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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 1-26)

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Nr. 51 - Nr. 60 (1. März - 12. März)
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WWMM und Kun» / Aus der Kl! der Frau / Air LrkMM

Pfälzer Sole

Donnerstag, 7. März 193S

7v. Jahrgang / Ar. S6

Das zweite Jahr der Reichsreform

Sine Unterhaltung mit
Staatssekretär pfuntner
Aus Anlatz des zweiten Jahrestages der
Reichsreform, die mit dem Ermächtigungs-
gesetz des Reichstags vom 24. März 1934 ein-
setzte, gewährte Staatssekretär Pfundt-
ner dem DNV eine Unterredung, in der er
zunächst einen Ueberblick gab über die be-
kannten Gesetze des ersten Jahres. Von be-
sonderem Interesse war der zweite Teil der
Unterhaltung, die wir hier nachfolgend wie-
vergeben:
F r a g e : Welches war die wichtigste Maß-
nahme aus dem Wege zur Neichsreform im zwei-
ten Jahre des nationalsozialistischen Staates?
Antwort: Im zweiten Jahre der natio-
nalsozialistischen Staatsführung ist für das ein-
heitliche Reich auch das einheitliche Staatsober-
haupt geschaffen worden. Nachdem der getreue
Ekkehard des deutschen Volkes, Reichspräsident
Generalfeldmarschall von Hindenburg, zur Ruhe
gegangen war und durch sein Testament das
deutsche Volk und Reich vertrauensvoll in die
Hände des Führers gelegt hatte, ist durch das
Gesetz über das Staatsoberhaupt des Deutschen
Reiches vom 2. August 1 9 3 4 der Führer
Adolf Hitler auch staatsrechtlich das allei-
nige Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches
geworden. In seiner Person sind beide Aemter
miteinander vereinigt. Alle Befugnisse, die bis
dahin dem Reichspräsidenten zustanden, insbe-
sondere der Oberbefehl über die Wehrmacht,
Beamtenernennungsrecht, Enadenrecht usw. sind
in vollem Umfang auf ihn übergegangen. Er ist
die höchste verfassun'gs- und verwaltungsmäßige
Spitze des Reiches. Die Reichsminister sind seine
Berater und seinen Anweisungen unterworfen.
Er ist damit der alleinige Führer des deutschen
Volkes geworden, wie er gleichzeitig der allei-
nige Führer der Trägerin des heutigen Staates,
der NSDAP, ist. Die sichtbare Folge dieses
staatsrechtlichen Zustandes ist der Eid, den die
gesamte Beamtenschaft auf den Führer und
Reichskanzler abgelegt hat und durch den sie
zu ihm in ein persönliches Treuever-
hältnis getreten ist, das zu äußerster Hin-
gabe verpflichtet und nur durch den Tod gelöst
werden kann.
Frage: Welchen Aufgaben wurde im zwei-
ten Jahre der Reichsreform besondere Aufmerk-
samkeit zugewendet?
Antwort: Es war im zweiten Jahre der
nationalsozialistischen Reichsregierung im Zuge
des Neuaufbaues naheliegend, wenn unter loser
Anknüpfung an Gedankengänge aus dem Vis-
marckschen Reich und unter Weiterbildung der
durch das Reichsstatthaltergesetz für Preußen
bereits eingeleiteten Regelung die gleich-
artigen Ministerien des Reichs und
Preußens in engere Verbindung mitein-
ander gebracht wurden. So allein konnten die
letzten Reste des schädlichen Dualismus zwischen
der Reichsverwaltung und der preußischen Ver-
waltung beseitigt werden. Demgemäß wurden
im Sommer 1934 mit Ausnahme des Finanz-
ministeriums sämtliche preußischen Ministerien
mit den entsprechenden Reichsministerien in der
Leitung verbunden.
Nachdem so die Reichs- und preußischen Mini-
sterien in der Spitze zusammengefaßt und einer
einheitlichen Leitung unterstellt waren, war es
nur eine Selbstverständlichkeit, daß von der
einheitlichen Spitze aus die Verzahnung sich
nach,unten fortsetzts. Ganz zwangsläufig ergab
sich für den Vehördenleiter die Notwendigkeit,
die Sachkenner für die einzelnen Gebiete ohne
Rücksicht darauf anzusetzen, ob es sich bei der
einzelnen Frage um eine Reichsangelegenheit <
oder um eine preußische Angelegenheit handelte.
Sachlich gleiche Arbeitsgebiete flössen immer
mehr ineinander, und es war schließlich praktisch
überhaupt nicht mehr möglich, eine Trennung
nach Reichs- und preußischen Angelegenheiten
aufrechtzuerhalten. In der Zeit zwischen dem
1. Juli und dem Oktober 1934 hat sich diese
Entwicklung weiter zwangsläufig vollzogen, in-
dem die Reichs- und preußischen Ministerien
ganz verschmolzen wurden. Nur die Finanz-
ministerien des Reiches und Preußens un-
bisher noch getrennter Leitung, was

