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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 1-26)

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Nr. 71 - Nr. 76 (25. März - 30. März)
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MsrnIMi und Kunlt / Aus drr Ml! drr Frau / Sir Lrlrstuadr

Pfälzer Sole

Freitag, 29. März 19ZS

70. Jahrgang / Ar. 75

Gir John Simon vor dem Unterhaus

Kurze Erklärung
über den Berliner Besuch
DNV. London, 28. März.
Außenminister Sir John Simon gab am
Donnerstag im Unterhaus eine kurze Erklärung
über seinen Berliner Besuch ab, nachdem ihn
der Oppositionsführer Lansbury gefragt hatte,
ob er sich hierzu äußern könnte. Sir John Si-
mon, der mit lautem Beifall begrüßt wurde,
sagte:
„Das Unterhaus weiß. Laß der Besuch in Ber-
lin einer von mehreren Erkundungs« und An-
fragebesuchen ist, die zurzeit im Auftrag der
englischen Regierung in verschiedenen auslän-
dischen Hauptstädten ab-gestattet werden. Sobald
diese Besuche abgeschlossen sind, wird eine Zu-
sammenkunft in Stresa in Norditalien fol-
gen, wo ich Mussolini und Laval zu tref-
fen hoffe. Unter diesen Umständen ist es nicht
wünschenswert, eine erschöpfende Erklärung
über die Lage abzugeben, die zurzeit noch ge-
prüft wird. Unautorisierte Mutmaßungen, die
in einigen Kreisen laut geworden sind, brauchen
nicht ernst genommen zu werden. Ich möchte in-
dessen sagen, daß im Laufe der zweitägigen Un-
terhaltungen mit Herrn Hitler das euro-
päische Problem inbezug auf Deutsch-
land durchgesprochen wurde und daß alle
Fragen behandelt wurden, die in dem Londoner
Kommunique vom 3. Februar erwähnt sind. Ein
beträchtliches Abweichen der Meinun-
gen zwischen den Leiden Regierungen trat bei
den Besprechungen zutage. Aber das Ergebnis
der Zusammenkunft war insofern zweifellos
wertvoll, als beide Seiten in der Lage wa-
ren, ihre diesbezüglichen Standpunkte klar zu
verstehen, ein Prozeß, der für jeden weiteren
Fortschritt unerläßlich ist."
Der radikale Arbeiterabgeordnete Max ton
erkundigte sich hierauf nach der Zusammen-
setzung der Konferenz von Stresa, worauf Sir
John Simon erwiderte, daß diese Zusammen-
kunft zwischen den drei Mächten vereinbart
worden sei. Maxton wollte hierauf wissen,
ob irgendwelche Besprechungen, die in den näch-
sten 10 oder 11 Tagen stattfinden würden, die
Zusammensetzung der Konferenz von Stresa
ändern würden, oder ob es bei der ursprüng-
lichen Vereinbarung einer Dreierkonferenzblei-
Len werde. Simon antwortete: Die Zusam-
menkunft von Stresa ist eine Zusammenkunft
für die drei Mächte. Ich glaube nicht, daß es
für irgendjemand möglich ist, Mutmaßungen
darüber anzustellen, welche Ereignisse unter
Umständen hiernach eintreten.
Auf eine Anfrage erklärte Außenminister Sir
John Simon: „Ich habe nichts von irgend-
einem Vorschlag, die allgemeine Wehrpflicht in
Oesterreich einzuführen, gehört. Auch ist
bisher nichts von irgendeiner Mitteilung zwi-
schen dem Völkerbund und Oesterreich über die-
sen Gegenstand bekannt geworden.
„Weder Sieger noch Besiegte"
Ansprache Sir John Simons im Tonbild
DRV. Berlin, 28. März.
Sir John Simon hat vor seiner Abreise in
der englischen Botschaft für Fox tönende Wochen-
schau einige Worte über seinen Berliner Besuch
gesprochen. Sie lauten: „Ich spreche hier in
Berlin, nachdem ich namens der britischen Re-
gierung eine zweitägige Aussprache mit dem
Führer und Reichskanzler Hitler hatte. Es be-
reitet mir große Freude, daß es mir vergönnt
war, den Leiter des großen deutschen Volkes
persönlich kennen zu lernen. Das britische Volk
weiß nichts von Siegern und Besiegten. Es ver-
wirft alle Unterschiede der Stellung (status), es
tritt ein für die gleiche Behandlung aller Ras-
sen. Es wird all überall der Gewaltherrschaft
Widerstand leisten und es wird überall in der
Welt für Versöhnung und Freundschaft auf glei-
chem Fuße tätig sein. Ein Irrtum wäre es auf
der Stelle endgültige Ergebnisse von einem Zu-
sammentreffen zu erwarten, das lediglich der
freundschaftlichen Erkundung galt. Jedoch bin
ich überzeugt, daß die Fühlungnahme mit deut-
schen Persönlichkeiten, di« mein Ministerkolleg«

