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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 1-26)

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Nr. 61 - Nr. 70 (13. März - 23. März)
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Pfälzer Zote

Montag, 18. März 1935

79. Jahrgang / Ar. 64

Der historische 46. März 4935
Allgemeine Wehrpflicht in Deutschland!

Ein Aufruf der Reichsregierung an das deutsche Volk

Oie Proklamation

Gesetz sm den Ausbau der Wehrmacht
vom 16. März 1S3S

Die Retchseegieruno hat Wgentrs Gesetz beschkvssrn, bas
hiermit verkündet wirb:
8 1
Der Dienst in ter Wehrmacht erfolgt auf ter Grontlaye
ter allgemeinen Wehrpflicht
8 2
Das -rutsche Frietensheer einschließlich -er überführten
Lruspenpolizeirn gltetert sich in 12 KvrpSwmmanövs und 36
Divisionen
8 3
Die ergänzen-«« Gesetze über tie Regelung ter allge«
meinen Wehrpflicht sint »urch ten Neichswehrmimstee -em
Reichsministerium vorzulegen

Berlin. 16. März 1S3Z
Das Gr setz ist vom Führer unt sämtlichen Mitglirtern
-es Reichskavinetts unterschrieben Worten

Samstag nachm. 4 Uhr empfing Neichsmini-
ster Dr. Göbbels die Hauptschriftleiter der
Berliner Zeitungen und die Vertreter der aus-
wärtigen Presse und gab ihnen die folgende Er-
klärung der Neichsregierung mit anschließendem
Gesetzestext bekannt:
„An das deutsche Volk!
Als im November 1918 das deutsche Volk
— vertrauend auf die in den 14 Punkten Wil-
sons gegebenen Zusicherungen — nach ^jäh-
rigem ruhmvollen Widerstand in einem Kriege,
dessen Ausbruch es nie gewollt hatte, die Waf-
fen streckte, glaubte es nicht nur der gequälten
Menschheit, sondern auch einer großen Idee an
sich einen Dienst erwiesen zu haben. Selbst am
schwersten leidend unter den Folgen dieses wahn-
sinnigen Kampfes, griffen die Millionen unse-
res Volkes gläubig nach dem Gedanken einer
Neugestaltung der Völkerbeziehungen, die durch
die Abschaffung der Geheimnisse diplomatischer
Kabinettspolitik einerseits, sowie der schreck-
lichen Mittel des Krieges andererseits veredelt
werden sollte. Die geschichtlich härtesten Folgen
einer Niederlage erschienen vielen Deutschen da-
mit geradezu als notwendiges Opfer, um einmal
für immer die Welt von ähnlichen Schrecknissen
zu erlösen.
Die Zdee des Völkerbundes hat viel-
leicht in keiner Nation ein heißere Zustimmung
erweckt als in der von allem irdischem Glück ver-
lassenen deutschen. Nur so war es verständlich,
daß die in manchem geradezu sinnlosen Bedin-
gungen der Zerstörung jeder Wehrvoraussetzung
und Wehrmöglichkeit im deutschen Volke nicht
nur angenommen, sondern von ihm auch erfüllt
worden sind. Das deutsche Volk und in Sonder-
heit seine damaligen Negierungen waren über-
zeugt, daß durch die Erfüllung der im Versailler
Vertrag vorgeschriebenen Entwaffnungsbestim-
mungen entsprechend der Verheißung dieses Ver-
trages der Beginn einer internationalen
allgemeinen Abrüstung eingeleitet und
garantiert sein würde. Denn nur in einer sol-
chen zweiseitigen Erfüllung dieser gestellten Auf-
gabe des Vertrages konnte die moralische und
vernünftige Berechtigung für eine Forderung
liegen, die einseitig auferlegt und durchgeführt
zu einer ewigen Diskriminierung und damit
Minderwertigkeitserklärung einer großen Nation
werden mußte. Damit aber könnte ein solcher
Friedensvertrag niemals die Voraussetzung für
eine wahrhafte innere Aussöhnung der Völker
und einer dadurch herbeigeführten Befriedung
der Welt, sondern nur für die Ausrichtung eines
ewig weiterzehrenden Hasses sein.
Deutschland hat die ihm auferlegten Abrü-
stungsverpflichtungen nach den Feststellungen der
Interalliierten Kontrollkommission erfüllt.
Folgendes waren die von dieser Kommission
bestätigten Arbeiten der Zerstörung der deut-
schen Wehrkraft und ihrer Mittel:
Heer:
59 897 Geschütze und Rohrs
130 558 Maschinengewehre
31 470 Minenwerfer und Rohre
6 007 000 Gewehre und Karabiner
243 937 MG-Läufe
28 001 Lafetten
4 390 MG-Lafetten
38 750 000 Geschosse
16 550 000 Hand- und Gewehrgranaten
00 400 000 scharfe Zünder
491 WO 000 Handwaffenmunition
335 000 Tonnen Gefchoßhüllen

