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Die Gartenkunst — 1.1899

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Schomerus, Johannes: Das Absterben der Pyramidenpappeln
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https://doi.org/10.11588/diglit.20975#0233

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I, 12 DIE GARTENKUNST 219

bezw. das Dürrwerden der Zweigspitzen mit
einer organischen Schwächung, verursacht
durch eine ständige vegetative, unge-
schlechtliche Portpflanzung zusammenhänge,
möchte ich hier einen anderen Grund geltend
machen. Zunächst möchte ich behaupten,
dafs die ständige vegetative Fortpflanzung
durchaus nicht ein Grund des Absterbens zu
sein braucht, wie in den meisten Fällen ange-
nommen wird. Man sagt, dafs durch die
vegetative Fortpflanzung die Pappeln mit der
Zeit geschwächt und weniger lebensfähig
würden. Dies könnte allerdings der Fall sein,
braucht aber durchaus noch nicht der Grund
für das Absterben derselben zu sein. Was
ist denn eine vegetative Fortpflanzung? Es
ist ein langes Fortwachsenlassen der
vegetativen Organe, das immer ohne jede
Unterbrechung und ohne Verjüngung statt-
findet. Durch dies Wachsenlassen des
Mutterstockes wird eine Sicherheit der Ver-
erbung bedingt. Alle Eigenschaften des Mutter-
stockes übertragen sich ohne weiteres durch
vegetative Portpflanzung, weil ja stets ein
Teil des Mutterstockes weiter wächst. Da-
durch wird auch das Alter des Mutter-
stockes dem vegetativen Sprofs übertragen.
So tritt Altersschwäche ein; die Pflanzen sind
durch äufsere Einflüsse bedroht, denen sie er-
liegen. Die Pappeln sterben ab. Die Kar-
toffeln, die ja nur vegetativ fortgepflanzt
werden, verfallen der Kartoffelkrankheit. Die
Altersschwäche überträgt sich also durch vege-
tative Fortpflanzung. Dies steht fest. Dennoch
wage ich zu behaupten, dafs die vegetative
Fortpflanzung nicht der Grund des Absterbens
der Pappeln ist. Den Beweis dieser Be-
hauptung will ich durch die Beantwortung
zweier Fragen zu liefern mich bemühen.

A n i_. i V Vti i ,,i Pirna prunifolia Willd.

1. Geschieht die Übertragung der Alters-

Nach einer von Kurt Marquardt, Kassel, eingesandten Photographie

schwäche durch geschlechtliche Fortpflanzung
nicht ebenso wie durch eine vegetative?

2. Wie ist das Verhalten vieler anderer, nur auf vege- pflanzung mit auf die Nachkommenschaft hinübergetragen,
tativem Wege vermehrter Pflanzen? hat sie dahingerafft. Ein weltgeschichtliches Ereignis, das

Geschieht die Übertragung der Altersschwäche nicht sich ständig wiederholt, ist es, wenn starke Völker, die ihren

ebenso gut durch die geschlechtliche Fortpflanzung? Die Höhepunkt erreicht, zu Grunde gehen. Man denke nur an

stetige Folge der Altersschwäche ist der Tod. Wo sind Griechen, Römer, Spanier etc.

sie hin, die vielen Kinder der Flora, die im Kampfe ums Wie verhalten sich demgegenüber eine Unzahl anderer
Dasein unterlagen und nun schon lange nicht mehr auf Pflanzen , die nur vegativ fortgepflanzt werden, bezw.
der Welt existieren, während sie früher doch eine Macht sich vegetativ fortpflanzen. Es mögen einige drastische
auf Erden bildeten? Sind auch sie etwa durch vegetative Beispiele genügen. Eine bekannte Wasserpflanze ist Azolla
Fortpflanzung geschwächt? 0 nein, das ist nicht anzu- caroliniana, ein kleines, aus zwei Lappen bestehendes
nehmen; die Pflanzen wurden altersschwach. Sie hatten schwimmendes Gewächs. Dies Pflänzchen zeichnet sich
ausgelebt. Die Schwäche übertrug sich durch geschlecht- aus durch ungeheuer schnelles Wachstum. In Wasser-
liche Fortpflanzung ebensowohl, wie wir sie jetzt durch kübel gesetzt, häuft es sich bald dicht übereinander. In
vegetative wahrzunehmen glauben. Wo sind die alten Holland ist diese Azolla verwildert und in dem Mafse ver-
Völker, die früher einmal die Welt beherrschten? Sie sind breitet, dafs sie viele andere Pflanzen verdrängt hat. Es
hin. Das Alter, das sich durch geschlechtliche Port- wurden seiner Zeit 2—3 kleine Spröfschen von Amerika
 
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