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Die Gartenkunst — 1.1899

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Brodersen, Albert: Englische Gärten
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https://doi.org/10.11588/diglit.20975#0115

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I, & ÜIE GARTENKUNST iO&

Da die Wege in den englischen Parks nicht den
gleichen Wert für den Parkbesucher haben, wie in Deutsch-
land, so erklärt es sich auch leicht, dafs auf die Wirkung
der Anpflanzungen und der hierdurch geschaffenen Bilder
von den Wegen aus wenig Rücksicht genommen wird.

Auffallend ist es, dafs in der Neuzeit bei der Anordnung
der Pflanzung so wenig Rücksicht auf die Umgebung und
die Nutzbarmachung der Pernbilder für den Garten ge-
nommen wird, wie denn auch der Aufbau der Pflanzungen
und die Gruppierung überhaupt, nach unseren Begriffen
wenig künstlerisch ist.

Das Bestreben, welches in älteren Parks zum Ausdruck
kommt, demselben die möglichste scheinbare Gröfse zu
geben und den Blick über die Grenzen hinaus zu führen,
gleichsam als ob das ganze sichtbare Gebiet zum Garten
gehöret, habe ich in den neueren Anlagen nicht entdecken
können. Es kam mir so vor, als ob heute die Pflanzung
ohne Rücksicht auf die Umgebung angeordnet und wenig
Bedacht auf die Gesamtwirkung genommen sei. Die
Pflanzungen sind plump und ohne Gefühl für malerische
Wirkung aufgebaut.

Ein Erlebnis mag als Illustration dienen, wie gering
das Verständnis für Arbeiten im obigen Sinne ist.

Nach einer Besichtigung des Parkes des Herrn
J. Rashleigh in Menabilly b. Par, den ich gemeinsam mit
unserem Landsmann Herrn P. W. Meyer, Garten-Architekt
der Firma Robert Veitch u. Sohn in Exetcr, besuchte,
wurden wir gefragt, welche Gärten in den folgenden Tagen
von uns besichtigt, worden sollton. Wir nannten unter
anderem auch die Besitzung des Mr. Enys auf Enys. Es
wurde uns hierauf entgegnet, dafs dort nichts besonderes
zu sehen sei, ja es wurde angedeutet, der Park hätte durch
ungeschickte Behandlung in der letzten Zeit verloren.
Herr Meyer, der die Besitzung bereits kannte, hörte zu
meiner Freude nicht auf die warnende Stimme, und so
kamen wir nach einigen Tagen nach Enys.

Gleich nachdem unser Gefährt das äufserste Parkthor
passiert, bemerkte ich auf den Feldern eine bisher wenig
beobachtete Ruhe in der Gruppierung der Bäume, auch den
Hecken war eine besondere Aufmerksamkeit in dei Behandlung
gewidmet. Als ich Herrn Meyer meine Beobachtung mitteilte,
erfuhr ich, dafs der Obergärtner Mr. Hogbin auch gleichzeitig
der Verwalter des Gutes sei. Dies erklärte die Sache.

Nach einer angenehmen Fahrt durch die verschönte
Landschaft kamen wir bald in den Park. Wir waren so
glücklich, von Herrn Hogbin selbst geführt zu werden.
Das Schönheitsgetühl des Herrn Hogbin, welches er schon
auf dem Felde zum Ausdruck gebracht hatte, war die Ur-
sache einer besonderen, dort als Verwüstung angesehenen
Ausholzung und Umgestaltung der Pflanzungen, mit Rück-
sichtnahme auf die Gesamtheit des Parkes und
auf die Umgebung. Waren diese Mafsnahmen auch nur
als schüchterne Versuche zu betrachten, so war der gute
Erfolg doch so grofs, um von mir sofort bemerkt zu werden.
Es interessierte mich dies um so mehr, als ich Herrn Meyer
gegenüber oft mein Bedauern über die auffallende Ver-
nachlässigung der Schönheiten jenseits der Parkgrenzen
ausgesprochen hatte. Sobald Herr Hogbin erfuhr, dafs die

