Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Tagblatt — 1860 (Januar bis Juni)

DOI chapter:
Januar
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2785#0025

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Heidell»erger Tagblatt.

9?" 7*

lich^PrtiSottNIxttrhallungSblattvikrl^-
iäbrlick 36 kr.

Sonntag, 8. Jannar


DestclluWen auf dns „Hei-
-clbcrger Tagblatt" fiir dao crge (Qnar-
tnl werden fortwiihreud bei -cu Pog-
ämteru augenommcn, fnr Heidclberg bei
-er Erpedition.

Was habcn Ncgierung und Lnnd-
stande in Beziehung auf das Kon-
kordat zu thun?

Zwcktcr Artikcl (Fortschung).

Wi'c schon crwähnt, stcht dr'c Uni'vcr-
sität Frelburg unter dcm Schutze der Lan-
dcsvcrfcrssnng. Durch die Art. 8 und 9
dcs Konkordats isi aber der Bestand di'escr
hohcn Schnle von dcm eiiiseitl'gen Willen
dcs Crzbischofs abhängig gcmacht; denn
danach habcn nur in so langc die Kan-
didaten dcr Thcologie an dcr Univcrsität
Freibnrg zn studiren, bis ein Scininar
fnr dicsclbcn errichtct ist; diesc Errichtnng
r'st abcr nicht nnr dcm Erzbischofe frci-
gcgcben, sondern es hat ihm auch die
Regi'erung in der Schlußnote die Verwen-
dung von fährlichcn 10,000 fl. aus Stif-
tungscinkünftcn, somit gcrade die Geld-
mittel bewilligt, um die Äuflösiing der
Universität Freibnrg herbei'zuführen. Denn
wird, was in jcner Zusage liegt, die theo-
lvgische Faknltat der Universität Freiburg
entzogcn, so hört dicse Anstalt auf, ben
wesentlichcn Charakter eincr deutschen „Uni-
vcrsität" zn haben, und dek Lhat wie dem
Nanien nach ist damit diescr Zierde der
SladtFreibnrg, diescm kostbarcn Gcmeinde-
gutc dcs Vaterlandes, dieser Hochschule
der Wrsscnschaft der Untergang bereitet.

Bcvor wir in unsercr Erörterung znr
Hauptfrage fonschreitcn, müsscn wi'r dcn
Art. 5 dcs Konkordats, insofernc dadurch
dic Ehcgerichtöbarkeit an ein erzbischöf-
liches Gericht übcrtragen ist, noch bcson-
ders bcsprechen. Scit Einführniia der
Eheordnung ,'m Iahre 1807 und'unter
Herrschaft dcs Landcsrechts wcrden
Ehesachcn äls bürgcrliche Rechtsvcrhält-
niffe nach bürgerlichcin Gcsctz gercgclt,
und wird übcr Bcstand und Anflösiing
dcr Ehe von dcn bürgcrlichc„ Gcrichten
entschicdcng dabei ist dem Geistlichcn ein
die religiösen Jntcresscn wahrcnder
El'nfluß bei Eingchung der'Ehen wie bei
Fällen ihrer Anflösung eiiigcränmt.

Die Wohlfahrt des Staates nnd der
Familien wird wesentlich durch cine fricd-
Uche, sittlich und religiös gchobcne Ge-

staltung des chelichen Lcbcns bestimmt.
Kaum ein Gcbict nnscrcr Gcsetzgcbnng
hat aber unbcstritten nach dcr Erfahrung
eines halbcn Jahrhundcrts solch' bcfrie'-
digcnde Früchte sciner segensreichcn Wirks
samkeit aufzuwei'sen, als dasjenige übcr
die Echevcrhältnissc. Dic Statistik
unscrcr Ncchtspflcge ze-igt, wie gcring dic
Zahl gerichtlicher Ehescheidungcn und die
Trenn'ungen von Tisch und Bctt in un-
scrm Lande ist. Unzweifelhaft hat hicr-
nach weder dcr Staat, noch der Einzclne
— die Vcrhältnisse der gemischtcn Ehcn
ausgcnominen — Li'nen Grnnd zu einer
Aenderung in dcr hicher bezüglichcn Gesctz-
gebiing und Gcrichtsbarkcit; und dennoch
übcrträgt der Art. 5 dcs Konkordats dem
erzbi'schöflichcn Gerichtshofe auch die Ent-
scheidung übcr Ehcsachen.

Wic dicscs Gcricht nach dcn Kirchcn-
gesetzen eingcrichtet werdcn soll, wird cs
auch nur »ach „Kirchcngesctzcn" die Ncchts-
fälle entscheiden.

