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Heidelberger Tagblatt — 1860 (Januar bis Juni)

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März
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https://doi.org/10.11588/diglit.2785#0209

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Hndelberger TagblM.

: SU>r. cB Erscheint, MoniaaS auSgcncmmrn, lög--

i Uch- PrciSniiillnicrhaltung-blatlvtkrici'

Freitag, 2. März

Nt,c>lc odcr dc?cn Raum wcrdcn nnt '?Ir. 1 .

bciribncl.

Zur gegcnwärtigen Lage.

Di'e Lage der Di'nge l'n Europa sieht
augenblicklich s» verworren ans, daß inan
bercl'ts von allcn Sci'tcn nrnc Vcrmu-
thungen laut werden läßt, wie di'cse ge-
regelt wcrdcn solle. — Trotz alledcm aber
verblcl'ben wir bel der Ansicht, daß all'
die Verwr'rrung nnr schel'nbar ,'st und nur
dazu dl'enen soll, längst sestgestcllte Pläne
auf kurzc Zeit zu verdccken, bi's init dcr
Annahnic des Handelsvertragcs im eng-
lischen Parlainent die Allianz der West-
mächte gesichcrt skin wird.

Dieselbe "lautct, dcutlich ausgesprochcn,
wie.folgt: Zwischen England, Frankreich
und Sardinien besteht seit langer Zeit
schon das Einvcrsiändniß übcr dic Ver-
größerung Sardinicns dnrch Mittelitalicn
ANd Pie ctwaigcn rcvvlutionirenden Pro-
vinzen dcs Kirchenstaates. — Dafnr soll
Frankrcich durch Savopen vcrstärkt wer-
den gegcn die siillschweigeirde Verbindlich-
kcit, anch das venetianische Gebiet ge-
lcgcntlich zu bcsreien. — Wo hingegcn
England dnrch den Handelsvertrag in
volkswirthschaftlich^r, und durch engere
Allianz in politischcr Beziehnng Vortheilc
erlangt. —

Bis zu dl'escin Punkt ist diese Vermu-
thiing durch ncuere Thatsachen fast zur
allgeinein , angenoniincnkn Gcwißheit ge-
worden. Die rnglischen Minister haben
nur in schr oberflächlichcr Weise gcgeu-
über den Znterpellatioiien iin Parlament
ihre Unschuld hicrin behauptet. — Cavour
hat in seincn offiziellen Dcpeschen es' gar
nicht geläugnet, daß Savopen bcreits an
Fraükrcich vcrsprochen ist, obwohl er die
Uebergabe' dicscs Gebietes noch abhängl'g
inachcn inöchte von der Besreiung des
vciietianischcn Gcbiets.

Glcichwohl trat plvtzlich im Anfangc
des Monats Febrnar cine gcwisse Stockung
in dicsen allgcniel'n gangbar gcwordencn
Alisichccn cin, cine Stocknng, die noch heu-
tigen Tages anhält nnd zn gar vielrn
und zu ganz andern Verinukhnngen. schein-
barcn Anlaß gibt. — Es/ begann dicse
Stockung daniit, daß dic englischen Zei-
tungcn thcilweisc ungünstig über dic E'in-
verlcibung Savopcns in Frankreich, nr-
theilten, daß fcrner auch in Savopcn die
Deinonstratioiicn gegcn dic Losrelßiing von
Sardinirn hervortratcn, —^daß sardinische
Zeitlingen ebcnfalls das Projekt bekäinpf-

ten, und schlicßlich sogar die Pariser Zci-
tungen dic Weisung crhirlten, sich in dieser
Frage mit Vorsicht nnd Mäßigung aus-
zusprechen, oder richtiger darüber einige
Zcit zu schweigcn. —

Gleichzeitig niit dicser Stockung traten
andere Erscheinuiigcn auf, welche die öf-
fentliche Meinung nach ganz andcrn Nich-
tnngen hin leitctcn. — Jn der That cr-
folgten auch Dcpeschen an den - Papst,
wclche unter gewlsscn reforinatorischen Zu-
geständnisscn dcs heil. Stuhls ihin den
Besitz sciner Provinzen zu sichern vcr-
sprachen. — Und aus all' dem wurde
schucll dcr Schluß gezogen, daß die un-
zweifelhaftcn geheiinen Ucbereinküiifte zwi-
schen Frankreich, England nnd Sardinien,
an denen man nicht zwcifeln kann, ge-
sprcngt ^ scicn, daß Cävour die Einver-
Icibnng Savopcns verweigere, wcil das
vcnetiaiil'sche Gebiet nicht bcfreit sci, und
Frankreich nm deshalb grgen die Vcr-
größerüng Sardiniens gestimmt sei'! —

