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Die Gartenkunst — 1.1899

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Schultz, Benno G. F.: Ist die Anlage parkartiger Friedhöfe erstrebenswert?
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https://doi.org/10.11588/diglit.20975#0172

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DIE GARTENKUNST

Nach dieser Abschweifung legen wir die Frage vor:
„Entsprechen unsere Friedhöfe den idealen Begriffen von
Schönheit, ist der regelmäfsige Stil, das gradlinige
mit Baumreihen bepflanzte Gelände nötig oder nicht, ist
die Einteilung in rechteckige Grabfelder zweckmäfsig oder
nicht?" — Stellen wir hierzu erst die Gegenfrage: „Können
Friedhöfe landschaftlich, architektonisch und monumental
schön sein, lassen sich diese drei Schönheitsbegriffe zu-
sammen harmonisch und wirkungsvoll vereinigen,
ohne der Zweckmässigkeit Abbruch zu thun'-?

Die erste Frage ist mit „Nein" zu beantworten, dahin-
gegen die zweite mit einem kräftigen „Ja". Gerade das
landschaftliche, das gartenkünstlerische Element ist es.
welches in Verbindung mit der Architektur und Plastik
nicht blofs in den bestehenden Friedhöfen Wandel schaffen,
sondern bei Neuanlagen bildend, belebend und fördernd
eingreifen mufs, ohne dabei den Hauptzweck, die Be-
stimmung eines Friedhofes aus den Augen zu verlieren.
Grofse parkartige Friedhöfe, in welchen Gartenkünstler,
Architekten und Bildhauer ihre besten Kräfte entfalten
können, eignen sich am besten für wohlhabende und volk-
reiche Städte, als Kommunal- oder Gemeindefriedhöfe.

Mit der Friedhoffrage eng verbunden ist die noch
immer nicht gelöste Frage der allgemeinen Feuer-
bestattung. Ist diese „brennende" Frage erst insoweit
erledigt, dafs im ganzen deutschen Reiche neben der Erd-
bestattung auch die Feuerbestattung erlaubt bezw. ein-
geführt ist,werden sämtliche Friedhöfe in ökonomischer,
sanitärer und ästhetischer Hinsicht gewinnen, sie
werden einen freundlicheren Charakter erhalten und uns
die düsteren Stätten des Todes nicht so unmittelbar vor
Augen führen.

Den Besuchern und Leidtragenden wird ein landschaft-
lich schöner Friedhof, geschmückt mit Hallen und Tempeln,
mit realistischen Denkmälern von ergreifender, packender
Wirkung, Trost gewähren, sie zu stiller Betrachtung und
Erholung einladen und ihnen die Lebensfreude wiedergeben.
Einer späteren Generation wird die Feuerbestattung,
die Gewohnheit zur anderen, zur zweiten Natur: „Consuetudo
altera natura fit."

Es ist einleuchtend, dafs durch die Feuerbestattung in
ökonomischer Hinsicht viel gewonnen wird, räumlich sowie
inhaltlich, d. h. bestehende ältere und überfüllte Friedhöfe
können wieder benutzt, gröfsere Neuanlagen insoweit ein-
geschränkt werden, dafs grofse Städte (Hauptstädte) zwei
bis drei, die Mittelstädte ein bis zwei allgemeine Friedhöfe
erhalten. In sanitärer Beleuchtung ist der Vorteil und
Nutzen ganz unberechenbar, schon in normalen Zeit-
läuften, um wie viel mehr bei ausbrechenden Epidemien,
wie z. B. in neuester Zeit bei der Pest in Wien und 1892
bei der Cholera in Hamburg.

Vom ästhetischen Standpunkte sind die Einwendungen
und Bedenken ganz hinfällig, das Schönheitsgefühl wird
in keiner Weise verletzt, vielmehr gehoben. Es könnte
nur der Gedanke, dermaleinst verbrannt oder eingeäschert
zu werden, für viele Menschen fürchterlich sein, aber doch
nur dann, wenn sie gegen ihren Willen durch Feuer be-
stattet werden.

