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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 1-26)

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Nr. 51 - Nr. 60 (1. März - 12. März)
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MlriWast und Kunst / Aus der Mit der Frau / Sie LeMunde

Pfälzer Sole

Mittwoch, 6. März 1935

70. Jahrgang / Ar. 55

Verschiebung des englischen Ministerbesuches

Ser Führer leicht erkrankt
DNV. Berlin, 5. März.
Anläßlich seines Besuches in Saarbrücken hat
sich der Führer eine leichte Erkältung, ver-
bunden mit einer starken Heiserkeit, zugezogen.
Auf ärztliche Anordnung sind daher zur Scho-
nung der Stimme die für die nächste Zeit anbe-
raumten Besprechungen abgesagt worden.
Unter diesen Umständen hat die Neichsregie-
rung durch den Reichsautzenminister dem engli-
schen Botschafter die Bitte übermittelt, dah der
festgelegte Besuch der englischen Mini-
ster verschoben werden möge.
*
Aus London wird gemeldet: Tie Mitteilung,
daß di« deutsch« Regierung um einen Aufschub
des englischen Besuches in Berlin nachgesucht hat,
ist den englischen Regierungsstellen am frühen
Nachmittag durch den britischen Botschafter in

Berlin, Sir Eric PhipPs, amtlich übermittelt
worden. Tie englischen NachmittagZblätter ver-
öffentlichen die Nachricht von dem Aufschub deS
Besuches in großer Aufmachung und unter fett-
gedruckten Schlagzeilen. Ter liberale „Star"
meldet, daß die Berliner Mitteilung eine große
Ueberraschung in London hervorgerufen habe. —
Der politische Mitarbeiter der „E v e n i n g
News" meint, daß die englische Regierung eine
„sympathische Antwort" auf die deutsche Mittei-
lung absenden werde. — „Preß Associa-
tion meldet: Anscheinend habe die deutsche Ne-
gierung noch keine Andeutung darüber gegeben,
auf wie lange Zeit die deutsch-englischen Bespre-
chungen aufgeschoben werden sollen. Etwaige Ver-
mutungen, daß die Erkrankung Hitlers nicht der
einzige Grund für die Aufschiebung der Bespre-
chungen sei, würden in diplomatischen englischen
Kreisen nicht geteilt. Einige nichtamtlich« Be-
obachter neigten jedoch der Annahme zu, daß der
Aufschub der Verhandlungen mit, der gestrigen
Veröffentlichung des britischen Weißbuches

über die englische Rüstungspolitik zu verbinden
sei. Im Regierungsviertel sei man jedoch der
Ansicht, daß der Hinweis in dem Weißbuch auf
das „deutsche Wiederaufrüsten" keine Neuigkeit
für die deutsche Regierung bedeute, da der Prä-
sident des englischen Staatsrates Baldwin schon
vor einiger Zeit im Unterhause in ähnlicher
Weise über das gleiche Thema gesprochen habe.
Es sei noch nicht bekannt, so fährt „Preß Asso-
ciation" fort, welche Wirkung der Aufschub des
Besuches von Sir John Simon auf die beab-
sichtigte Reise nach Moskau und Warschau
haben werde. Tie Lage werde am Mittwoch auf
der Kabinett ssitzung zur Erörterung
kommen.
Sowjetrussische Einladung an Sir John Simon
DNB. Moskau, 5. März. Di« sowjetrussische
Presse vom 5. März veröffentlicht die Nachricht,
daß im Laufe dieser Woche eine Einladung der
Sowjetregierung an Sir John Simon zum Be-
such der Sowjetunion überreicht werden wird.

24 Stunden Bedenkzeit!
Ein Ultimatum für die griechischen
Aufständischen
DNV. Athen, 5. März. Flugzeuge haben sm
Dienstag morgen über den Truppen der Auf-
ständischen Flugblätter mit einer Botschaft des
Kriegsministers Kondylis abgeworfen, in der er
ihnen mitteilt, daß er wisse, daß sie durch eine
Handvoll aufständischer Offiziere verführt wor-
den seien, die ihnen die Wahrheit verheimlicht
hätten. Ich gebe euch, so sagt Kondylis weiter,
24 Stunden Bedenkzeit. Nach Ablauf dieser Frist
werden wir ohne jede Nachsicht gegen die Armee
von Aufrührern die geschlossene Masse von Land-
und Luftstreitkräften einsetzen.

