Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 1-26)

DOI Heft:
Nr. 61 - Nr. 70 (13. März - 23. März)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43253#0619
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

SIMschaft an» KM / AuZ »er Ml »er Fran / Sir LekitMe

-elmatMimg mtl »e« Seilasrn: Seimtag ter Seele / Srtmatlvarte

70. Zahrgang /Ar. 64

Pfälzer Note

SchrlftleftE «M ^HifftssteVel AsVelöevs, Rergh. Str. 88/81, Tel. 7181. GeMst»,
stunden: 7.30 bis 18 Uhr, Sprechstunden der Redaktion: 11.30 Lis 12.30 Uhr. Anzeige««
schlutz: 9 Uhr, Samstag 8.30 Uhr Iormittags. Für fernmündlich übermittelt« Auf-
träge wird keine Gewähr übernommen. Postscheck-Konto Karlsruhe Nr. SIM,
Unverlangte Beiträge ohne Rückporto werden nicht zurückgesandt.

Durch DoteiWHekkrmg U. Post momrtk. 1.06 sUsU, bss her Gefchäftsstekl«
abgeholt 1.80 Linzelnr. 10 eHZ. Erscheint wöchentl. 6 mal. Ist die Zeitung am Er-
scheinen verhindert, besteht kein Anrecht auf Entschädigung. Anzeigenpreis: Die Ispalt.
Millimeterzeil« (46 mm Lr.) 7 ZAZ. Textteil: Di« 70 mm br. Millimeterzeile 25 eAZ. Bei
Konkurs n. Zrvangsvergleich erlischt jed. Anspruch auf Nachlaß. Gerichtsst.: Heidelberg.


-Unseren toten Selben!

Snm Sonntag Remtnkseeve tts. MSvr)

„Wenn in würgender Schlacht ein
Bruder fällt,
Geht nur sein Leib verloren, bleibt
doch sein Werk in der Welt . . .
Darum ist der toten Brüder letztes
Gebot:
Haltet das Werk am Leben, so ist kein
Geopferter tot."
Die Soldatengräber sind uns Quellen un-
ersetzlicher, wahrhaft nationaler Kräfte.
Aber nur dann, wenn wir wirklich wissen,
welch herrliches Menschentum in
diesen 2 Millionen deutscher Soldaten starb.
Es waren nicht — wie man sie uns eine
Zeitlang vorlog — wilde, blutgierige, vom
animalischen Trieb des Kampfrausches hin-
gerissene Wesen, es waren durch Not und
Tod geläuterte, wahrhaft edle Menschen, die
für uns gefallen sind. Daran denken wir
immer noch zu wenig. Selbst wir Front-
kämpfer! Wie verblaßt ist es oft auch uns
schon, was für ein heroischer Opfer-
wille auch brüllendsten Eranatenhagel
überstand.
Ich blättere in den „Kriegsbriesen gefal-
lener Studenten". Ein Marburger Student
schreibt von der Arrasfront am 20. April
1917: „. . . . 8 Kilometer war der Englän-
der durchgestoßen in einem Zug. Vor uns lag
ein dünner Infanterieschleier und die Eng-
länder bereits dort, wo unsere Geschütze einst
waren.. Hinter unserem Abschnitt als ein-
ziges. was gerettet war, 6 schwere Haubitzen
ohne Muntion und wenige Feldkanonen. So
griffen wir ein. Der Gegner mit Tank und
Kavallerie und dicken Haufen Infanterie.
Wir ganz auf unsere Gewehre und Maschi-
nengewehre angewiesen. Aber vom ersten
Augenblick an völlige Nuhe . . . Wunder-
barerweise war die Stimmung auch bei star-
kem Feuer und wo es Verluste gab. durchaus
sicher und getrost .... Traurig sein, fa,
das können wir nicht anders machen, aber
zweierlei können wir: für uns aus dem
Schmerz einen Segen machen und
anderen ein Vorbild sei n". Vom
gleichen Heldentum zeugt der Brief eines
anderen aus dem gleichen Frontabschnitt:
„Ich werde den 11. April nie vergessen. Der
Engländer hatte die ganze Nacht den vorder-
sten Grabenabschnitt beschossen, am Morgen
griff er an, unsere Truppen fluteten zurück:
da war es unsere Kompagnie, die über ein
freies Feld ausschwärmte, sich im Granat-,
Schrapnell-, Maschinen- und Jnfanteriege-
wehrfeuer von neuem eingrub und trotz der
Verluste die Engländer zum Stehen brachte
.... Wir waren wieder Herren der Lage."
Nun aber die Erklärung, wie es unseren
Soldaten möglich war, derartige Wider-
standskräfte zu entfalten. Diese schöpften sie
nicht, wie so manche meinen, aus sich selbst.
„Wie habe ich gefühlt," so schreibt der letzt-
genannte Student weiter, „daß Du, liebe
Mutter, an diesem Tage meiner gedachtest!
Mein einziges Gebet: „Lieber
E o t t, n i ch t w i e i ch will,sondern
wi e D u w i l l st!" h a t m ir K r a f t zu
allem gegeben. Und als ich dann ge-
stern aus dem Feuerbereich heraus war, da
habe ich nicht gewußt, was ich vor lauter
Freude und Dank gegen Gott tun soll, ob
lachen oder weinen. Der ganze Mensch
war e in Ee b e t . . . Ich habe bei aller
Müdigkeit mich so froh und voll Jubel ge-
fühlt. Ich hatte die Kraft, einem Kameraden
das Gewehr stundenlang zu tragen und zu
singen, als vor Mattigkeit die Stimmung zu
sinken drohte." Wir können in allen Briefen
der gefallenen Studenten immer wieder von
dieser Kraft aus Gott lesen. So schreibt
ein anderer Student am 1. Dezember
1914: „. . . . Gerade im Donner der Artille-
rie redet Gott so eine fürchterliche ernste
Sprache von der absoluten Nichtigkeit des
Menschen, der nur in sich selbst den'Halt sei-
ner Persönlichkeit sucht .... Wenn ich ja
nicht, wo ich meinen Mut hernehmen sollte."
das mich in jeder Sekunde hinaushebt
über mich selbst, ich wüßte wahrlich



