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Heidelberger Tagblatt — 1860 (Januar bis Juni)

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Februar
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Doimerstag, 16. Februar 1860.

Das Häusserfest.

II.

Mit den beiden zulctzt erwähntcu Toasten
^ (Zittel's ünd Mittcrinaicr'S) begann das
l Fest cine etwas besondere Färbiing, ich
möchtc sagen, ciiien praktischeren
Charakter aiiziiiiehnien. Von der Person
! war nur ein kleiner Schritt zu dcn Zcit-
vcrhältiiisseil. Dic Durlacher Konferenz,
überhanpt die jiingsten Dorgänge m La-
den, i'iisbesondcre auf dem Gcbicte dcr
Kirche, das energische Auftretcn Häns-
sers in deiisclbcii/dic Erilincrung an d'es-
sen frnhere parlamentarische Wirksawkckt
in Karlsruhe und Erfurt fnhrten zu man-
ni'gfachcn K.undgcbungen ciiics entschiede-
nen Strebens nach Fortschritt auf der
Bahn gcsetzmäßiger Freiheit ünd ciiies
entschlossenen Widerstaiidcs gcgcii jcdcn
Vcrsuch der Ncaktion, niöge cr sich auf
dcm ki'rchll'chcn vdcr staatlichcn Gebirtc
äu'siern; Hüusser erschien nünmehr als
der unerschrockciic Kämpfer für Recht, Licht,
Wahrheit üiid' Freiheit. Änknüpfend an
die vorher von Hrn. vr. Zittel selbst
crwähnten „sicben Schwabcn" und "an
Häusser 6 muthiges Vorangehen, trug
hicrauf Hr. vr. Otto ein hiimoristisches,
auf dcn Kircheiistreit bezugnchmeiidrs Ge-
dicht, „die sicbcn Pfälzer" v'or, wclchcS
allgemkiiic Hsiterkeit errcgte. Hr. Kirchen-
rath Schenkel gedachte sodann mit be-
redtcn Worten derer, „die hiüter ihnen
standcn", die sie moralisch unterstütztcn
durch i'hre Gegenwärt und ihrc Spnipathien
in dcin Kampfc gegcn dcn Vcrsnch, Mittel-
altcrliche Zustände der Gegenwalt' wicdcr
ailfzwiiigen zu wollcn. Er bekannte frri,
daß „die Sicbeii" ohne die öffeiitlichc Mei-
nung znr Scitc zn haben, nichts vcnnocht
hätteii, und mahntc zur siiiödnncr in dem
bcgonnenen Kanipfe für Recht,. Wahrhcit
und Freiheit. Da nnn äcgciiwärtl'q die
große Zcitsragc dcr badischen Kaininer zur
Berathung vorl.cgt, so war cs höchst i„-
tcrcssant nnd dankeüswcrih, daß cincr der
Abgcordnetc» hicsiger Stad,. Hr. Bnraer-
weister K rautz n, a n n eine nniiinwundene
Darlegung gab, wic er alaübe, daü ück,
d.'e badische Kannner zu- diescr g?üßen
Zcitfragc stellcn wcrde. Di'cselbe, sproch
rr, rkpräsrntire die össcntkiche 'Mcinüng
des Landcs und sei dcr trcnc Ausdruck
der Gcsinniingen dcr Badener. Die Mit-
glieder dcr Kammer uiiißtrn abcr zunächst

ihre Stütze l'n dcn Urwählern findcn;
dort lägcn die Wurzeln ihrer Kraft und
ihres Wirkens-. Er schloß mit eincm kräf-
tigrii Hoch auf die Urwähler. Daß dicsr,
wenn aüch nur individiiclle Mitthcilung
libcr die Stinimung dcs jetzt versawmel-
ten Landtags große Befri'edigung erregtc,
bcdarf kaum besondcrer Erwähliung. - Na-
türlich wurdc soglckch davou Akt genom-
men, ukid Etmci'ndcrath Ritzhaupt cr-
hvb sich um, unter der gcgebencn Voraus-
sctzuug, ^cr gcgcnwärtig tagendcn zweiten
Kammcr der Abgcvrdneten ein Hoch aus-
ziibriiigeii.

