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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 1-26)

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Nr. 1 - Nr. 10 (2. Januar - 12. Januar)
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?s. Jahrgang / Ar. 7

Mittwoch, s. Januar 1935

Mlzer Note


Eine neue MWr Müeilung

sechs verschie-


schließlich ihre
Fragen festge-

Schriftleitung und Geschäftsstelle: Heidelberg, Vergh. Str. 59/61, Tel. 7151. Geschäfts«
stunden: 7.30 Lis 18 Uhr, Sprechstunden der Redaktion: 11.30 Lis 12.30 Uhr. Anzeigen-
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noch zu begünstigen, die zum Zwecke hat, mit Ge-
walt die territoriale Unversehrtheit und das
politische oder soziale Regime eines der Teilneh-
merstaaten anzutasten."
Der Vertrag, um den es sich handelt, sollte zu-
nächst zwischen Italien, Deutschland, Ungarn,
der Tschechoslowakei, Südslawien und Oesterreich
abgeschlossen werden, d. h. zwischen allen Nach-
barstaaten Oesterreichs und Oesterreich selbst, und
aem Beitritt Frankreichs, Polens und Rumä-
niens offen sein, so daß er schließlich sich auf
die Nachbarstaaten und Nachfolgestaaten, sowie
auf Oesterreich und Frankreich ausdehnen würde.
Ferner kommen die italienische und französische
Regierung in Erwägung der Notwendigkeit, die
Unabhäudigheit und Unversehrtheit Oesterreichs
ausrechtzuerhalten, schon jetzt überein, daß im
Falle, wo diese Unabhängigkeit und Unversehrt-
heit bedroht wäre, die beiden Regierungen sich
untereinander und mit Oesterreich über die zu
treffenden Maßnahmen konsultieren. Diese Kon-
sultation würde später von Italien und Frank-
reich auf die übrigen Staaten ausgedehnt, um
ihre Mitwirkung sicherzustellen.
Ueber die Schlußerklärung wird in der
Mitteilung ausgeführt: „Der italienische Regie-
rungschef und der französische Außenminister
haben eins Erklärung allgemeinen Charakters
unterzeichnet, mit der aktenmäßig festgestM
wird, daß die zwischen den beiden Ländern schwe-
benden Hauptfragen liquidiert sind und der Vor-
satz der beiden Regierungen ausgesprochen Wirch,
die traditionelle Freundschaft, die die beide« Na-
tionen verbindet, zu entwickeln und in dem Geiste
gegenseitigen Vertrauens an dem Werk des Wie-
deraufbaues zusammenznarüeiten. Außerdem
wird darin festgestellt, daß die beiden Regiermr-
gen untereinander alle Konsultationen vorneh-
men werden, die die Umstände erfordern sollten."

gewiesen, daß Ereignisse der neueren Zeit, wie
der Eintritt Sowjetrußlands in den Völkerbund,
die österreichische Regelung und die französisch-
italienischen Vereinbarungen viel dazu beitragen
können, Frankreich die Sicherheit zu geben, die
es wünscht, bevor es in der Abrüstungssrage
Zugeständnisse macht- Wenn die Saarab«
stimmung befriedigend verlaufe, dann wird
sehr wahrscheinlich jede Anstrengung gemacht
werden, um die französische Regierung zu einer
Aenderung ihrer Haltung gegenüber Deutschland
zu überreden. Der Besuch Flandins und Lavals
in London wird zu nachdrücklichen Vorstellungen
benutzt werden.
SowjelnlffischeS Mißtrauen
DNB Moskau, 8. Jan. Aus einem Leitartikel
der „Jswestija" geht deutlich hervor, daß
die Sowjet-Union mit den französisch-italieni»
schen Vereinbarungen nicht sehr einverstanden
ist. Man hatte hier ein eindeutiges Abkommen
über tatsächliche Maßnahmen zum Schutze
Oesterreichs und damit eine wachsende Iso-
lierung Deutschlands erwartet und
muß nun feststellen, daß sich das Abkommen mit
der Festlegung längst bekannter Tatbestände be-
gnügt. Das Blatt schreibt: „Waren denn Ita-
lien und Frankreich nicht schon bisher für die
Erhaltung der österreichischen Unabhängigkeit
und haben sie nicht angesichts des Putsches der
österreichischen Faschisten miteinander ohnehin
Verhandlungen gepflogen? Der Kern der Frage
ist: Haben sich Frankreich und Italien geeinigt,
im Falle einer Gefahr gemeinsam zu handeln?"
Die „Jswestija" nimmt an, daß dies nicht der
Fall ist und daß das tatsächliche Abkommen über
Oesterreich nicht mehr enthält als das Kommu-
nique mitteilt. So kommt das Blatt zu dem
Schluß, es habe den Anschein, als stellten die