Srnftcht MM», vergiß nie, was dein Vaterland in großer
und schwerer Zeit geleistet hat und eitere denen nach, die
srrudig ihr Leben im testen Glauben an Deutschlands Zukunft
hingegeben haben. ». Hmdcnburg f

Kein Volk hat mehr Recht, seinen unbekannt grsallenen Mus-
ketieren Denkmäler zu errichten als unser deutsches Volk.
Adolf Hitler.

nicht, wo ich meinen Mut hernehmen sollte^.
Es war oft das ganz deutlich geschaute Vor-
bild des Heilandes, das unseren Helden die
übermenschliche Kraft gab. „Heute früh", so
schreibt ein Student am Mittwoch in der
Karwoche 1917, „führten wir (20 Mann)
etwa 350 bis 360 Säcke Zement auf Roll-
wagen 1 Kilometer vor. 40 Säcke auf einen
Wagen mit verbogenen Rädern, auf krum-
men Schienen, die im tiefen Schmutz liegen.
Schweiß rann von der Stirn, nachts mußte
jeder von uns 10 Säcke ungefähr 1 Kilometer
weiter vorschleppen. Zwei luden wir auf ein-
mal auf unsere Schultern ... Die Säcke
drückten schwer: Das Kreuz, das der liebe
Heiland für uns auf sich nahm, war eine noch
schwerere Bürde für den zerschlagenen, zer-
schundenen, unschuldigen Gottessohn." Oder
es war das Vorbild eines Heiligen, das auch
übelste Strapazen überwinden ließ. „Bei uns

regnet es fast alle Tage", lesen wir in einem
Brief vom 19. Januar 1915; „Ihr macht Euch
keinen Begriff, wie dreckig man wird, naß
bis auf die Haut. Heute mußten wir uns in
einen solchen Dreck legen, daß es mich zuerst
gruselte. Dann aber in Gottes Namen frisch
hinein! Und während andere fluchten, dachte
ich an unseren hl. Vater Franziskus, wie er
zu einem Bruder spricht: Und wenn wir
jetzt Heimkommen, durchnäßt und schmutzig
und klopfen an die Klostertür und der
Pförtner schlägt uns und sagt: Ihr seid
Diebe? — Bruder, dann sind wir erst wahr-
haft glückselig".
So waren unsere toten Helden, wahrhaftig
nicht tierhaft dumpfe Katschmarech-Eestalten.
„Freudig ist es zu sehen," so lesen wir am
10. Januar 1915, „wie religiös die Grund-
stimmung ist.... Frivolitäten kommen
kaum mehr vor ? « . Vaterlandslieder, Sol«