Auch das Wort Leichenverbrennung, Leichenbrand
könnte vielen unangenehm sein und sie davon abschrecken.
Ist aber der Gedanke an eine langsame Verwesung,
der Gedanke, eine Beute der Würmer und Maden zu
werden, etwa ein tröstlicher'? Ist es nicht erhebender, vom
reinen Element des Feuers schnell verzehrt zu werden''
Es wird ja nur, nachdem die Seele entflohen, eingeäschert,
was sterblich ist am Menschen.

Ferner wird geltend gemacht, dafs man bei einer Ein-
äscherung kein sichtbares Andenken der Verstorbenen
mehr habe; bei Begräbnissen habe man doch die Grab-
hügel zur Erinnerung an die lieben Toten und können sie
mit Kränzen und Blumen schmücken. Nun wohl! Bei
einer Verbrennung bleibt uns ein ebenso teures An-
denken zurück — die Asche—, welche wir in mehr oder
minder kostbaren Aschenkrügen oder Urnen in der Be-
hausung oder in Urnenhallen aufbewahren und diese an
Gedenktagen ebenso festlich mit Kränzen und Blumen
schmücken können. Durch die Feuerbestattung wird ein
wunder Punkt im öffentlichen Leben ganz erheblich ge-
mildert bezw. beseitigt, nämlich die täglichen Leichenzüge
durch die belebten Strafsen und neuerdings sogar durch
die öffentlichen Parkanlagen.

Den Tod durch die Strafsen und Anlagen zu führen
wirkt niederdrückend, niemand will gern an ihn erinnert
werden; am wenigsten an Orten, welche der Erholung
und der heiteren Lebensfreude dienen, also Gärten und
Parkanlagen. Bei einer, wenn auch nur teilweise einge-
führten Feuerbestattung werden sich die Leichenzüge von
selbst verringern, weil die kleineren, hier und dort in den
Städten befindlichen Friedhöfe eingehen und die Be-
stattungen auf den gröfseren Gemeindefriedhöfen bewirkt
werden müssen, aufserdem müssen die Verstorbenen thun-
lichst abends still in die Leichenhallen bezw. Krematorien
geschafft werden.

Die Kosten für eine Feuerbestattung, sowohl die ein-
maligen als auch die laufenden, sind weit geringer als bei
der Erdbestattung. Schon bei der Platzfrage wird ein er-
hebliches Kapital gespart, die Kosten für die Verbrennung
und den Transport der Leiche sind taxmäfsig festgestellt
und lichten sich nach den Verhältnissen. Die laufenden
Ausgaben stellen sich niedriger als bei Begräbnissen; die
jährlichen Gebühren für Unterhaltung der Gräber, welche
oft sehr hoch sind, fallen fort, ganz ungerechnet die Aus-
gaben für Gräberschmuck, also Kränze, Blumen und Pflanzen.
Das Standgeld für die Urnen in den Urnenhallen ist nicht
erheblich. Die allgemeine Unterhaltung der parkartigen
Friedhöfe ist besonderen Bestimmungen unterworfen, welche
in den Städten verschieden geregelt sind, ist aber nicht
teurer, als die unserer gegenwärtigen Begräbnisplätze.

Was nun die kirchlich-religiöse Seite bei der Feuer-
bestattung anbelangt, so verhält sich bis jetzt die Kirche
und Geistlichkeit in Preufsen ablehnend, es ist hier den
Seelsorgern untersagt, im geistlichen Gewände zu sprechen,
dahingegen ist es ihnen in anderen deutschen Städten
erlaubt, z. B. in Gotha, Heidelberg, Jena, Hamburg, Basel,
Zürich u. a. m. — Das religiöse Gefühl wird hierbei in
 
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