sen und schließlich auch zu einer Lösung der bis-
her unlösbaren französisch-italienischen Flotten-
frage führen könnten. Man hoffe allgemein, daß
die Protokolle nur die Einleitung zu einer um-
fassenden Regelung bilden werden, die auch die
Frage der deutschen Aufrüstung umfas-
sen werde- Das Werk der wirtschaftlichen Wie-
derherstellung, das für Deutschland und für den
Frieden unentbehrlich sei, bleibe solange hoff-
nungslos, wie eine gemeinsame Grundlage für
eine internationale Zusammenarbeit fehle.
„Daily Herald" beurteilt in einem Leit-
aufsatz die Ergebnisse von Rom ziemlich skeptisch.
Das Blatt findet keinen Grund zur Begeiste-
rung.
„News Chronicle" spricht die Hoffnung
aus, daß die Vereinbarung über Oesterreich dem
ewigen Gezänk besonders an der Donau ein
Ende machen werde.
Der diplomatische Mitarbeiter der „Mor-
ning Post" schreibt, Großbritannien beteilige
sich zwar nicht an dem neuen Pakt, aber die bri-
tische Regierung habe entschieden zur Aufnahme
der Verhandlungen geraten. Ihr erfolgreicher
Abschluß werde durchaus gebilligt.
England
und die MWungslonserenz
DRV London, 8. Ian.
Auf der K a b i n e t t s s i tz u n g am Mitt-
woch, die die erste in diesem Jahre ist, soll —
wie der politische Mitarbeiter der „Morning
Post" schreibt — über die Wiederbelebung der
Abrüstungskonferenz im Februar gesprochen
werden. In Regeirungskreisen werden die Aus-
sichten für eine baldige Wiederbelebung der Ab-
rüstungskonferenz als gut bezeichnet- Man wird
d Initiative ergreifen. Es wird darauf hin-

DNB. Rom, 8. Jan.
lieber die am Montag von Laval und Musso-
lini unterzeichneten italienisch-franzö-
sischen Vereinbarungen ist Dienstag
abend 9.00 Uhr eine ausführliche amtliche Mit-
teilung ausgegeben worden.
In der Einleitung wird gesagt: -„Der
italienische Regierungschef und der französische
Außenminister haben einen Vertrag zwischen
Italien und Frankreich zur Regelung ihrer In-
teressen in Afrika, ferner einige Protokolle über
die Probleme, die die beiden Regierungen inter-
essieren, unterzeichnet und haben
Ucbereinstimmung in bestimmten
stellt."
Die Inhaltsangaben betreffen
dene Punkte, nämlich Oesterreich und das Donau-
Problem, Abmachungen über Libien und Eritrea,
Tuniskonventionen, wirtschaftliche Interessen nr
den Kolonien, Rüstungsproblem und Schlußer-
klärung.
In der amtlichen Mitteilung heißt es zur
R üft u n g s f r a g e wie folgt: „Tie italienische
Regierung und die französische Regierung neh-
men Bezug auf die Gleichberechtigungserklärung
vom 11. Dezember 1932 und stimmen in der An-
erkenntnis überein, daß kein Land durch einsei-
rige Aktionen die Rüstungen betreffende Ver-
pflichtungen abändern kann und daß für den
Fall, daß eine solche Eventualität eintreten
sollte, sie sich konsultieren werden."
Zum Oesterreich- und Donauprob-
l e m wird ausgeführt: „Tie beiden Regierungen
erklären ihre blebereinstimmung, den meisten in-
teressierten Staaten den Abschluß eines Nichtein-
mischungsoertrages in die gegenseitigen inneren
Angelegenheiten und die gegenseitige Verpflich-
tung zu empfehlen, keine Aktion hervorzurufen