im wesentlichen auf etats- und vermögensrecht-
liche Erwägungen zurückzuführen ist.
Die besondere Stellung des preußischen
Ministerpräsidenten als Vertrauens-
mann des Führers und Reichskanzlers hat sich
durch diese Fusion der Reichs- und preußischen
Ministerien nicht geändert. In seiner Hand lie-
gen kraft besonderer Delegation seitens des
Führers und Reichskanzlers im wesentlichen
diejenigen Befugnisse, die in den außerpreußi-
schen Ländern den Reichsstatthaltern zustehen.
Die Zusammenlegung der Innenministerien
des Reiches und Preußens hat die Reichsver-
waltung zu der großen und wichtigen preußi-
schen allgemeinen Landesverwaltung in unmit-
telbarste Beziehung gebracht. Die Erfahrungen
und die Sachkunde, die sich in der umfangreichen
und gut eingearbeiteten preußischen Staats- und
Kommunalverwaltung herausgebildet haben,
sind für die weiteren Arbeiten am Reichsneu-
bau besonders wertvoll. Das Reichsministerium
des Innern ist durch diese Zusammenlegung aus
der unerfreulichen Lage der berühmten „Dame
ohne Unterleib" endgültig befreit worden. Eine
starke Intensivierung und Beschleunigung der
Verwaltung ist die weitere Folge dieser Zusam-
menlegung, indem für weit über die Hälfte des
Reiches der Jnstanzenzug eine Vereinfachung er-
fahren hat, denn über den Provinzialbehörden
steht nun nicht mehr die Doppelinstanz eines
Reichsministeriums und eines preußischen Mini-
steriums, sondern die einheitliche Zentral-
instanz. Dazu kommt, daß durch die Verordnung
des Reichsministeriums des Innern vom 27.
Februar 1934 die preußischen Oberpräsidenten zu
ständigen Vertretern der Reichsregierung in
ihren Provinzen gemalt worden sind. Sie sind
damit in den Reichs: rbau an entscheidender
Stelle eingebaut und bilden die Grundlage für
den verwaltungsmäßigen Aufbau der künftigen
Reichsgaue.
Frage: Der zweite Jahrestag des national-
sozialistischen Staates hat uns zwei neue staats-
rechtliche Grundgesetze gebracht, das schon er-
wähnte neue Reichsstatthaltergesetz und die
Deutsche Gemeindeordnung vom 3V. Januar
1835. Ist nicht die Bedeutung dieses zweiten
Neichsstatthaltergesetzes in der Oeffentlichkeit
vielfach verkannt worden und gibt nicht dieses
Gesetz bereits die Möglichkeit zur Aufhebung
von Landesgrenzen?
Nach dem neuen Reichsstatthaltergesetz kann
der Bezirk des Reichsstatthalters von Landes-
grenzen unabhängig gemacht werden. Der
Führer und Reichskanzler kann für den Reichs-
statthalter einen Amtsbezirk bestimmen, der über
die Ländergrenzen ohne weiteres hinausgreifen
und sich allein nach Zweckmäßigkeitsrücksichten be-
messen kann. Im übrigen enthält das neue
Reichsstatthaltergesetz noch Bestimmungen über
vas Beamtenernennungs- und das Enadenrecht.
Diese beiden Rechte sind Ausfluß der obersten
Reichsgewalt. Sie stehen auch, ohne daß es einer
besonderen Rechtsnorm bedarf, allein dem
Staatsoberhaupt des Reiches, d. h. dem Führer
und Reichskanzler Adolf Hitler zu. Sowohl für
das Beamtenernennungsrecht als auch für das
Enadenrecht sieht das Gesetz eine Delegation
seitens des Führers und Reichskanzlers vor.
Diese Delegation ist durch die Erlasse des Füh-
rers und Reichskanzlers vom 1. Februar 1935
erfolgt. Danach behält sich der Führer und
Reichskanzler die Ernennung der wichtigsten
Veamtengruppen in Reich und Ländern selbst
vor. Darüber hinaus überträgt er für die wei-
teren Beamtengruppen die Ernennung den zu-
ständigen Reichsministern, die ihrerseits dieses
Recht weiter übertragen können. Für die Lan-
desbeamten gilt das gleiche. In Preußen übt
der Führer und Reichskanzlers wie bisher die
Rechte des Reichsstatthalters selbst aus, hat sie
aber durch einen allgemeinen Delegationserlaß
vom SO. Januar 1935 auf den preußischen Mini-
sterpräsidenten übertragen. Dieser ernennt da-
her für Preußen auch die Landesbeamten, soweit
der Führer und Reichskanzler sie nicht selbst er-
nennt.
Im übrigen stehen wir in kurzem auch vor dem
Erlaß eines neuen deutschen Beam-
tengesetzes und einer neuen deutschen
Dienststrafordnung. Durch sie werden alle Be-

