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Heidelberger Tagblatt — 1860 (Januar bis Juni)

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Januar
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https://doi.org/10.11588/diglit.2785#0009

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M 3.

lich.^Prci'k inii IluicrhaltiingSkilatt vicrlci«
iährlich 36 lr.

Mittwoch, 4i. Januar



Wns hnben Neqicrung und Knnd-
fiande in Beziehung auf daS Kon-
tordat zu tbun?

Zwcitcr Nrtlkcl '(Fortsctzüng).

Dlk Bestüiimungeii deö Koiikovdats nnd^
der Schlußnotk der Negierung hinsichtlich
'der il n i v e'r s i a t.'.F r k i b u r g' habcii cine
'hohk Dedeutung für Staat uni' Wissen-
schaft, liisbcsondcre aber fur dic Stadt
Frciburg iind Vas Oberlaiid, deren Jugeiid
jene Änstalt einen erlcichtcrten Ziigang zu
den Studicn bietet.

Dic Universität Frciburg ist eiiie durch
die Vcrfassüngourkunde geschiitztc Stäatö-
anstalt.

Glcichwohl, nnd gcgen den § 5 der Ver-
sassungsurkuiidc, und zwar iu noch viel
höhcrcni Maßc als bci dci Eriiruiiung dcö
Vorstaudes der Staatdüufsichlöbehörbe übcr
dic Volksschulen, beschränkt der Art. 1l
des Koukordats das „Anitsbesetzuugsrecht"
des Äroßherzogs für die Professiiren und
Lehrstcllen der theologischen Fak;iltät in
dcm Maße, daß solches Necht thatsächlich
auf den Erzbischof übertragen ist, denn
dieser hat dic Besugniß deu Profestoren
und andern Lehrcru die Scndung zu er-
theilen uud zu eiuziehcn.

Außcrdein hat die Regierung in der
Schlußnotc dic Zusichcrung erthcilt: weiin
cin der thkologischcu Fakultät nicht an-
gehörige v Lehrcr der Universität,'n sei-
nen Vehrvorträgen mit der kath. Glau-
bens- und Sittenlehre in Widerstrcit ge-
rathen sollte,. sv werde sie den hiewegen
zu erhcbendeu Bcschwerden dcs Erzbischofs
^ sedc thu'nliche Nücksicht gewähren, d. h.
also dem Professor dcs Nechts, der Natur-
wiffcnschaften u. s. f. eine solche wider-
strritcndc wisscnschaftliche Wahrhcit zu
lehreu vexbietcn, und wcnn nöthig, falls
dieser dein Verbote nicht nachkäme, dienst-
polizeilich geAkn ihn einschreitcn.

Einige Beispicix- n'ögrn den Sinn und
die praktischen Folgrn dicser Bestiinnittilg
anschaulich mächen.

Die Kirchcnvcrsammlung von Tricnt
nnterwl'rft Diejcnigen driu „Bannfluche"
der Ki'rche, wclche bthaupien, d,'x
Ehcsa.che n nicht vor dcn gcistlichx,, Nich-
. ter gchörrn; drr Nechtslehrrr nnn, ,ucl-
chcr uiisere Gesetzgcbuiig, wo'nach Ehx-
.sachen n i ch t vor den gcistlichen Nichter
' gchörcn, verthcidiget, verfällt somit dem

Einschreiten drr Ncgieriing' geniüß jener
Zusichernug.

Aii einer LchränstaIt in Gratz in Stcper-
niärk rriig vor m'cht langer Zeit ciiiPehrer
dcr Natiirwisseiischaften vor: die Bildnng
derStel'nkohlenlagerhabccineNSchöpflings-
prvzeß von mehräls'zwaiizigrailscnd Iahren
ersordert.'Wegeii LLidÄstrcltcs diescr Lthre
init der.lenigen deb katholischcn Kirche wird
^diescv' Leh'vcv anf Vkränlassnng' der be-
trcffendni kaib. zrirchenhchördc aufgesor-
dert, jene wiffeiischaftliche Wahrhcit für
irrig zii crklärcn,' nnd aiif'sciiic Wci'gcrung
solchcs zn thuii, wivd er voii dem Lchr-
amte bescitigt.

Man wird entgegnen: Der Erzbischof
werde' von jcner Zustchkrüng dcr Negie-
rnng einen „mäßi'gkii" Grbrauch mächen,
die Negierung selbst aber'wkrde stets die
Frcihcit der 'Wissenschaft „schützen".

Allcin wie ev'ging 'cs N'n obigem Falle
der Achtimg der Wiffenschaft iii'Gratz?
Wi'rd der Erzbischof einc ihm crthcilte
Bcfugiiiß zu Ehren der Wl'ffciischaft nicht
gebranchcn, da man in Rom^znr Uiichre-
dcr Wi'ssenschaft eine sölche. Ziistchermig
(nnd wozu anders, als nm ste init hiedar-
chischcr Ünbeiigsamkcit zu gebraucheii) ver-
langt hat?