Donau-Statut, das in seiner ganzen Fassung
geeignet ist, allen an den Verhältnissen in Mit-
teleuropa interessierten Staaten den Beitritt zu
ermöglichen- Es ist unser tiefer und aufrich-
tiger Wunsch, daß auch die deutsche Regierung
diese Möglichkeit erkenne und wahrnehme. Es
ist nicht, wie ein Berliner Blatt sagt, die
„Fahrt ins Ungewisse", die mit den römischen
Abmachungen angetreten werden soll, sondern
das Ziel ist im Gegenteil: die Sicherheit aller,
die Sicherheit in aller Interesse."
Das „Neue Wiener Tagblatt" stellt
fest, daß sich die Einigung insbesondere in Len
Kolonialfragen weit schwieriger gestaltet habe,
als man ursprünglich angenommen habe- Ita-
lien habe nicht unwesentliche Abstriche an seinen
ursprünglichen Forderungen gemacht. Weiter-
hin stellt das genannte Blatt fest, daß in Rom
auch der Fragenkomplex der Stellung zu einer
Wiederaufrüstung Deutschlands geklärt worden
sei. Eine stillschweigende Anerkennung einer
deutschen Rüstung aus der einen Seite und eine
Unterzeichnung des Nichteinmischungspaktes
durch Deutschland auf der anderen Seite sollten
miteinander verknüpft werden.
Die „Wiener Neuesten Nachrichten"
sagen: „Die Abkommen bedeuten eine Absage an
d's Revisionspolitik einzelner Staaten, können
aber nicht ausschließen, daß die Revision der
Friedensverträge sich immer auf irgend eine
Weise aufdrängen wird und wenn zunächst nicht
mit gewaltsamen Methoden, so doch auf Len:
Wege der Diskussion und von Vereinbarungen
fortschreiten muß, um bestehendes Unrecht gut-
zumachen."
Englische preffestimmen
DNB London, 8. Jan.
Die in Rom abgeschlossene italienisch-franzö-
sische Vereinbarung steht in der Presse im Mit-
telpunkt des Interesses.
Der römische Berichterstatter des „Daily
Telegraph " berichtet u. a., in Rom habe
am Montag abend der Eindruck geherrscht, daß
Laval hinsichtlich der afrikanischen Frage
günstige Bedingungen für Frankreich erzielt
habe. Die Gegenleistungen blieben hinter dem
zurück, was die italienische Regierung ursprüng-
lich erhofft habe, aber Mussolini sei bereit ge-
wesen, im Interesse des Friedens Opfer zu brin-
gen. Die italienischen Kolonialkreise seien
ziemlich enttäuscht. Gleichzeitig herrsche aber
große Befriedigung darüber, daß die lange Zeit
der Reibungen zwischen Jtalein und Frankreich
beendet sei. Das Abkommen über die Unab-
hängigkeit Oesterreichs sei in dem Sinne
abgeändert worden, daß es der Kleinen Entente
ebenso wie Ungarn ermöglicht werde, ohne Schä-
digung ihrer nationalen Interessen ihre Unter-
schrift zu geben. Zu diesem Zweck sei das Wort
„Unabhängigkeit" in „Garantie der
Nichteinmischung" verwandelt worden.
Es scheine, daß dieses Protokoll auch von Oester-
reich selbst im Hinblick auf seine Nachbarstaaten
unterzeichnet werden solle. Damit werde das
österreichische Selbstgefühl geschont- Ungarn
werde nicht aufgefordert, öffentlich seine revisio-
nistische Politik aufzugeben. Ueberdies würden
Südslawien und Italien durch das gegenseitige
Versprechen der Nichteinmaschung in innere An-
gelegenheiten die Klippen der politischen Fra-
gen der Adria und des Balkan vermeiden. Was
die Abrüstungssrage betreffe, so verlaute,
daß Mussolini beabsichtige, sehr bald eine aktive
Rolle dabei zu spielen.
Die „Times" sagt in einem Leitartikel, es
könne ohne Uebertreibung behauptet werden,
daß die Protokolle von Rom die Aussichten für
ganz Europa gebessert hätten, daß sie die Atmo-
sphäre der Mittelmcervolitik günstig beeinflus-