amten — gleichgültig ob Reichs-, Landes- oder
Kommunalbeamte, in einheitlicher Eigenschaft
als Reichsbeamte — unmittelbar oder mittelbar
— gesetzlich festgelegt. An die Stelle des bis-
herigen Landesbeamtenrechts tritt einheitliches
Reichsrecht.
Nicht minder wichtig als dieses staatsrecht-
liche Grundgesetz ist, wie schon erwähnt, die neue
deutsche Gemeindeordnung. Sie schafft
an Stelle des bisher zersplitterten Gemeinde-
rechts der deutschen Gaue ein einheitliches Recht
für alle deutschen Gemeinden. Die deutsche Ge-
meindeordnung regelt die Führung in der Ge-
meinde nach dem Führerprinzip,- sie ge-
währt der Partei und ihren berufenen Stellen
ein entscheidendes Mitbestimmungsrecht bei der
Schaffung der Eemeindeorgane (Bürgermeister,
Beigeordnete, Gemeinderäte) und verfolgt un-
ter weiser Beschränkung des Staatsaufsichts-
rechts das Ziel, überall in Deutschland wirklich
leistungsfähige, nach gesunden finanziellen und
wirtschaftlichen Gesichtspunkten geleitete Gemein-
den zu schaffen. Dieser Gemeindeordnung, die
am 1. April 1935 in Kraft treten wird, wird
sehr bald eine ähnliche gesetzliche Regelung für
die Kommunalverbände (Kreise usw.)
folgen. Im Zusammenhang damit wird in eine
Beseitigung leistungsunfähiger Zwergegemeinden
herangegangen werden, mit dem Ziele, überall
größere leistungsfähige Gemeinden und Ge-
meindeverbände zur Verfügung zu haben, mit
und in denen sich die Aufgaben des national-
sozialistischen Staates schnell und wirksam auch
bis in die unterste Instanz durchführen lassen.
Frage: Wann ist mit der territorialen
Neugliederung des Reiches zu rechnen? — Es ist
meines Wissens in der letzten Zeit in der Oef-
fentlichkeit mehrfach erwähnt worden, daß die
Einteilung in Reichsgaue noch in diesem Jahre
zu erwarten sei. Da die territoriale Neugliede-
rung auch eine Neufundierung des Finanzaus-
gleichs und eine Fülle von anderen Maßnahmen
und vermögensrechtlichen Auseinandersetzungen
bedingt, sind an anderer Stelle Zweifel darüber
aufgetaucht, ob nun tatsächlich in diesem Jahre
die territoriale Neugliederung des Reiches kom-
men werde.
Antwort: Ich kann dazu nur folgendes
feststellen: Den Zeitpunkt hierfür bestimmt aus-
schließlich und allein der Führer und
Reichskanzler. Die Entwicklung wird in
keiner Weise überstürzt werden. Sie wird sich
unter Berücksichtigung aller geographischen, völk-
lichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte so
vollziehen, wie es dem Wohle des deutschen
Volkes und Reiches am besten entspricht. Auch
die Zahl der künftigen Reichsgaue kann
heute noch nicht festgelegt werden. Doch werden
es in sich geschlossene, leistungsfähige Gebilde
sein, die zur Lösung der ihnen zu übertragen-
den wichtigen Selbstverwaltungsaufgaben fähig
und imstande sind. Die Reichsregierung unter
Führung Adolf Hitlers schreitet zielbewußt auf
diesem Wege fort, und wenn man das Ergebnis
der bisher hinter uns liegenden zwei Jahre oes
Neuaufbaues zusammensaßt, so ist ohne Ueber-
treibung festzustellen, daß das große Ziel, das
Adolf Hitler dem deutschen Volke bei seiner
Machtübernahme vorzeigte, schon heute im
wesentlichen erreicht ist:
Ein Volk, ein Reich, ein Führer!
päpstliches Konsistorium
einberusen
Nach Pressemeldungen hat Papst Pius XI. auf
den 1. und 4. April ein Konsistorium einberufen.
Der Gegenstand dieses Konsistoriums, von denen
der erste geheim, der zweite öffentlich sein wird,
sind die Heiligsprechung für den englischen
Staatskanzler Thomas Morus und Kardinal
John Fisher, doch wird auch die Ernennung von
einigen Kardinälen erwartet. Seit 1933, wo
die letzte Ernennung von Kardinälen stattge-
funden hat, sind sieben Mitglieder des Kardinal-
kollegiums gestorben, so daß die Zahl seiner
Mitglieder jetzt 51 beträgt, während ihre Zahl
bis zu 70 eetragen kann.