England bereits in einen Krieg gebracht wor-
den, und es habe jetzt den Anschein, als ob es in
einen neuen Krieg gebracht werden solle. Lord
Cecil begnügte sich damit, „tiefe Enttäu-
schung" zu äußern, daß dies das Ergebnis aller
Bemühungen um Abrüstung sei. Lord Pon«
sonby nannte das Weißbuch" beklagenswert".

Das englische Weißbuch
Merkwürdige Begründungen für die englischen Ausrüstungen

Deutsche Feststellungen
DNV. Berlin, 5. März.
Die Deutsche Diplomatische Korre-
spondenz bemerkt zu dem englischen Weiß-
buch u. a.: Interessanter und bezeichnender als
die Tatsache der englischen Aufrüstung, die im-
merhin seit längerer Zeit beschlossene Sache war,
erscheinen die Argumente, mit denen die
nationale Regierung gegenüber dem In- "nd
Auslande den Verzicht auf die bisherige Abrü-
stungspolitik zu rechtfertigen sucht. Der unvor-
eingenommene Beurteiler muß feststellen, daß
Licht und Schatten hier doch sehr ungleichmäßig
verteilt sind. Es kann einer Regierung nicht
verwehrt werden, die Lage so darzustellen, wie
sie es für richtig hält; man darf aber erwarten,
daß dabei gegenüber den einzelnen Staaten
wenigstens die gleichen Maßstäbe angewendet
werden. Die ganze Darstellung der englischen
Denkschrift ist darauf abgestellt, die Haupt-
schuld für die schwierige Weltlage und die
neuen Rüftungsprobleme, vor denen England
steht, auf Deutschland abzuwälzen.
Nur nebenbei wird festgestellt, daß auch andere
Mächte ihre Streitkräfte vermehrt haben; selbst
den russischen Rüstungen wird nicht die Auf-
merksamkeit gewidmet, die sie sogar nach dem
Willen führender Sowjetpolitiker beanspruchen
sollen.
Mkt ihrer Behauptung über die Ursache des
Mißerfolges der Abrüstungskonfe-
renz übergehen die Verfasser der englischen
Denkschrift alles, was längst aktenkundig ist und
bisher nur in unsachlicher Pressepolemik in man-
chen Ländern bestritten wurde, nämlich die Ver-
antwortung bestimmter, seit dem Weltkriege
ohne alle vertraglichen Bindungen rüstenden
Mächte.
Die ganze Zeit der deutschen Mitgliedschaft im
Völkerbund war ein einziges Warten auf die
Erfüllung des Abrüstungsversprechens. Erst als
es im Laufe der Jahre immer klarer wurde, daß
maßgebende Mächte nicht an die Erfüllung die-
ses Versprechens dachten, sondern höchstens an
eine weitere Verschärfung der deutschen Abrü-
stung unter gleichzeitiger Nutzanwendung aller
neueren Erfahrungen und Errungenschaften der
Technik für die Ausrüstung der eigenen Armsen,
mußte Deutschland einsehen, daß seine weitere
Mitarbeit in Genf fruchtlos bleiben würde. Es
hat aber, wie gleichfalls aus allgemein zugäng-
lichen Dokumenten hervorgeht, auch nach dem
14. Oktober 1933 stets an den Gedanken der
internationalen Zusammenarbeit des ^Ausglei-
ches und der Verständigung festgehalten; es hat

