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Die Gartenkunst — 1.1899

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Ledien, Franz: Verwendung der Felspflanzen in modernen Gartenanlagen
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https://doi.org/10.11588/diglit.20975#0192

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178

DIE GARTENKUNST

I, 10

Grade. In der norddeutschen Tiefebene giebt es überall
genug Findlinge, welche dazu Verwendung finden können,
nachdem übergrofse Stücke gesprengt sind und anderseits
sind Rüdersdorfer Kalkstein, Quadersandstein, Thüringer
Kalktuffstein bedeutend brauchbarer für den Bau solcher
Partien, als man im allgemeinen annimmt. Die herrliche
Anlage an dem Kreuzbergo in Berlin, die Alpinenpartien
im Berliner und Dresdener botanischen Garten und anderswo
beweisen, dafs auch diese porösen Gesteinsarten ein ganz
vorzügliches Gedeihen der Alpen- und Felspflanzen gestatten,
wenn nur zeitweise für die genügende Feuchtigkeit gesorgt
werden kann. Granit, Porphyr, Basalt sind allerdings
immer die besten Gesteine, aber nicht Bedingung für das
Gedeihen einer Felspflanzenanlage. Für den Aufbau sei als
wesentlich bezeichnet, dafs alle Steine, auch die kleineren,
festliegen und eventuell in Cement gebettet werden müssen.
Nichts hindert das Anwachsen und Überspinnen der Pflanzen
mehr als das gelegentliche Wackeln der Steine. Ganz be-
sonders wirksam sind steil bis senkrecht aufgebaute Fels-
wände, an denen gewisse Felspflanzen mit besonderer
Vorliebe und zu sonst ungeahnter Schönheit gedeihen; dafs
sie sich daran auch viel schöner präsentieren, leuchtet ein.
Unser Bild zeigt eine solche Wand nur zum kleinsten Teile.
Dieselbe bildet im Mai jeden Jahres ein Hauptschmuckstück
des botanischen Gartens zu Dresden und die Pflanze in der
Mitte des Bildes, Campanula Portenschlagiana, macht
uns alljährlich die Freude, im September mehr oder weniger
reich noch einmal zu blühen. In England errichtet man zu
demselben Zweck sehr einfach gehaltene künstliche Ruinen,
aus wenigen niedrigen Mauerresten bestehend, die genau
demselben Zwecke ausgezeichnet dienen. Immer behalte
man im Auge, dafs die Felsgruppe nicht durch ihren Auf-
bau als Naturnachahmung oder gar als Kunstwerk durch
sich selbst wirken soll (wie manche Lieferanten der
Thüringer Tuffsteine das gern hinstellen und damit bei
einem Teile des Publikums auch Anklang finden), sondern
dafs sie nur das unentbehrliche Kulturmittel zur Anbringung
der reizenden Felspflanzen auch im kleinsten Garten sein
soll. Die natürlichste Wirkung erzielen immer noch ganz
einfach gehaltene Felsbauten.

Zu dem Bilde möchte ich nun des Lesers Phantasie
in Anspruch nehmen, um sich den quadratmetergrofsen
Fleck der Campanula im herrlichsten Hellvoilchenblau und
dazu die Umgebung der reinweifsen, schleierartig über den
Polstern schwebenden Blütenrispen von Saxifraga caespitosa
u. a. zu denken, welche gleichzeitig blühen. Ich bedauere
allemal, dafs in der betreffenden Zeit (Mai) die Frühjahrs-
arbeit so selten einen Gärtner zu mir kommen läfst, um
das herrliche Bild zu geniefsen, welches die ganze Anlage
dann bietet. Ich unterlasse es aus Rücksicht auf den Raum,
eine Liste der geeignetsten Pflanzen zu geben. Das
Wockesche Buch oder das Verzeichnis von Sündermann in
Lindau, auch die neue Liste des Dieckschen Gartens in
Zoeschen geben völlig erschöpfende Auskunft darüber. Ich
bemerke nur, dafs ich die Bepflanzung der Steinpartien
in Privat- und öffentlichen Ziergärten durchaus nicht aus-
schliefslich auf Alpenpflanzen beschränkt sehen möchte.
Nur sollte man üppig und hoch wachsende Sträucher und

Stauden nur am Fufse anbringen und auch da mit Vorsicht,
da sie den kostbaren Raum kleiner Partien allzubald völlig
in Anspruch nehmen würden. Auf gröfseren Gruppen wirkt
eine grofse Fläche mit Vitis hotorophylla, Vitis inconstans
(Veitchii), Evonymus radicans übersponnen sehr hübsch.
Auf feuchten Steinpartien gedeiht Vaccinium macrocarpum,
Linnaea borealis, Empetrum nigrum, Bryanthus ompetri-
formis, Loiseleuria procumbens, Bruckenthalia spiculiflora,
Salix herbacea zu ganz wunderhübschen Bildern.

Zur Deckung im Anfange noch kahler Stellen empfehle
ich die Aussaat einiger feinblütiger Annuellen wie Gilia,
das kriechende Polygonum capitatum u. a. Bei einigem
Gelingen wird man den Gartenbesitzer bald genug zu
gröfseren Goldopfern für die Felspflanzenanlage überreden
können.

Betreffs der Behandlung der bepflanzten Felspartien
finde ich es nötig, darauf hinzuweisen, dafs dieselben in
den ersten Jahren nach der Bepflanzung meist zu trocken,
gehalten werden, was bei den steilen Felswänden in freier
sonniger Lage leicht verhängnisvoll wird. Die Pflanzen
brauchen sehr wenig Erde, leiden aber leicht, so lange sie ihre
Wurzeln noch nicht in die Felsritzen hineingesandt haben,
durch allzu grofse Dürre in den Monaten Juli und August.
Ferner mufs man vor Eintritt dos Winters dafür sorgen,
dafs die durch das Spritzen und den Regen aus den Fels-
ritzen vielleicht herausgespülte Erde ersetzt wird. Wir
bewerfen zu dem Zwecke die Felswände mit einem
trockenen Gemisch aus Moorerde und Gartenboden mit der
Hand, wobei dann so viel liegen bleibt, wie die Pflanzen
an den Wurzeln brauchen, um nicht durch den Frost
abgehoben zu worden. Verderblich sind den Felspflanzen
oft schneelose Winter; wer die Gruppen mit Schnee be-
schütten lassen kann, erhält sich damit manche empfindlichere
Art. Für die Anzucht der Felspflanzen empfiehlt sich bei
sehr vielen der feineren Arten die Stecklingsvermehrung
und das Teilen der Rasen. Eine vorzügliche Art der
Massenanzucht der Rasen und Polsterbildner hat Herr
Garteninspektor Perring jetzt im botanischen Garten zu
Berlin nach Sündermannschem Muster eingeführt. Dort
stehen die einzelnen Spezies in Massen für die Neuanlage
in Dahlem auf niedrigen, flachgewölbten, starkdrainierten
Geröllbeeten aus Rüdersdorfer Kalksteinbrocken ohne irgend
welchen Schutz gegen Sonne und gedeihen aufserordentlich
schön. Bei derartiger Massen-Kultur müfste sich die
Anzucht der Hauptarten für den Bedarf der Landschafts-
gärtner auch leicht gewinnbringend machen lassen. Vor-
läufig klagen die Landschaftsgärtner immer noch über die
Schwierigkeit der Beschaffung der nötigen Pflanzen.

F. Ledien, Dresden.
 
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