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Heidelberger Tagblatt — 1860 (Januar bis Juni)

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Mai
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https://doi.org/10.11588/diglit.2785#0494

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die großh. Regieruilg eiiipfindc fic tief,
rmd hohc Zeit sei cs, daß vie Wmidc end-
lich daUcrnd geschlosseu werde. Sehe maii
ab vom Gcfichtspuilkt des Rechtö, so könnc
man den beutschen Regierungcn dic An-
erkcnnung nicht vcrsagcn, daß fie in neuercr
Zcit cifrig bemüht gewesen, cincn gevrd-
ncten Rcchtszustand'itt Kurhessen herbeizu-
führcn. Die ncuesten Anträge des Bun-
desausschusses hätten fich für die Ver-
pflichtung dcr Rcgierung erklärt, dic nicht
bundeswidrigen Bestimmungcn der 1831er
Verfassulig aufzunehmen, Damit würdc
Kurhessen erhalten, was die Commisfion
Tnit ihrem Antrag bezweckc nnd was an-
dere dcutschc Brnverstäinme auch' besäßen.
Es wäre sonach aller Anlaß vorhandcn,
anf eine Verständigung zwischcn Regie-
rnttg und Landesvcrtrctung in Kurhcssen
zu 'hoffcn. Sollte diese Hoffnung fehl-
schlagcn, so tauchc von Ncuem die inhalt-
schwere Fragc auf, was von Sei'tcn dcs
Bundcs zur Herstcllung der verfassungs-
mäßigen Ordnung in Kurhcssen zu gc-
schehen habc. 1852 habe fich Baden beim
Bnndcstag dahin ausgesprochen, die Auf-
hcbung dcr knrhesfischcn Verfassung von
1831 sei nicht zuläsfig, nur die bundcs-
Widrigen Bestimmungcn ssien darans zu
entfernen. Dies Votum habe soinit iin
Wesentlichcn mit dcm CommisfionSantrag
überel'ngestimmt, es habe abcr Vic Mehrhcic
in dcr Bundcsvcrsammlnng gcgcn sich ge-
habt. Das ncuestc Votum Badcns har-
monire insofern mi't dcr Anficht der Com-
misfion, als es'von der Anficht ausge-
gangen, dcr Bundcsbeschlnß von 1852 sei
ein dcfinitivcr und kein Provisorinin. Ucbri-
gens sei von kcinem Bundesstaat der An-
trag gestcllt wordcn, daß der Bundesbe-
schlnß von 1852 aufgehoben werde. Der
preußische Antrag auf Herstellung dcr
1831er Verfassung beruhe nicht auf einer
behauptcten Jncompctens des Bundcs in
der fraglichcn Sache, sondern auf der Auf-
fassung dcs Bcschlnsses von 1852 als
eincs Provisoriuins. Es handle fich nun
darnm, ob die Aufhcbung feues Bundcs-
beschlusses zweckinäßig und ob fie möglich
sei. Dic crste Frage müsse verneint, hin-
sichtlich der zweiten zwischcn rechtlicher
und factischer Möglichkeit ullterschi'cden
werden. Factisch sei die Aufhcbung nicht
wohl möglich, da aus ,fcnem Bcschluß
Nechtsverhältnisse entstailden scien und scine
Annullirung neue Verwirrung zur Folge
habcn würde. Was abcr den rechtlichen
Gefichtspunkt angche, so müssc die Ne-
giernng allerdings di'e Aufhcbung des Bun-
desbeschlusses von 1852 als möglich er-
achten; einem Bundesbcschluß sei nicht die
unerschütterliche Gl'ltigkeit eines rechts-
kräftigen Nichterspruchs znzuschrciben. Die
Negierung würde es sogar für Pflicht des
Bündes erachlen, einen begangenen Jrr-
thum zu verbessern, nm so mehr, als durch
denselben die Nechtsordnung cineö deut-

sche» StaatS in Frage gestellt sei unv der
Fall ein wichtiges Präjndiz für allc deut-
schcn Staaten enthalte. Auch könnc die
Autorität des Bundes m'cht darunter lci-
dcn, wcnn er cinen Jrcthum eingestche
und verbesscrc; viclmcbr würde dies das
Vertrauen in seincin Ncchtsfinn crhöhen.
Komme je die Frage wicder in Anrcgung,
so werde dic großh. Negicrung in Er-
wägung ziehcn, ob dcr Bund mit dem
Beschluß vvn 1852 seinc Competenz übcr-
schritten habe, ob das damaligc bavischc
Votum das rkchtige gewesen, rinv welche
Conseqnenzen fich barans crgcbcn. Doch
müßtc cr es bedauern, wcnn dic Ncgierung
in diese Lage käme, wenn dic Verständi-
gung zwl'schcn Ncgierung und Ständcn
Knrhcssens nicht bewirkt werde. Wer cs
wohl meine mit dein Jntercsse Dentsch-
lands, müsse Allcs dazu beitragcn, diesc
Verständigung zu fördern, alles, was sie
hindern könnc, untcrlasscn. Dic Negic-
rung werde Allcs aufbieten, fie hcrbeizu--
,führen, nnd dic Frage, ob dcr Bnndcs-
beschlnß von 1852 anfzuheben sei, in den
Hintcrgrund treten zn lasscn.