Ünd nun der Schutz der Wi'ssenschaft
dttrch die Regiernng.

Glaübte sich die Negi'erung wffenbar
nach langem iind criistem Widcrstieben
verpfli'chtet, jene Znsicheruiig znr Be-
kämpfung wisscnschaftli'cher Wahrheit zu
gebcn, wi'rd, wcim die Zusagc zu Necht
bestehct, diesclbe Regierung mil größcrer
Eiiergl'c el'ncu einzeliicn Lchrcr schützeu
gegcu ihre eigene Zusage, gcgcu deu An-
drang der durch das Konkordat als Äber-
mächtig aiierkannteii und solches anch iii
der That gewordencn Gewalt dcr kalho-
lischeii Kirche?

Die Unterstellling: als habe di'e Negie-
rnng jene Zusicherniig in anderer Absicht
crtluilr, alü iim solche .redllch zu erfütteii,
wj.rd Zcder als .uiisittlich und rechtswid.rig
znrückweise» müssen.

Wir könneil abrr bei der daraus er-
wachscneu Veipflichtliiig dl'c Ncgiernng
m'cht von drm Volke tvcnncu. Ncgiening
nnd Volk bildcii rechtlich cin d Pevsön-
lichkcit. Ohiic einstc Gefahv süv den >>c-
stand des Stäatcs mnß iii Negicruiig nnd
Volk däs lebcndige Brwußlsini waltcn,
daß ein Zntcvesse, ciii Nccht, ciiie Psticht,

eine Ehve Beide als ein untreiiiibäres
Gänze bcstiiNiiit Nnd' lcitct; und dcßssalb
sind wir dcr Ucberzeuguiig, daß auch- jene
iii der SchlUßnote trthcilte Zlisichcrimg
dcr Rcgl'crnng dic „Lehrcr" dcv Uiu'vrr-
sität' Frtnbiirg d e r pflich 'ter, wcnii sie
m ic - dcm K on korda l üb erhaupr b,'ndend
wird.

Der' Avel der Wiffenschüft wird den
nicht thcologischcn Lchrer abhalten, in
scl'nen Lehrvorträgkii eine dcr Kirchcn durch
Angriffc zii vcrlctzen, die Sittlichkeit zu
bkleidigen. Eincm ge.ücutheiligen Miß-
bräüch hättc die Regicrimg aiich 'o h n e
Konkördat und ohne besoiidere Zusicherung
kntgegeiiziltreteu.

Äll'ein- Uicht diese Veipflichtuug ist der
Gegcustäud der erwähiiteu. Züsicherimg,
vielmehr geht diese auf deu W i d c r st r e it
der W i s sen s chaft mit dev kath. Glau-
bcns- nnd Sittenlehve; gcgen die objektive
wiffenschäsüichi!' Wahvheit ist di'c'Znsiche-
rung. thlinll'chcr Nückstchtslosigkeit /gegeben.

Soll die hicvaus evwachsende Vevpflich-
tung dev Regierung und jcdcii Lehrers
cine gemeüisame seiii, — so stchet dev ge-
schichtlich sv oft schon dagewesenc schnei-
dende Gegensa-tz zwischen der Kivchenge-
^valt und der heil. StiNime dev Wahvheit
vov uns.

Welchcr aus den Lehvern, wclchev ächte
Söhn dev Wiffenschaft wird dev erste sei'n,
an den das: Entweder — Od e v heran-
tvitt!

Wie kann abev einci» Professor, wcl-
chcv dev ev angel ischen Kirchc angthört,
znv Pflicht gemacht wcvden, die katho-
lische Glaubens- nnd Sittenlchre als
wahv anzuerkeiineii! — Wohev - soll für
diescii cine Vcrpflichtniig irgend wclcher
Anerkennung solchcr Lehvc evwächsen? Sie
köiinte oieses iiuv dnrch eine ailsdrückliche
Brdiiiguiig bei seiiikv-Anstcllimg. Zst aber
einem „Pvotestaiitcn^ die Eingehung einer
-solchcn Bediugling möglich?

Deßhalb wird die A nsschließ n n g der
Pvotestaiitku vvn den Professnven nnd Lehr-
stcllen an dev Univevsität Freiburg (und
diese ävill man auch vou klcrikalcv Seite
offeiibav erveicheii) die nöthwciidige Folge
des Konkordais sein,' und soinit steht dcv § 9
dcr Vcrfassiingsuvkiindc mit dcr bczcich-
iieten Zusilbcvung im.Widcvspviich.

(Fovts. folgt.)
 
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