eine Strafsenpflanzung anordnet, die Pflanzstellen vor-
schreibt, womöglich auch die Baumgattung in irgend einem
zufällig in seine Hände geratenen Baumschulenkatalog aus-
sucht und alles weitere dem ersten besten — allenfalls
billigsten — Gärtner überläfst, ohne sich die notwendige
Gewifsheit zu verschaffen, ob der betreffende durch seine
sonstige Thätigkeit in diesem Spezialfache eine gewisse
Gewähr bietet. Warum die Herren sich scheuen, einen
tüchtigen Fachmann heranzuziehen, ist mir unerklärlich.

Als besonders geeignet für Alleebäume in den Strafsen
deutscher Städte empfiehlt der Verfasser die Akazie, die
Linde, den Ahorn, die Ulme, die Platane. Abgesehen davon,
dafs die Auswahl doch wohl eine reichhaltigere sein dürfte,
mufs auch auf die Spezies Rücksicht genommen werden,
denn wenn man z. B. die Gattung der Ahorne betrachtet,
so ist nicht jede Sorte als Strafsenbaum zu verwenden.
Bei einer derartigen Auswahl der Bäume mufs es um so
mehr befremden, wenn man auf der ersten Zeichnung eine
Strafsenbreite von nur 7 m wahrnimmt. Wer eine der-
artige Strafse dem Buche zufolge anpflanzt und zufällig
sich von den oben angedeuteten Arten die Rüster aus-
wählt, wird gewifs einen guten Teil dazu beigetragen haben,
die Strafsenpflanzungen in Mifskredit zu bringen.

Die zweite Profilzeichnung ist noch bedenklicher. Bei
Häusern mit Vorgärten ist der Bürgersteig 3,75 m und der
Fahrdamm 5 m breit. Hier könnten höchstens Rotdornen
odor ähnliche Bäume in Betracht kommen; ob sich bei
solchen Strafsen eine Bepflanzung überhaupt lohnt, werden
die späteren Auseinandersetzungen im Verein lehren. Dann
folgt eine Strafse, deren Fahrdamm 7 m Breite hat, wohin-
gegen die Bürgersteige 3 m und die Vorgärten 2,50 m
breit sind.

Werden hier grofse Bäume genommen, so werden
schon im ersten Jahrzehnt die Vorgärten derartig beschattet
werden, dafs von einem erspriefslichen Wachstum in diesen
keine Rede sein kann. Hier müfste bald, um die Luft-
grenzlinie festzuhalten, ein unbarmherziges Schneiden ein-
treten, was nicht zur Verschönerung beitragen, dagegen
viele Kosten verursachen und den Schatten in den Vor-
gärten nicht beseitigen dürfte. Die einzige Möglichkeit,
eine derartige Bepflanzung in Betracht zu ziehen, könnte
die sein, wenn bei Anlage der Strafse eine spätere Be-
seitigung der Vorgärten in Aussicht genommen wäre.

Als Mindestmafs für die Breite einer mit Bäumen be-
setzten Strafse giebt dann das Buch 21 m an, und zwar
derart, dafs 7,50 m auf den Fahrdamm und je 6,75 m auf
die Bürgersteige entfallen, während Vorgärtenstrafsen schon
bei 13 bis 14,50 m Breite mit 2 Baumreihen versehen werden
können.

Diese Mafse zeigen deutlich, dafs ihnen nur zu folgen
ist, wenn man die Art des anzupflanzenden Baumes berück-
sichtigt. Wenn man bei solchen Entfernungen beispiels-
weise Platanen anpflanzt, so würde bald ein Zusammen-
wachsen der Krone über dem Fahrdamm stattfinden, wo-
durch die Luftzuführung bezw. Ausdünstung der Strafse
im Sommer erheblich und in einer in hygienischer Be-
ziehung nicht vorteilhaften Weise beeinträchtigt werden
dürfte.
 
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