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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 1-26)

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Nr. 51 - Nr. 60 (1. März - 12. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43253#0491
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BWMW M Kun» / Aus drr Welt drr Frau / Sir LrtektMe

Pfälzer Tote

Freitag, 1. März 193S

70. Jahrgang / Ar. 51


Am Vorabend
DNV. Saarbrücken, 28. Febr.
Nun ist die ganze Stadt wieder wie in jenen
Tagen, in denen das Saarvolk sein Schicksal
entschied, in eine Flut von Licht getaucht,
das offenbar ein besonderes Kennzeichen dieser
Stadt an der Saar ist. Eigentlich ist es sogar
noch Heller geworden, denn alle jene vielen öf-
fentlichen Gebäude, die seinerzeit ausgenom-
men waren von der Bekundung der Freude über
die Heimkehr, sind nun auch mit Lichtgirlanden
geschmückt. Ganz heimlich, still und leise ist die
schwarz-weiß-blaue Saarfahne, die 1919 von
einem findigen Kopf erfunden wurde, für immer
eingezogen worden. Ebenso sang- und klanglos
ist die Trikolore von den Gebäuden der Gruben-
verwaltung verschwunden. Die Inschrift „Mines
domaniales irancaises" ist nicht mehr an dem
Hause zu lesen. Dafür zieht sich von Fenster zu
Fenster und am Sims entlang die gleiche
Gruppe von Lichtern, die jedes Haus des Saar-
landes zieren. In den Straßen drängt sich
eine beängstigend anwachsende Menge und der
Fährverkehr ist kaum zu bewältigen. Seit am
mittag Polizeipräsident SS-Standartenführer
Schmelcher sein Amt übernommen hat, sieht
man nun überall schon Polizeibeamte
aus dem Reich, blitzt an allen Straßenecken
der Tschako, den auch die Saarbrücker Polizei
seit heute trägt, als äußeres Kennzeichen, daß
nun wieder Deutsche von Deutschen
r e g i e r t werden. In der gewaltigen Menge
entdeckt man überall die Uniformen der vielen
Verbände, der SA, SS, PO, Arbeitsdienst,
Luftsportverband u. a. m., denn alle haben die
Vorkommandos geschickt, die für die Abord-
nungen Quartier machen, die am 1. März im
Saargebiet zum Zeichen der Verbundenheit ein-
marschieren werden. Die Beamten im Saarge,
biet haben vielfach schon das Hoheitszeichen an
ihren Mützen befestigt und die schwarz-weiß-
blaue Kokarde durch die schwarz-weiß-rote er-
setzt. So vollzieht sich äußerlich sichtbar Stück
um Stück schon jetzt die Saarlandrückgliederung.
Es wäre müßig, nach dem Höhepunkt des 15.
Januar jetzt noch einmal ein Bild der Stim-
mung geben zu wollen, die die ganze Bevöl-
kerung beherrscht.
In der Organisationsleitung im Tafe Kiefer
herrscht Hochbetrieb. Der „Hilfszug Bayern" ist
eingetroffen. Auch an vielen anderen Stellen
ist Vorsorge getroffen, daß die Hundert-
tausende in Saarbrücken reibungslos ver-
pfleg: werden können. Polizeihauptmann Tit-
tel hat gemeinsam mit Ministerialrat Holzeit
und Oberregierungsrat Eütterer die Pläne für
den reibungslosen Verkehr der Menschenmassen
und dem Anmarsch der Verbände aufgestellt.
Die großen Hotels sind am Donnerstag fast alle
geräumt worden, da sie von nun an den offi-
ziellen Gästen, die zur Rückgliederung des Saar-
gebiets kommen, zur Verfügung stehen. Man
nennt als erste den Stellvertreter des Führers
Rudolf Heß, die Reichsminister Dr. Göbbels
Frick, Darrs und Seldte, ferner Reichs-
führer SS Himmler, Reichsarbeitsführer
Hierl, Reichsführer der Kriegsopferversorg-
ung Oberlindober, die Reichsstatthalter
fast aller deutschen Länder, viele Reichsleiter,
den Leiter der Deutschen Arbeitsfront, Dr.
Ley, Alfred Rosenberg, ferner die Mini-
sterpräsidenten und Minister fast aller süddeut-
schen Länder sowei die meisten Gauleiter der
NSDAP, um ihrer Verbundenheit mit dem
Saarlande Ausdruck zu geben. Dazu gesellen
sich Abordnungen aller Behörden, die an der
Uebernahme beteiligt sind und am 1. März auch
äußerlich die vollziehende Gewalt in die Hände
des Reiches überführen werden.
Ein Teil der Ehrengäste ist am Donnerstag
bereits in Neustadt eingetroffen, die dort
Gäste des Saarbevollmächtigten und Gauleiters
Bürckel find. Sie werden sich am Freitag früh
^schlossen ins Saargebiet begeben.