Der Berichterstattcr rckapi'tnll'rtc in völ-
lig objcctiver, leivcnschaftloser, vi'clleicht
aber just dadurch um so mehr cinschnci-
dcndcr Weise die Leidensgeschi'chte vcs kur-
hesfischen Volkes. Hieranf ergriff Prof.
Häuffer das Wort, um in längerer Neve,
welche wir ansführli'ch nachtragen werden,
den Commissions-Antrag zu untcrstützen.
Nachdem noch Achenbach und Kirsner gc-
sprochen, dcr erstere u. a. auf das Vcr-
dienst. Prenßens um die Sache des Ncchts
in dicser Frage hingewicsen, dcr Iclztere
scinc bewundernve Spmpathie für di'e Hal-
tung des kiiichcsfischcn Volkcs auögespro-
chcn, wurdc zur Abstimmung gcschritten,
welcher fich v. Gleichenstein, mit dem ein-
geschlagcnen Weg nicht einverstandcn, doch
nnter ausdrücklicherBekundung seinesMit-
gefühl's für Kurhcsscn, entzog. Der Com-
»lissions-Antrag wurde von der (im übri-
geii, so viel wir wahrnehmcn konnten,
vollzähligen) Kammer einstimmig an-
gcnommcn, worauf der Präfidcnt die cinst-
wcilige Bcurlaubung ,dcr Kammcr (mit
Ausnahme der Commisfion für die ncuen
Gescpe, welche beisammen blcibt) aus-
sprach. Der Zeitpunkt des Wicderzusam-
mentritts hängt von ber Beendigung des
Commisfionsbcrichts über die Kirchenvor-
lagen ab. .

* Heidelberg, 25. Mai. Nach dem
ncucsten Adreßbuch unserer Universität be-
trägt die Gesammtanzahl der Studircndcn
iii dicsem Semester 660 (466 Ausländer,
194 Inländer). — Die Anzahl der auf
der Univerfität Frciburg Studirenden be-
läuft sich auf 320 (253 Inländer, 67Aus-
länder).

Mlnmhein», 23. Mai. Gestern Nach-
mittag fnhrcn die höchsten Herrschaftcn auf
die Mühlau nnd besuchten Abends das

Theater.'wo bcr Empfang cin änßerst
glänzcnder und hcrzlicher war. Man gab
Meperbeers Dinorah in gclnngenstcr Weise
und das Fürstenpaar wohnte der" Auf-
fuhrung bis zn Ende an. Nach dem
Theater brachte die hiefige sehr zahlreiche
Fcuerwchr Jhren Kön. Hoh. cincn gro-
ßcn Fackclzng, in dessen Mitte fich 'die
vereinigten Mäniij'rchöre unserer Stadt
bewcgten, unter Vorantritt ver Regimcnts-
mnfik. Am Schlosse angekommen, brach-
ten diese Chöre, abwcchselnd mit der Mi°
litärmufik, einc Screnade, die so gnt aus-
fiel, daß Se. K. H. den Hauptdirigenten,
Hrn. Hofkapcllmeister.Lachncr, sowie vie
Dirigcnten ver vereinigtcn Gesellschaftcn
zu fich hinaufbescheiden licß. Hente Mor-
gcn halb 11 Uhr befichtigtc Se. K. H.
den hkcfigcn Hafcn, und morgen wird eine
Dainpfschifffahrtspartie nach dem Waldhof
dei'-rühmlich bckannten, fthr großenSpiegel-
fabrik, stattfindcn. Im Gefolge des Groß-
hcrzogs war kein Minister zn erblicken
eben so wenig fand eine Anfwartung der
Staatsbehörden statt, denn der Besuch
gilc einzig der Stadt Maiinhcim. Letz-
tere weiß dies anch gehörig zu schähcn,
liiid hat auch iu jcder Bcziehuiig Ursache,
mit dpr neuen Wcndnng dcr Dinge an
nieistcn zufricdcn zu scin. Dic Errichtung
eines Handelsministerinms ist für Mann-
heim von de'm größten Interesse.

Pforzheim, 22. Mai. Gestern Abend
halb 10 Uhr stürzlc dcr -ledi'gc, 33 Iahre
alte Brunnenschacht - Accordaitt Michael
Webcr von Lliremburg in dcn am Ispringcr
Tunneleinschnitt 110 Fnß ticfen Schacht
aus Unvorfichtigkeit hinnnter nnd war
augenblicklich todt.

Vilbel, 19. Mai. Am verflosseneii
L-onntag war unscr sonst so rnhiger Ort
dcr,SchanplaP tttinultuarischer Scenen.
Am Mittag kam cinc Anzahl junger^Bnrsche
aus Seckbach, nin eiiien Geno»en, der
nach Amerika answanderte, zur Eiienbahii
zu begleiten. Die juilgen Lcutc zogen nn-
ccr dcm Spiele eincr Harmonika uiid
fingcnd durch dic Straßcn. Die Gcndar-
men'c machtc. ihnen bemerklich, daß dcs
Sonntags halbcr Nuhe gehaltcn werdcn
niüßte. Einc Weile fügten sie fich anch,
bcgaiinen aber varauf wieder mit ihrem
Lärm, woranf die Gendarmcrie sämmtli'che,
sainmt einem Vilbeler,. der sich ihnen zu-
gesellt hatte, arretirle. Auf die Nachricht
viescs Vorfalls stieg die Aufreguiig der
Art, daß ein Haufcn, aus 5—600 Seck-
bächern und Vilbelern bestehend, vor das
Nathhaus zog und Loslassung der Ge-
fangcnen verlangtc. Der Krcisrath wak
verreist, weßhalb' der Kreisassessor Dr.
Dietzsch erschien und dic Menge zu be-
rilhigen und zum Allseinandcrgcheir zu be-
wegen suchte. Er fand jedoch kein Ge-
hör, der Tumult nahnr zu, ci'nige — na-
türlich bliirde — Schüsse fielen, und mau
begann, mlt Steinen das Nathhaus zu
 
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