Das englische Weißbuch
Zur Begründung ihres Aufrüstungsprogramms
hat die englische Regierung ein Weißbuch
veröffentlicht, das gerade im gegenwärtigen
Augenblick sehr überraschend wirken muß, ja ge-
radezu einen unfreundlichen Akt darstellt. Ins-
besondere fällt auf, daß das Weißbuch sehr ein-
seitig in seinen Darstellungen ist, — und diese
Einseitigkeit richtet sich vor allen Dingen gegen
Deutschland. Das Weißbuch ist von der Ten-
denz beherrscht, Deutschland für das bisherige
Nichtzustandekommen einer Abrüstungskonven-
tion verantwortlich zu machen, und so muß
Deutschland auch zur Rechtfertigung der eng-
lischen Aufrüstung herhalten. Diese unfreund-
liche und einseitige Stellungnahme gegenüber
Deutschland muß auch noch aus dem Grund«
auffallen, weil über die Riesenaufrüstung der
bolschewistischen Sowjetunion bisher noch kein
Wort von regierungsoffizieller englischer Seite
gesagt worden ist. Auch in dem Weißbuch wird
die Aufrüstung der Sowjetunion nur so neben-
bei erwähnt. Weiß man in London nicht, daß
diese Ausrüstung gerade für England und sein
Empire eine schwere Gefahr ist? Statt dessen
wird aber Deutschland als der Friedensstörer
und Gegner Englands hingestellt. Dieses Weiß-
buch ist tatsächlich nicht zu begreifen. Es stellt
eine schwere Enttäuschung dar. Allzu deutlich
fühlt man den Entente-Gei st von Ver-
sailles heraus.
Das englische Weißbuch beklagt, daß es zu
keiner Abrüstungskonvention bis jetzt gekommen
ist und es meint, weitere Abrüstungsverhand-
langen seien durch die deutsche Politik behindert
worden. Hat man in England denn vergessen,
daß im Frühjahr 1934 noch durchaus die Mög-
lichkeit einer Einigung bestanden hatte, zu
einem Zeitpunkt also, an dem das Nein Bar-
th o u s, das in der französischen Note vom 17.
April zum Ausdruck kam, alle Türen für die Ab-
rüstungsverhandlungen zugeschlagen hatte? Die
deutsche Regierung hatte sich bereit erklärt, das
Memorandum der englischen Regierung vom 29.
Januar 1934 als Grundlage für eine Konven-
tion anzunehmen. Ebenso hatte Italien im
Frühjahr des letzten Jahres erklärt, die Vor-
schläge des deutschen Reichskanzlers könnten eine
mögliche Grundlage für eine Einigung dar-
stellen. Deutschland, England und Italien
waren sich vor einem Jahr so gut wie einig,
aber dann kamen die französischen Quertreibe-
reien, wozu sich auch noch die ersten Anzeichen
einer engeren Verbindung Frankreichs mit der
Sowjetunion gesellten, welch letztere stets ein
Interesse an der Uneinigkeit der mittel- und
westeuropäischen Mächte hat. Hat man in Eng-
land wirklich alle diese Vorgänge und Zusam-
menhänge vergessen?
Wenn das Weißbuch ferner die deutsche
Jugenderziehung als gefährlich hinstellt,
so sei zunächst einmal vermerkt, daß die deutsche
Jugend allerdings zur Disziplin und zur Volks-
gemeinschaft erzogen werden soll, was nach der
klassentämpferischen Propaganda des Marxis-
mus eine besondere Notwendigkeit darstellte. Die
deutsche Jugend soll, besonders die Jugend in
den Großstädten, einer Verwahrlosung entrissen
werden und dazu gibt es kein besseres Mittel
als die Erziehung zur Kameradschaft, zur Man-
neszucht und zur Vaterlandsliebe., Dies alles
hat aber mit einem Militarismus nichts
zu tun. Es ist unerfindlich, warum das
Weißbuch völlig einseitig gerade auf die deutsche
Jugenderziehung zu sprechen kommt. In Eng-
land selbst, in Frankreich, in Italien, in der
Sowjetunion wird die Jugend in stärkstem
Ausmaße und unter staatlicher Aufsicht erzogen.
Es ist schließlich nicht unbekannt geblieben, daß
die Studenten in Oxford und Cambridge z. B.
das Bombenabwerfen erlernen.
Das Weißbuch hat in England selbst größte
Verblüffung erregt und die englische Presse übt
teilweise sehr scharfe Kritik an der im Weißbuch
zum Ausdruck gebrachten Tendenz. Am beacht-
lichsten, aber auch ernstesten ist die Kritik des
Lord Snowden, der d'- Regierungserklärung
 
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