Di« Reich sminister Dr. Frick, Dr. Goeb-
bels, Da.rrS und Seldte haben Donners-
tag abend im Sonderzug Berlin verlassen, um
an den Be-freiungsfeiern in Saarbrücken teilzu-
nehm««.


- '
Expreß-BUdermaterndienst, Berlsin

Saaramnestie des Führers

DNB. Berlin, 28. Febr.
Die Gefühle, die Führer, Volk und Vaterland
dem Saarland bei seiner Rückgliederung ent-
gegenbringen, die Freude über die Wieder-
vereinigung, der Dank an die Volksgenossen, die
in Treue an ihrem Deutschtum festgehalten ha-
ben, und der Wille zur Versöhnung mit denen,
die bisher irregeleitet, mit ehrlichem Bemühen
den Weg zur neuen Volksgemeinsömit zu finden
suchen, haben auf dem Gebiete der Straf-
rechtspflege ihren sichtbaren Ausdruck in einem
Amnestiegesetz gefunden-
Für das Gebiet der politischen Verfehlungen
hat die Reichsregierung bereits vor der Rück-
gliederung Erklärungen abgegeben, die der
Sicherstellung der Freiheit und Aufrichtigkeit
der Volksabstimmung dienten.
Darüber hinaus bringt die Saarlandamnestie
einen großherzigen Enadenerweis.für Vergehen
allgemeiner Art. Die Abtrennung des Saar-
gebiets hat so tief in alle Lebensverhältnisse
eingeriffen, daß manche Straftat, selbst da, wo
eine unmittelbare Not nicht vorgelegen hat, nur
aus diesen Verhältnissen zu erklären war.
Mit Rücksicht auf diese besonderen Verhält«
nisse, unter denen die Saarbevölkerung zu lei-
den hatte, ist die Begrenzung der amnestiewür-
digen Strafen ihrer Höhe nach erheblich weiter
gefaßt worden als in den letzten innerdeutschen
und den im Saarlands früher ergangenen Am-
nestien. Gefängnisstrafen bis zu einem Jahr
werden erlassen. Anhängige Verfahren, in de-
nen keine höhere Strafe zu erwarten ist, werde«
eingestellt.
Dadurch, daß von diesem weitgehenden Gna-
denerlaß erheblich Vorbestrafte ausgenommen

sind, und ferner Zuchthausstrafen ganz ausge-
schlossen bleiben, wird verhütet, daß die
weitherzige Begrenzung volksschädlichen
Elementen zugute kommt. Freiheitsstrafen bis
zu drei Monaten und Geldstrafen werden ohne
Rücksicht auf Vorstrafen des Täters erlassen.
Die Amnestie ist ihrem Grunde entsprechend
auf Taten beschränkt, die von Saarbewohnern
begangen sind.
Entscheidend ist dabei, ob der Täter zur Zeit
der Tat seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Auf-
enthalt im Saarlands hatte. Die Tat muß fer-
ner innerhalb des Saarlandes, oder, soweit De-
visenzuwiderhandlungen in Betracht kommen,
im Verkehr zwischen dem Saarland und dem
übrigen Reichsgebiet begangen worden sein. Die
Erstreckung der Amnestie auf solche Zuwider-
handlungen steht im Einklang mit den Erleich-
terungen, die die Verordnung vom 13 Februar
1935 für den Devisenverkehr mit dem Saarland
gebracht hat.
Uebertragung der großen Kundgebung bereits
ab 18 Uhr
DNB. Berlin, 28. Febr. Zur Rundfunküber-
tragung anläßlich der Saarheimkehr am 1.
März teilt die Reichssendeleitung mit, daß die
große Kundgebung vor dem Regierungsgebäude
nicht um 20 Uhr, sondern bereits um 18 Uhr
übertragen wird.
Knox geadelt
DNV. London, 28. Febr. Der frühere Vor-
sitzende der Regierungskommission des Saarge-
biets, Knox, ist durch Verleihung des Ordens
vom Heiligen Michael und Heiligen Georg in
den englischen Adelsstand erhoben worden.