Der Staat gibt also die Wahrung sei-
ner hochwl'chti'gen Jnteressen ciner ihm
fremden Gesetzgebung, eincm außer-
halb verfassungsiiläßigcr Garantie stchcii-
den Gerichtc preis.

So soll eine in Hinsicht auf freiheit-
lichc mcnschliche Entwickclung abgclcbte
Gcsetzgcbung und Gerichtsanstalt aus dem
Mittclaltcr'wiedcr hervorgeholt wcrden,',
währcnd jedes Volk unb jeder Staat, je
höher ihre Gcsittung und Frcihcit fort-
schreitcn, um so selbstbcwußter,die Ehe,
das Heiligthum der Familie, die Blüthc
dcs gesclligen Lebens, ttach cigener
Sitte, nach cl'genem Ncchtsbcwußtsein
ihrer Zcit gesctzlich ordnen, nnd von
eincm für „Ehcsachen" bcstimmten Gerichtc
die höchste Gcwähr rciner Nechtspflegc,
welche cinc menschliche Einrichtung dar-
bieten kann, verlangen.

Für die Anfordcrung des deutschen Rechts-
bewnßtseins an cine Gerichtsorganisation
bictct aber dcr durch das Konkordat fcst-
gesetztc crzbischöflichc „Gcrichtshof" gar
kcinc Sicherung einer uilparthtiischcn imd
unabhängigcn Ncchtssprechung; dcnn dieser
Gerichtshöf wird nach Weisnngcn, die von
päpstlicher Gerichtshcrrlichkeit ausgchcii,
eingerichtet werben, seine Mitgliedcr wer-
den entlaßbar scin, dercn eigcntlichcr Be?
ruf kanil nur aiisnahmsweisc in Findung
dcs Nechtes bcstehcn, ihr gcistiges Ohr
wird wtniger auf die rejne Stirnme der

Gerechtigkeit, als auf den -Lant kirchlicher
Jnteressen und Abneigungen und auf die
Ansicht ihres Ge^ichtsherrn angelegt sein.

Wahrlich, ein solches Gericht, desscn
Gerichtsbarkeit ihre Quclle nicht in drm
Großhcrzogc, sondern in dem Auf-
trage eines von cinem auswärtigen Für-
sten abhängigen Erzbischofs hat, ist mit
dem §. 14 unsercr Verfassungsnrkunde
unvcre i n b a r.

Man wird entgegnen: im Wege der
Gcsctzgcbung werde die „Civilc h e" ein-
geführt werdcn; wenn man abcr damit
auch die weltlichc Gerichtsbarkeit für die
Ehesachen beibehält (und ohne dicse wäre
allerdings die Einführung der Civilehe
bcdeutungslos); so sehcn wir nicht ein,
wie dadurch bei der daneben geltendcn
kirchlichcn G.erichtsbarkcit eines der er-
hobenen Bcdenken bescitigct würde, es
wäre denn, daß dcr Staat dcn Urtheilen
dcs crzbischöflichcn Gerichtes keine rccht-
liche Geltnng bkilcgen würde, d. h? alsv,
daß der auf Ehesachen bczüglichc Inhalt
dcs Art. 5 des Konkordats für unwirksain
erklärt wnrde. Soll abcr diese Bestim-
mung des Konkordats in das Leben tretcn,
so sragcn wir: wird dcr Friede in dcn
Familien, die Eintracht in der Ehe da-
vurch gcfördert werden, daß die äußere
Einwirkilng auf dieselben völlig der Herr-
schaft der kathvlischen Kirche überant-
wortct würdc? Man denke dabei an die
so zahlreichen gcmischten Ehcn unseres
Landes!

Wird der Staat die Mittel seiner
Zwangsgcwalt, Polizei und Gendarmcrie,
der kath. Kirche zur Vcrfügung stellen,
wenn ein Geistlicher Eheleute oder einen
Chethcil vor ihm zu crscheinen nöthigen will,
wcil cr dafür hält, cs sci im kirchlichcn
Jntcrcssc eine Eiiiwirknng aufbas eheliche
Verhältniß veranlaßt?

Kann der Staat eine Ehe zum Kon-
kubinatc hcrabwürdigen laffcn, welche
völlig in Ueberel'ilstiminung mit dem
Staatsgesetzc eingegangeii wurde?
Kaiin er dagegen solche Verbindnngcn
als Ehen anerkenneu, welchc cin -L-taats-
angehörigcr z. B. im Auslande, wie in
Nom, mit Hl'ntansetzung des vcrbieteiiden
Staatögesetzes und unter Verletzimg der
Interessen dcr Heimathgeliicindcn einge-
gangen hätte?

Dentsche Männer der Wissenschaft,
deutsche Negierungen stelle» dem deutschcn
 
Annotationen