Eden und ich in Deutschland durchführen konn-
ten, dem hohen Ziel dienlich sein wird, dem das
Bemühen jeden rechtschaffenen Mannes u. jeder
rechtschaffenen Frau in Europa gewidmet sein
muß: der Erhaltung des Weltfriedens und der
Förderung verständnisvoller Beziehungen zwi-
schen den Völkern."
Sir John Simon beim König
DNV. London, 28. März. Staatssekretär des
Auswärtigen Sir John Simon wurde im Buk-
kinghampalast vom König empfangen. Di« Un-
terredung dauerte 45 Minuten. Sie galt der
Berichterstattung über die Besprechungen in
Berlin.
Eden in Moskau
DNV. Moskau, 28. März. Der Lordsiegelbe-
wahrer Eden ist am Donnerstag in Moskau
eingetroffen. Auf dem Bahnhof waren zu sei-
ner Begrüßung Vertreter der Sowjetregierung,
die Mitglieder der englischen Botschaft, die Ver-
treter der ausländischen und der sowjetrussischen
Presse erschienen. Der stellvertretende Chef des
Protokolls begrüßte Eden im Namen der Sow-
jetregierung. Am Mittag fand die erste Aus-
sprache zwischen Litwinow und Eden statt.
Außenkommissar Litwinow empfing am Don-
nerstag um 17 Uhr MEZ den englischen Lord-
siegelbewahrer Eden in Anwesenheit der Bot-
schafter Chilston und Maiski sowie des Direktors
der Völkerbundsabteilung des Foreign Office,
Strang. In zweistündiger Unterredung tausch-
ten der Volkskommissar und der britische Mini-
ster ihre Meinungen über aktuelle Fragen der
internationalen politischen Lage aus. Insbe-
sondere unterrichtete Eden Litwinow über den
Inhalt der kürzlichen Verhandlungen der briti-
schen Minister mit der deutschen Reichsregie-
rung. Wie die Taß weiter aus unterrichteten
Kreisen meldet, ist die Unterredung zwischen
Eden und Litwinow in einer äußerst freund-
schaftlichen Atmosphäre vor sich gegangen. Einst-
weilen seien keinerlei Meinungsverschiedenheiten
zutage getreten. Die Besprechung wird am
Freitagvormittag fortgesetzt.
Die EntscheidmMp in Stresa
DNB. Rom, 28. März.
Die Mailänder und Turiner Zeitungen heben
übereinstimmend hervor, daß alle Entschei-
dungen der Konferenz von Stresa Vorbe-
halten bleiben, nachdem die Berliner Bespre-
chungen keine Ergebnisse gebracht hätten, wobei
aber gleichzeitig darauf hingewiesen wird, daß
der englische Besuch in Berlin ja nur informa-
tiven Charakter hatte.
Nach „Lorriere della Sera" sieht Ita-
lien ohne Unruhe der britischen Pilgerfahrt zu.
Es verstehe, daß England eine gewiße abwei-
chende Taktik einschlagen könne. Es sei nur zu
wünschen, daß die Erkundungen der englischen
Regierung einen genügend konkreten Charakter
hätten, um einen nützlichen Faktor bei den Aus-
sprachen zu bilden. — „Popolo d' Italia"
umschreibt die umfangreichen Ausführungen sei-
nes Londoner und Pariser Korrespondenten mit
der Schlagzeile, daß bei den deutsch-englischen
Besprechungen keinerlei Annäherung erreicht
worden sei. Das Blatt kommt bei einer Auf-
zählung aller offenen Fragen wieder mit der
jetzt hier vielfach verfochtenen Behauptung, daß
Deutschland bei der Rüstung praktisch die Grenze
der Parität überschritten habe. „Gazetta
del Popolo" erklärt, man dürfe sich nicht in
Illusionen über weitreichende Abkommen wie-
gen. Die Formel laute: Nichts tun, um die
Möglichkeiten für einen allgemeinen Pakt aus-
zuschalten, aber sich trotzdem weiter auf alle Er-
eignisse vorbereiten. „Stampa" hebt hervor, daß
man in Berlin nicht von einem einzigen Pro-
grammpunkt abweichen wolle. Es ftHlten zwar