Dev Verschollene
Man wird dich fragen, Fährmann, ob ich hier
Geland sei. Ich Litte dich, zu schweigen.
Dann stehen sie immer wieder vor der Tür
Im Morgengrauen, schauen auf und zeigen
Gen Ost erhobnen Armes, ob dort nicht
Der Heißersehnte naht aus lichten Fernen,
Und wenn herein der stille Abend bricht,
Erheben sie die Hände zu den Sternen.
So hält die Hoffnung das Erinnern wach7
Ich bin nicht tot, ich lebe noch den Meinen.
Und wenn heraufsteigt auch ihr letzter Tag,
Daß sie am Strand der Ewigkeit erscheinen,
Dann sehen sie, daß ich voraufgeeilt,
Sie zu empfangen an den goldnen Toren.
So hab' ich unter ihnen stets geweilt
Und bleibe ihnen immer unverloren.
Adolf August Kassau.

datenlieder, Choräle fließen mit ganz neuer,
ungehemmter Unmittelbarkeit hervor. Fast
immer auf Nachtposten hört man Thoräle
singen. Da war ein Kerl, mit dem ich ge-
stern morgen noch im Graben Posten stand,
der sang einen Choral und dann eines von
rig klingenden Soldatenliedern, ein trotz
diesen alten, langsamen, immer etwas trau-
aller Strapazen fröhlicher Vauernkerl —
und einige Stunden später lag er tot, mit
dem Gesicht im Dreck. Das Glück," fo fährt
der Student uns noch jetzt aufrüttelnd fort,
„in diesem reichen, unmittelbaren Erleben
unseres Volkes ist mir sehr wertvoll, zumal
es sicher eine neue Eestaltungist.
Hier erkennen wir das Vermächtnis,
das uns schwer verpflichtende Erbe, wel-
ches wir Ueberlebenden von den Gefalle-
nen übernommen haben. „Wir sind Deut-
sche". schreibt am 8. Oktober 1914 ein Stu-
dent der Münchener Technischen Hochschule,
„kämpfen für unser Volk und vergießen un-
ser Blut und hoffen, daß die Ueberlebenden
unserer Opfer würdig sind. Es ist für mich
der Kampf um eine Idee eines
treuen ehrlichen Deutschland,
ohne Schlechtigkeit und Trug.
Und gehen wir zugrunde mit dieser Hoff-
nung im Herzen, so ist es vielleicht besser, als
den Sieg errungen zu haben und zu sehen,
daß es nur ein äußerer Sieg war, ohne die
Menschen innerlich zu bessern". Und am 30.
November 1914: „Ich will kämpfen und viel-
leicht auch sterben für den Glauben an ein
schönes, großes, erhabenes Deutschland, in
dem Schlechtigkeit und Eigennutz verbannt,
wo Treue und Ehre wieder in die alten
Rechte eingesetzt sind". Die Helden sind ge-
storben für den Frieden: „Mütterchen,
liebes gutes Mütterchen und ihr Geschwi-
ster," so schreibt ein Student der Mathematik
am 15. April 1917, „für Euch will ich alles
ertragen, daß Ihr nicht seht, wie zerstörte
Dörfer und zerschossene Felder aussehen, daß
Ihr nicht spürt, was das Wort Krieg heißt.
Seid dankbar dafür, meine Gretel und
Erich."
Wir wollen also an diesem Heldengedenk-
tag nicht viel reden, sondern uns den Vers
des Kesselschmiedes Heinrich Lersch in die
Seele schreiben:
Denn ich und alle, die wir hier liegen,
Starben für Deutschlands Kämpfen und
Siegen!
Und nun muß Deutschland unser gedenken
und
Für uns stehen,
Sonst mag und wird Deutschland zugrunde
gehen.
Dr. Winfried Bauer.
 
Annotationen