seine Ansprüche hinsichtlich der Sicherheit auf
das Mindestmaß einer rein defensiven
Militärorganisation beschränkt und nur diejeni-
gen Vorbereitungen in Angriff genommen, die
unerläßlich waren, wenn es der allgemeinen und
fieberhaften Aufrüstung ringsum in der Welt
nicht mit kläglicher Untätigkeit gegenüberstehen
wollte.
Die Verhandlungen über die Rüstungsfrage
sind im April vorigen Jahres bekanntlich
nicht an Deutschland gescheitert, sondern an
anderen.
Auch davon erwähnt das englische Weißbuch
leider nichts.
Die englische Regierung begründet in ihrem
Weißbuch auch die Notwendigkeit der Verstär-
kung ihrer Rüstungen damit, daß sie sonst nicht
in der Lage wäre, ihre aus dem Vertrage von
Locarno sich ergebenden Verpflichtungen zu er-
füllen. Der Locarnovertrag garantiert auch die
Sicherheit Deutschlands. Dieses hat somit von
England gegebenenfalls eine Unterstützungs-
aktion zu verlangen und begrüßt es deshalb,
wenn England es endlich als seine Aufgabe be-
zeichnet, sich in den Stand zu setzen, praktisch
allen Eventualitäten gewachsen zu sein. Die
positive Bedeutung dieses erneuten Bekenntnisses
zu den Locarnoverpflichtungen darf immerhin
in dem englischen Weißbuch nicht übersehen
werden.
In der ganzen Welt ist der Wunsch nach Ent-
spannung, nach Wiederaufbau und nach Frieden
nie so stark in Erscheinung getreten wie heute,
und ein ausländischer Staatsmann hat dieser
Tage nicht zu Unrecht festgeftellt, daß wir es
nach der Erledigung der Saarfrage mit einer
neuen Entspannungswelle in der Welt zu tun
haben. Die müde Resignation, mit der jetzt Eng-
land diese Tendenzen in seinem Weißbuch über-
sieht, und der Mangel an Gleichmäßigkeit, mit
der Schwierigkeiten darin gekennzeichnet wer-
den, können jedoch nicht als ein glück-
licher Fortschritt bezeichnet werden.
„Tiefe Enttäuschung"
Aeuherungen englischer Politiker über das
Weißbuch
DNB. London, 5. März.
Ministerpräsident Macdonald bestätigt«
am Montag im Unterhaus auf «ine Anfrage
des Oppositionsführers Lansbury, daß die Ab-
geordneten am kommenden Montag Gelegenheit
zu einer Aussprache haben würden. Lansbury
nannte das Weißbuch hierauf „ein ungewöhn-
liches Dokument". Dieses Dokument sei ein«

ganz außerordentliche und sehr alarmierende Er-
klärung der Regierung.
Ueber das Weißbuch äußerte der vormalige
Schatzkanzler Lord Snowden einem Presse-
vertreter gegenüber, «s handele sich um das tra-
gischste und niederdrückendste Dokument seit dem
Kriege, das nichts weiter in Aussicht stelle als
«ine Verschärfung des Rüstungswettbewerbes
und eine große Erhöhung der Ausgaben zur
Vorbereitung eines Krieges. Die Entschuldi-
gung, daß Deutschland für die erhöhten Rüstun-
gen verantwortlich sei, sei furchtbar insofern,
als sie unmittelbar vor der Berliner Reise
Simons vorgebracht werde. England rüste
gegenüber Deutschland als seinem eventuellen
Feinde auf. Dies sei vermutlich eine Ergän-
zung zu Baldwins Erklärung, daß die britische
Grenze der Rhein sei. Das ganze Schriftstück
mache den Eindruck, daß es vom französischen
Außenministerium verfaßt worden sei. Großbri-
tannien habe keine andere Außenpolitik als die,
die ihm von Frankreich diktiert werde. Durch
seine Unterwürfigkeit gegenüber Frankreich sei

Die Veröffentlichung des Weißbuches hat in
der englischen Öffentlichkeit wie eine Bombe
eingeschlagen und wird als eine große Sen-
sation in der Presse aufgemacht. Allgemein
spricht die Presse von einer „bedeutsamen Mit-
teilung" des Premierministers. Die Aufnahme
ist je nach der politischen Einstellung der Blät-
ter verschieden.