23 515 Tonnen Kartusch-Patronenhülsen
37 600 Tonnen Pulver
79 500 Munitionsleeren
212 000 Fernsprecher
1 072 Flammenwerfer
31 Panzerzüge
59 Tanks
1 762 Beobachtungswagen
8 982 drahtlose Stationen
1 240 Feldbäckereien
2 199 Pontons
981,7 Tonnen Ausrüstungsstücke f. Soldaten
8 230 350 Sack Ausrüstungsstücke für Soldaten
7 300 Pistolen und Revolver
180 MG-Schlitten
21 fahrbare Werkstätten
12 Flak-Eeschützwagen
11 Protzen
66 000 Stahlhelme
174 000 Gasmasken
2 500 Maschinen der ehem. Kriegsindustrie
8 000 Eewehrläufe
L. Luft:
15 714 Jagd- und Bombenflugzeuge
27 757 Flugzeugmotore
0. Marine:
Zerstörtes, abgewracktes, versenktes
oder ausgeliefertes Kriegsschiffmate-
rial der Marine:
26 Eroßkampfschiffe
4 Küstenpanzer
4 Panzerkreuzer
19 kleine Kreuzer
21 Schul- und Spezialschiffe
83 Torpedoboote
315 U-Boote
Ferner unterlagen der Zerstörungspflicht:
Fahrzeuge aller Art, Easkampf- und zum Teil
Gasschutzmittel, Treib- u. Sprengmittel, Schein-
werfer, Visiereinrichtungen, Entfernungs- und
Schallmeßgerät, optische Geräte aller Art,
Pferdegeschirr, Schmalspurgerät, Felddruckereien,
Feldküchen, Werkstätten, Hieb- und Stichwaffen,
Stahlhelme, Munitionstransportmittel, Normal-

und Spezialmaschinen der Kriegsindustrie, sowie
Einspannvorrichtungen, Zeichnungen dazu, Flug-
zeug- und Luftschiffhallen usw.
Nach dieser geschichtlich beispiellosen Erfüllung
eines Vertrages hatte das deutsche Volk ein An-
recht, die Einlösung der eingegangenen Verpflich-
tungen auch von der anderen Seite zu er-
warten. Denn
1. Deutschland hatte abgerüstet.
2. Im Friedensvertrag war ausdrücklich gefor-
dert worden, daß Deutschland abgerüstet werden
müßte, um damit die Voraussetzung für eine all-
gemeine Abrüstung zu schaffen, d. h.: Es war da-
mit behauptet, daß nur in Deutschlands Rüstung
allein die Begründung für die Rüstung der ande-
ren Länder läge.
3. Das deutsche Volk war sowohl in seinen
Negierungen als auch in seinen Parteien damals
von einer Gesinnung erfüllt, die den pazifistisch-
demokratischen Idealen des Völkerbundes und
seiner Gründer restlos entsprach. Während aber
Deutschland als die eine Seite der Vertragschlie-
ßenden seine Verpflichtungen erfüllt hatte, unter-
blieb die Einlösung der Verpflichtung der zwei-
ten Vertragsfeite. Das heißt:
Die hohen Vertragschließenden der ehe-
maligen Siegerstaaten haben sich einsei-
tig von den Verpflichtungen des Ver-
sailler Vertrages gelöst!
Allein nicht genügend, daß jede Abrüstung in
einem irgendwie mit der deutschen Waffenzer-
störung vergleichbaren Maße unterblieb, nein:
es trat nicht einmal ein Stillstand
der Rüstungen ein, ja im Gegenteil, es wurde
endlich die Aufrüstung einer ganzen Reihe
von Staaten offensichtlich. Was im Kriege an
neuen Zerftörungsmaschinen erfunden wurde, er-
hielt nunmehr im Frieden in methodisch-wissen-
schaftlicher Arbeit die letzte Vollendung. Auf
dem Gebiete der Schaffung mächtiger Landpan-
zer sowohl als neuer Kampf- und Bomben-
maschinen fanden ununterbrochene und schreck-
liche Verbesserungen statt. Neue Riesengeschütze