Heimkehr
Mit der Saarabstimmung und der nunmehr
erfolgten Rückgliederung ist eins der schlimm-
sten Kapitel des Versailler Diktates
liquidiert worden. Ein 15jähriges Unrecht, das
aufs engste zusammenhing mit einer jahrhun-
dertealten französischen Rheinpolitik hat ein stol-
zes Ende gefunden. Wir wollen uns heute nicht
näher auslassen über die französische Saarpoli«
tik, über die fremthsrrschaftlichen Bestimmun-
gen des Saarstatuts, über die Lüge von. den
150 000 Saarfranzosen, mit der Clemenceau 191S
die Abtrennung des Saargebiets vom deutschen
Reich rechtfertigte. Wir wollen nicht noch ein-
mal näher schildern die seelischen und körper-
lichen Leiden, die die Saarbevölkerung wegen
ihrer unverbrüchlichen Treue zu Deutschland er-
dulden mußte, die Schikanen der Regierungs-
kommission, das Versagen des Völkerbundes bei
den Beschwerden der Saarvertreter, die niedrige
Hetze und die schmählichen Verleumdungen der
marxistischen Volksverräter und Emigranten, die
aus dem Saargebiet einen Tummelplatz machten
von Elementen, die für jedes Land und für
jeden Staat gleich gefährlich sind. Wir wollen
nicht näher beschreiben die Politik Barthous und
die Maßnahmen des Herrn Knox: es genügt
einige dieser Tatsachen aufzuzählen, um das
Ausmaß dieser nun zu Ende gegangenen Fremd-
herrschaft darzustellen. Zusammen mit den heim-
gekehrten Saarländern schaut das deutsche Volk
heute, erfüllt von einem Berge versetzenden
Glauben an Deutschland, in die Zukunft. Aber
eines wissen wir alle: niemals mehr wird diese
Vergangenheit wiederkommen können. Niemals
wird uns eine Zeit der Versklavung knechten.
Niemals werden wir mehr in Unfreiheit leben.
So sehr die Saarabstimmung im Zeichen des
deutschen Freiheitswillens stand, in eben
demselben Matze ist sie auch Ausdruck der ehr-
lichen und offenen deutschen Friedens-
gesinnung. Freiheit eines Volkes und Frie-
densgesinnung ergänzen sich. Nur unfreie, ge-
knechtete Völker stellen eine dauernde Beunruhi-
gung dar. Der Führer und Reichskanzler hat zu
wiederholten Malen mit stärkstem Nachdruck be-
tont, daß nach der Saarrückgliederung kein terri-
torialer Zankapfel zwischen Deutschland und
Frankreich mehr liegt. Der Abschluß des Kamp-
fes um die Saar ist die notwendige Voraus-
setzung für die Möglichkeit einer deutsch«
französischen Aussprache, die für die zu-
künftige Entwicklung Europas von grundlegend-
ster Bedeutung ist. Tatsächlich waren auch erst
nach der Saarabstimmung die jetzt im Gang be-
findlichen diplomatischen Gespräche über die
aktuellen europäischen Fragen möglich. So, wie
ss von Laval im Interesse des Friedens klug
gehandelt war, daß er die Saarpolitik Barthous
aufgab und einer Voreinigung über die wirt-
schaftlichen Fragen der Rückgliederung, wie sie
in den römischen Abmachungen vom Dezember
zum Ausdruck kam keine Hemmnisse in die Wege
legte, so wird das Ausland auch in der gesamten
Außenpolitik die politischen Notwendigkeiten der
neuen Zeit nicht mehr übersehen können und
diese in der natürlichen Entwicklung liegende
Notwendigkeit heißt Abkehr vom Geist von Ver-
sailles und von den verbrauchten Methoden der
Vorkriegsdiplomatie, Hinwendung zu den neuen
politischen Formen einer Außenpolitik, die die
Ehre und die Freiheit des anderen Volkes achtet
und ihm die gleichen Rechte n cht nur moralisch,
sondern auch in der praktischen Wirklichkeit zu-
billigt. Wäre die Saarabstimmung im Diktat-
geiste von Versailles sabotiert worden, so hätte
dies für Europa die ichwersten Konflikte ge-
bracht. Die Tatsache, daß sich die Mächte letzlich
einer friedlichen Regelung nicht widersetzten, die
Realität der Dinge anerkannten und die Saar-
abstimmung nicht nur moralisch, sondern avch
 
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