Ist aber, fragen wir, solch' eine An-
nahme wahrscheinli'ch? — Läßt es sich
denkrn, daß scit langer'Zeit getroffene
Uebereinkünftc zwischen der Diploniatie
dreicr Höfe, denen es an Klugheit wahr-
haftig ni'cht mangelt, mit Ei'nem Male so
auscinander fallcn, ohne daß ein unvor-
hergesehencs unbercchcnbarcs Ereigniß ein-
getrcten ist, das störend in dieselben ein-
greift? — — Wir glauben, daß schon
diesrr 'Einc Umstand alle(n hinrcicht, all'
die neuen Koinbiiiationen für höchst un-
wahrscheinlich zu halten, und nach andern
Gründen zu suchcn, welche die Stocknngen
nnd dic Zwischenspicle natürlicher nnd
einfacher erklären.

Und diese Gründe cben liegen nnsercs
Erachtens nahe gcnug, und sind nach un-
sercr Anschauung folgende.

Wenn cs ausgcmacht ist, daß das eng-
lischc Miilistcriuin eiugeweiht und einver-
standcn war mit dcm savopardischen Han-
del, wepn es ferner richtig ist, daß Eng-
land hierfür mic dem Handelsvcrtrage uiid
mit dcr bcfestigten Allianz sich belohuen
ließ, so licgt eS auf der Hand, taß Frauk-
reich nnd Sardiiiien ernstlich bcmülir seiu
niüsscn, das cnglische Miiiisteriuiu erhalteii
zu.wissen lind der Parcei dcr Torics tie
Mittel zu eutziehcn, daü jetzigc Ministe^
niim zn stürzen.

Nun aber stchcn schon seit laiigerer
Zeit die Parteicn in Cuglaiid so, daß!

wcder Tories noch Whigs eine wirk-
liche Majorität in sich selber haben, son-
dern diese nur mit Hilfe einer drittcn
Partci, der Handels- und Friedenspartei
für sich gkwiniien nnd erhalten könncn. —
Der Handelsvertrag- ist also für die jetzige
englische Negierung cine Eristcnzfrage und
zugleich muß diese Negierung den Schein
des Friedens und der Vermittlung zu
wahren trachten. — Wollen nun Frank-
reich und Sardinien das englische Mini-
steriuin erhalten, so müssen sie den ganzen
Handel mit Savopen so lange ruhen las-
sen, bis die Torp-Oppositiön geschlagcn,
der Handelsvertrag angenommen und mit
dessen Abschluß die Majorität dem einmal
niit der Handels- und Friedenspartei ver-
bundrncn Ministeriuin gesichert ist.

Dadurch erklärt sich's, daß die schein-
bare Stocknng in dcr italienischen Frage
genau zusainmcntrifft mit drm Zusammen-
treten dcs englischen Parlamcnts; daraus
erklärt sich's, daß dic englischen Minister
Friedcnsvorschläge an die Kabinctte scn-
den; daraus das Eingehen Frankreichs
hierauf und seine Lopalität für Villa-
franka-Verpflichtungeii; daraus der schekn-
bare Zwiespalt zwischrn Cavour und Louis
Napoleon, und cbeü daraus das Achsel-
zucken Oesterreichs, das sich nicht über die
Lage der Dinge täuscht und die Starrheit
des heiligen Vaters, dem das Zwischen-
spiel keine besseren Aussichten darbietct.

Auf diese Anschauung-eii gestützt, wic-
dcrholen wir die Verniuthiliig, daß in
wenig Wochen all' das Zwischeiispiel been-
det seiii wird.

D e u t s ch l a n d.

Karlsruhe, 29. Febr. (30. öffentl.
Sitziliig der zweite» Kamincr der -wtände.
Schluß.) Sieb bcrichtet über die Bitte
deö AndrcaS Buzeiigeiger iu Kreuzlingen
wegen Ei'iileitliiig einer Untersuchung. An-
trag: TagcSordnuiig — angcnommeii. V.
Gleichciisteiii übcr Bittschrifkeii von Wald-
kirch, Furtwaiigen, Vvhrenbach imd Gcn-
geiibach wegen Errichtung einer Telcgra-
pf'eiileitnng.. Die Kominissioil beantragt
empfehlende Ueberweifimg dcr Eingaben
an großh. Staatsnil'iiisterinin. I» eiiicr
längercn Besprechimg, an welcher sich
Kapierer, Fiiigado, Bär v. K., Schaaff,
Spohir, Frick uiid Dahmeii mit Wärme zn
Gunsten der Biltstcller bctheiligten, wurde
 
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