wurden konstruiert, neue Spreng-, Brand- und
Gasbomben entwickelt.
Die Welt aber hallte seitdem wider von
Kriegsgeschrei, als ob niemals ein Weltkrieg ge-
wesen und ein Versailler Vertrag geschlossen
worden wäre.
Inmitten dieser hochgerusteten und sich immer
mehr der modernsten motorisierten Kräfte bedie-
nenden Kriegsstaaten war Deutschland ein
machtmäßig leerer Raum, jeder Dro-
hung und jeder Bedrohung jedes einzelnen wehr-
los ausgeliefert. Das deutsche Volk erinnert sich
des Unglücks und Leides von 15 Jahren wirt-
schaftlicher Verelendung, politischer und morali-
scher Demütigung.
Es war daher verständlich, wenn Deutschland
laut auf die Einlösung des Versprechens auf
Abrüstung der anderen Staaten zu drängen be-
gann. Denn dieses ist klar:
Einen hundertjährigen Frieden würde
die Welt nicht nur ertragen, sondern er
müßte rhr von unermeßlichem Segen
sein. Eine hundertjährige Zerreißung
in Sieger und Besiegte aber erträgt
sie nicht.
Die Empfindung über die moralische Berechti-
gung und Notwendigkeit einer internationalen
Abrüstung war aber nicht nur in Deutschland,
sondern auch innerhalb vieler anderer Völker
lebendig. Aus dem Drängen dieser Kräfte ent-
standen die Versuche, auf dem Wege von Konfe-
renzen eine Nüstungsverminderung und
damit eine internationale allgemeine Anglei-
chung auf niederem Niveau in die Wege leiten
zu wollen.
So entstanden die ersten Vorfrage inter-
nationaler Nüstungsabkommen, von denen wir
als bedeutungsvollen den Plan MacDonalds in
Erinnerung haben.
Deutschland war bereit, diesen Plan anzuneh-
men und zur Grundlage von abzuschließenden
Vereinbarungen zu machen.
Er scheiterte an der Ablehnung durch andere
Staaten und wurde endlich preisgegeben. Da
unter solchen Umständen die dem deutschen Volke
und Reiche in der Dezember-Erklärung 1932
feierlich zugesicherte Gleichberechtigung keine Ver-
wirklichung fand, sah sich die neue deutsche
Reichsregierung als Wählerin der Ehre und der
Lebensrechte des deutschen Volkes außerstande,
noch weiterhin an solchen Konferenzen teilzu-
nehmen oder dem Völkerbund anzugehören.
Allein auch nach dem Verlassen Genfs war die
deutsche Negierung dennoch bereit, nicht nur
Vorschläge anderer Staaten zu überprüfen, son-
dern auch eigene praktische Vorschläge zu machen.
Sie übernahm dabei die von den anderen
Staaten selbst geprägte Auffassung, daß die
Schaffung kurzdienender Armeen für die Zwecke
des Angriffes ungeeignet und damit für die
friedliche Verteidigung anzuempfehlen sei.
Sie war daher bereit, die langdienends
Reichswehr nach dem Wunsche der anderen Staa-
ten in eine kurzdienende Armee zu verwandeln.
Ihre Vorschläge vom Winter 1933/34 waren
praktische und durchführbare. Ihre Ablehnung
sowohl als die endgültige Ablehnung der ähnlich
gedachten italienischen und englischen Entwürfe
ließen aber darauf schließen, daß die Geneigt-
heit zu einer nachträglichen sinngemäßen Erfül-
lung der Versailler Abrüstungsbestimmungen auf
der anderen Seite der Vertragspartner nicht
mehr bestand.
Unter diesen Umständen sah sich die deutsche
Regierung veranlaßt, von sich aus jene notwen-
digen Maßnahmen zu treffen, die eine Beendi«
 
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