Nun war es an der Zeit, der zu dem
Fcste herbeigtkvuimciitn Gäste zu gedcn-
kcn. Einigc derselbcn mögcn wohl dem
Gefeierten persönlich bcfrtiindrt gcwrscn
sein iind nebcn ihrcn patrivtischcn, auch
noch persönliche Dtwcggründc für ihrc
Thcilnahme gehabt haben; äbcr im All-
gcmeineii läßt sich durchaiis nicht vcr-
kcniitn, daß die regc Thciinahmc der Gäste
der gutcn Sachc deö FortschrittS iind der
Einigiing galt, wclche sie in Häussrr vcr-
trcten sehcn, und das ist es sichcr, was dcm
schöncn Fcste eine nvch höhcrc Wcihe gab
und ihm schließlich noch einen nationa-
lcn Charaktcr verlieh. Hr. vr. Pagcn-
stecher sen. licß die fremden Gastc hoch
lebcn, indcm cr hcrvorhob, daß er, wcnn
gleich dic Einen von Mcinnhcim, „dem
bädischen Dcncdig", Andcre von Wcin-
heim, Andere von Karlsruhe, ein Anderer
vvn Tcideshcim u. s. w. gckommcn wärcn,
in ihncn Allen nur Dcutsche erblicke, die
durch ihrc Gegcnwart gerade bei diesem
Feste ein Irbcndigcs Zcugniß von dem
Strcbcn nach allgemeincr Einl'güng drr
Dcutschcn ablegten. Herr Obcrbürger-
mcister Reiß von Mannheim dankte in
hcrzlichrn Wortcn, indcm cr zugleich hcr-
ä'vrhob, wäs Prof. Häüsscr schon für das
tngere nnd weitere Vaterland gethan, und
äüf die Hoffiiungcü hi'nwies, die man noch
für dic Znkiinft auf dtnselbcn bauc. Da-
bei' grdächtc cr der ünglückli'chen Schlcs-
wi'g-Holsttiner, deren sich drr Gcfei'ertc,
als 'Vorstand des Heidelbcrgcr Schlcswig-
Holstein - Dcreins stets so warm ange-
nonimcn hat. Der Nediier schlug vor,
eiiie Sanimlung für dieselbtn zu veranstal-
tcn, welche sogleich nack von >hni aus
Häüsser und die Schleswig-Holsicmer aus-

gcbrachtrn Hoch vkranstaltet windc und
ei'ncn Ertrag voü 2l0 fl- li'efcrtc. Zwei

andere Gäste, Prof. Bender von Wein-
htkm und Herr Jordan von Dcidcsheim
danktcn gleichfalls, der erstc unter Hin-
weisiing aufH äusser's Popularität selbst
iinter dcn niederen Volksklassen, der letz-
tcre nochmals anknüpfkiid an Schleswlg-
Holstein. Da dicse Saite zweiinal von
auswärtigen Gästcn angcschlagen wurde,
so war es gewiß nnr Passend, daß auch
von el'nem Heidelbergcr die wärmste Spm-
päthie für die unglücklichen Brüder am
Eiderstraüde kund gcgeben wurdc. Dies
gcschah von Vr. Ötto in einem von
! ihm gedichteten „Schleswig.'Holsteinlked",
das allgcmeincii Anklang fand. Es waren
! auch noch einige kürzere 'aber kräftige
! Tvaste ausgkbrächt woldcn/und zwar von
!Hrn. Ncchnimgsrath Killp auf Häusser,

^ als Vorstand'des Muscums und der Wcin-
! kommission, cin andcrcr von Prof?P os-
!selt auf di'e „sicbrn Schwabcn vonDur-
! lach", aufdercn Kommandoriif nian bereit
i sci, zu folgcn, wrnn sie dic Trommcl wer-
! den crschallcn lassen, wo immer die Glau-
bcnsfrciheit in Gefahr sei; von Bäcker-
mcistcr Nitzhaupt auf Gch. Nath Mit-
termaier, dcn um die Städt, wie ums
Vaterland hochvcrdicnte» Kämpen fürRrcht
nnd Frciheit; von Baiiquier Zimmern
äuf den anwescnden grcisen Altbürgcr-
meistcr Speperer, der schon vor mrhr
als dreißig Jahren bcsondcüs als Laiid-
tägsabgcordneter, als Mann dcs Fort-
schritts sich bcwährt habc. Anrb Profeffor
Häusser hatte sich noch cmnial erhobcn
uiid der badischcn Kammcrii «dacht, aus
welchcn zwei Veteranen (Miltcrmaier und
Spepcrer) nahe bci ihm säßcn, unter
wclchen cr, wie er sagtc, als Rekrnt seine
erstcn Dicnstc getha». sowic cin dritter
(Kraiismaiin), 'dcr bcrciis in zwcijährigcm
Licnste sichc. Wcim dic bädischen Kammcrn
bis jctzt ciwnS zaghäft in dcr Aüsübung
ihrcs hohcn Bcrufes gcwescn scien, so
dürfc man ihiicn daraus keincn Vorwurf
macbcii, das habc in dcr'Ctiuimiing der
Zei'l sclbst grlegcu. Dicse sti abcr jctzt
f,„e andere aeworden, und cr zwciflc kvi-
iiei, Augenblick, daß dic Kammcr sich nun-
inchr als der getrcuc Ausdruck dcr sich
übcrall so dcutlich kundgcbrndcn VölkS-
stinittiling crwcisen wcrdc; denn im Kainpfe
werde erst dcr Muth rcchtgcstählt. Untcr
dcn Gründcn, die man in Jcna gcltcnd
gcmächt habe, uui ihn zur Annahme dcs
Rufes zu bcwegen, sei anck dcr gcwesen,
 
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