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Kein praktisches Ergebnis
ohne deutsche Mitwirkung
DNV. Rom, 8. Jan.
Der Direktor des halbamtlichen „Giornale
d' Italia" geht in einer ausführlichen Würdi-
gung der Ergebnisse der italienisch-französischen
Verständigung und nach einer eingehenden Dar-
stellung der damit eingeleiteten gemeinsamen
Politik Italiens un- Frankreichs in Südost-
europa besonders auf die Frage ein, wie sich
Deutschland zu dem italienisch-französischen
Plan verhalten werde. Gayda schreibt, das
praktische Problem seiner Verwirklichung bleibe
natürlich offen. Die erste Voraussetzung sei die
Zustimmung aller interessierten Staaten. Der
Beitritt Angarns, der Kleinen Ententestaaten,
Polens und Rumäniens scheine gesichert, wäh-
rend die Stellung Deutschlands noch offen bleibe.
Die italienisch-französische Verständigung versuche
Deutschland zu einer ruhigen europäischen Zu-
sammenarbeit zurückzugewinnen. Die Verständi-
gung sei in Bezug auf Deutschland mit vollkom-
mener Loyalität und Klarheit verhandelt und
bestimmt worden. Nach einem Hinweis auf Mit-
teilungen der Botschafter Italiens und Frank-
reichs in Berlin und auf die Unterhaltung zwi-
schen Mussolini und Laval und dem deutschen
Botschafter in Nom gelegentlich des großen ge-
sellschaftlichen Empfanges im Palazzo Venezia
geht Gayda auf das Abrüstungsproblem
ein, bei dessen Behandlung die Zusammenarbeit
Deutschlands mit Genf in die Brüche gegangen
sei und betont nochmals, daß die italienische
Denkschrift vom Januar o. I. auch heute vsll-
kommen aktuell sei. Italien habe damals eine
von Deutschland angenommene Verständi-
gungsformel vorgeschlagen, die die deutschen
Ansprüche, den Tatsachenbestand und die Not-
wendigkeit einer Abstufung des Abbaues der in
den anderen Ländern vorhandenen Rüstungen in
Rechnung gestellt habe. Hier stehe man vor einem
europäischen Problem, das heute mehr denn je
für die aktiv wirksamen Grundsätze der europä-
ischen Zusammenarbeit lebenswichtig sei, wie sie
in Rom zwischen Italien und Frankreich unter
der herzlichen Zustimmung Englands eingeleitet
worden seien.
Noch deutlicher drückt sich „LavoroFasci-
st a" aus. Das Blatt schreibt, Deutschland werde
„nicht außerhalb der mit der italienisch-französi-
schen Verständigung geschaffenen neuen Lage
bleiben können, wenn es sich nicht jenen Mög-
lichkeiten zum Frieden und Wiederaufbau ver-
schließen wolle," deren Notwendigkeit von seinen
verantwortlichen Führern wiederholt verkündet
worden sei.
Wiener preffestimmen
Ein Appell der „Reichspost" an Deutschland
DNV Wien, 8. Jan.
Die Wiener Blätter würdigen die Bedeutung
des Uebereinkommens von Rom, das als ein
Ereignis von großer Tragweite für ganz Europa
bezeichnet wird- Die christlich-soziale „Reichs-
p o st" meint, die Tatsache dieser Einigung
werde dadurch besonders unterstrichen, „daß der
latente Gegensatz zwischen den beiden lateini-
schen Mächten nach dem Weltkrieg einen weit-
aus größeren Wirkungsradius hatte, als alle
Unstimmigkeiten, die es in den letzten 16 Jah-
ren zwischen Deutschland und Frankreich gegeben
hat". Das Blatt richtet dann einen Appell
an das Deutsche Reich: „Der Nichtein-
mischungspakt für Mitteleuropa, der in der
Form eines Vorvertrages nicht nur in seinen
Grundlinien, sondern auch in seiner textlichen
Formulierung heute bereits feststeht, und durch
den italienisch-französischen Konsulativpakt für
gewisse Fälle ergänzt wird, schafft eine Art
 
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