Die Gartenkunst.

gute Wirkung seiner gartenkünstlerischen Thätigkoit von
mir bemerkt und gewürdigt wurde, war er sichtlich erfreut.
Er sagte, ich wäre der erste, der ihm eine Anerkennung
gezollt, der Notiz von seiner Thätigkeit genommen, bis jetzt
hätte er nur Nichtachtung und Arger geerntet, so dafs er
.willens gewesen, nichts mehr in der angedeuteten Richtung
zu thun, allein jetzt sei er befriedigt, er würde sich 'durch
nichts mehr beirren lassen, sondern unbekümmert um ge-
äufserten Tadel der Fachgenossen das Begonnene zu voll-
enden suchen.

Herr Meyer erklärte mir, dafs es für den Gartenkünstler
ungemein schwer sei, in England eine Parkverschönerung
in gedachtem Sinne auszuführen.

Obgleich es oft so scheint, als wären die Pflanzungen
ganz willkürlich angeordnet, so ist dem doch nicht so, es
wird ein besonderes Augenmerk darauf gerichtet, für die
zur Verwendung kommenden Pflanzen solche Plätze zu
wählen, auf denen ein gutes Gedeihen zu erwarten ist.
Nicht auf das Ganze wird so grofses Gewicht gelegt, wie
auf das Einzelne, Hier ist der Punkt, wo der Unterschied
zwischen deutschen und englischen Gärton fühlbar wird.

Sorgfältig aufgebaute Gohölzmassen, bestehend aus
Baum und Strauch, in denen das einzelne Exemplar zu
Gunsten der Gesamtwirkung verschwindet, und in die
Rasenbahnen vorgeschobene kleinere Gruppen und Einzel-
pflanzen sind sehr selten.

Läfst nun die Gruppierung der Pflanzungen oft zu
wünschen übrig, so wird man durch den Anblick der
herrlich entwickelten frei stehenden Bäume, Coniforon,
Stauden etc., die oft von geradezu wunderbarer Pracht
sind, voll befriedigt. Die Wirkung der Solitärpflanzen ist
so mächtig, dafs man beobachtete Mängel in der Anordnung,
in Bezug auf den malerischen Effekt des Ganzen, gern ver-
gifst, um sich den Gonufs der Betrachtung so schöner
Pflanzen nicht zu schmälern. Auf freien Rasenplätzen oder
in den Lichtungen waldartiger Parkteilo, an besonders ge-
eigneten Stellen, stehen riesige immergrüne Eichen, Cedern,
Araucaria imbricata, Bambusa, Chamaerops, Corypha,
Dracaenen, Rhododendron, Hex etc., auch mancherlei Stauden,
Gunnera manicata mit Blattflächen von nahezu 3 m Durch-
messer, Alpenpflanzen auf künstlerisch aufgebauten Fols-
partien, die immer aufs neue entzücken. Die Umgebung
des Wohnhauses zeigt einen Blumenschmuck, wie wir
solchen bei uns nur ausnahmsweise sehen. Überall zeigt
sich die grofse Liebe der Engländer für schön entwickelte
Pflanzen. In diesem Punkt stehen wir zurück. Wohin
das Auge sich auch wendet, erkennt man das allgemeine
Bedürfnis der Engländer, sein Heim durch Pflanzen zu
schmücken. Er begnügt sich aber nicht mit dem Besitz
und dem Betrachten seiner Pflanzen, sondern er bethätigt
seine Liebe, indem er für dieselben sorgt, ihre Lebens-
bedingungen studiert und darnach trachtet, durch Erfüllung
derselben die Pflanzen, ganz gleich ob Baum oder Strauch,
Staude oder Gras, zur höchsten Vollkommenheit zu bringen.
Die Liebe zu den Pflanzen durchdringt alle Schichten der
Bevölkerung. Selbst die ärmste Frau hat am Sonnabend
noch einen Ponny übrig, um einige Blumen zu kaufen,
um ihren Kamin, den „Altar des Hauses", zu schmücken.

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