Ter englisch« Ministerpräsident MacDonald
hat sich eine Erkältung zugezogen. Auf ärztliches
Anraten blieb er am Dienstag in seiner
Wohnung.
Das ungarische Abgeordnetenhaus
wurde am Dienstag durch «in im Abgeordneten-
haus verlesenes Handschreiben des Reichsverwe-
sers aufgelöst und die Einberufung der
neuen Volksvertretung auf den 27. April fest-
gesetzt.
Der amerikanische Generalkonsul in Hamburg
überreichte den deutschen Seeleuten vom Tank-
schiff „Phöbus" für die Rettung der Ueberleben-
den des Riesenluftschiffes „Acron" eine Auszeich-
nung des Präsidenten Roosevelt.


Absturz mit dem Sportflugzeug
DNV Bayreuth, 5. März
Wie die Neichsstelle der NSDAP meldet,
verunglückte das Sportflugzeug des Gauleiters
der bayerischen Ostmark Hans Schemm am
Dienstag 17 Uhr auf dem Bayreuther Flug-
platz. Während der Pilot mit leichteren Ver-
letzungen davonkam, sind die Verletzungen des
Gauleiters ernsterer Natur. Er wurde sofort
in das Städtische Krankenhaus Bayreuth ge-
bracht, und die dort vorgenommene Operation
nahm einen günstigen Verlaus. Der Minister
ist jedoch am Abend um 23,15 Uhr seinen Ver-
letzungen erlegen.
Die Maschine, die von dem Gauleiter Michael
Schmidt gesteuert wurde, war aus bisher un-
geklärter Ursache unmittelbar nach dem Start
mit einer Tragfläche an den Windsack auf dem
Dach der Flugzeughalle geraten. Die Trag-
fläche brach und die Maschine stürzte ab.
Professor Sauerbruch-Berlin und Professor
König-Würzburg wurden sofort nach Bayreuth
gerufen.
Nach dem ärztlichen Befund waren die Ver-
letzungen des Gauleiters folgender Art: ge-
fährlicher Beckenbruch, komplizierter Unter-
schenkelbruch und mehrere Rippenbrüche. Die
Blutungen wurden gestillt, doch machte eine
innere Schockwirkung den Zustand bedenklich.
*
Der aus so tragische Weise ums Leben ge-
kommene Gauleiter und Staatsminister Hans
Schemm war gleichzeitig Führer des Natio-
nalsozialistischen Deutschen Lehrerbundes, Lei-
ter des Hauptamtes für Erziehung bei der

Reichsleitung der NSDAP und bayerischer
Minister für Unterricht und Kultus. Er wurde
am 6. Oktober 1891 in Bayreuth geboren, be-
suchte das Lehrerseminar und war zunächst
Lehrer in Neufang bei Wirsberg. Während
des Krieges übernahm Hans Schemm als nicht
voll verwendungsfähig eine besonders wichtige
und nicht ungefährliche Aufgabe: er wurde im
bakteriologischen Laboratorien und Seuchen-
laza.retten eingesetzt. Hier holte er sich eins
Tuberkuloseinfektion. Nach dem Kriege trat er
wieder in den Schuldienst. Er nahm an der
Eroberung Münchens durch das Freikorps Epp
teil. 1921 wurde er Leiter eines bakteriologisch-
chemischen Instituts in Thale im Harz, ein
Jahr später wiederum Lehrer in Bayreuth-
Hier wurde er Mitglied der NSDAP und
gründete 1925 den Gau Oberfranken der Par-
tei.Am 13. April 1933 wurde er bayerischer
Minister für Unterricht und Kultus. Mit
Hans Schemm ist einer der ältesten National-
sozialisten und eine der markantesten Gestalten
im politischen Leben, insbesondere Bayerns,
ein Führer und Wegweiser der deutschen Er-
zieherschaft hingegangen.
Der Führer an Frau Schemm
DNV Berlin, 6. März. Der Führer sandte
auf die Nachricht vom Tode des Gauleiters
Staatsminister Schemm folgendes Telegramm
an Frau Staatsminister Schemm, Vayreuly:
„Aufs tiefste erschüttert über das Unglück
meines alten treuen Parteigenossen und Mit-
kämpfers spreche ich Ihnen mein bewegtes Bei-
leid aus. Adolf Hitler."
 
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