noch genaue Einzelheiten über die Berliner Be-
sprechungen, aber sicher sei, daß sich die Lage
nicht gebessert habe. Es bleibe jedoch die Hoff-
nung, daß sich Deutschland bei der internatio-
nalen Neuordnung nicht ausschließen werde.
Der „Popolo di Roma" gibt die Mei-
nung deutscher Kreise wieder und schreibt, diese
Meinung lasse sich in die beiden Worte „positi-
ves Ergebnis" zusammenfassen. Die beiden eng-
lischen Minister hätten sich überzeugen können,
daß die deutsche Politik ebenso wie die englische,
den Zweck verfolge, auf dem Weg der internatio-
nalen Zusammenarbeit den Frieden zu gewähr-
leisten. In Bezug auf die weitere Entwicklung
seien die deutschen Kreise optimistisch, besonders
auch wegen der im Kommunique erwähnten
Nützlichkeit der Berliner Besprechungen. Alles
in allem genommen, meint der Korrespondent
jedoch, sei alles so gut wie beim alten geblieben.
Die Sache des Friedens sei nur ganz wenig
vorwärts gekommen.
Politische Vrutmenvergistung
DNB. Berlin, 28. März. Die Nachricht des
„Daily Telegraph" vom 27. März 1935, wonach
j der Führer und Reichskanzler in seinen Gesprä-
chen mit den englischen Staatsmännern unter
anderem die Forderung der Rückgewinnung des
Korridors, der Angliederung der deutschsprachi-
gen Gebiete der Tschechoslowakei usw- als Pro-
grammpunkte der deutschen Politik aufgestellt
haben soll, ist in ihrem ganzen Inhalt frei er-
funden und stellt sich als eine ganz üble poli-
tische Brunnenvergiftung dar, die von deutscher
Seite auf das schärfste zurückgewiesen wird.
Eine böswillige Verdächtigung
Deutschlands
DNB. Berlin, 28. März. In der italie-
nischen Presse wollen die Verdächtigungen
nicht verstummen, Deutschland verfolge in
Abessinien besondere Interessen und hab«
Jnstruktionsoffiziere und Kriegsmaterial in
Addis Abeba angeboten. Alle diese Nachrichten
sind frei erfunden und sind in Berlin und Rom
offiziell dementiert worden. Wenn heute ein
italienisches Blatt auf diese Tendenzmeldung
zurückkommt, so kann dies nur als böswillige
Verdächtigung bezeichnet werden. Daß fremde
Jnstruktionsoffiziere in Abessinien tätig sind,
daß fremde Firmen, insbesondere franzö-
sische und tschechische Waffenfirmen, sich
um Lieferungsaufträge bemühen und daß
Schneider-Creuzot bereits Verträge über die Lie-
ferung von Eebirgsgeschützen in Abessinien zum
Abschluß gebracht hat, ist bekannt. Hierüber liest
man in der italienischen Presse allerdings kein
Wort-
Sie Sowjets und Frankreich
DNV. Moskau, 28. März. Außenkommissar
Litwinow sandte dem französischen Außen-
minister Laval ein Telegramm folgenden In-
halts:
„Ich habe von Ihrem Beschluß erfahren, nach
Moskau zu kommen und hoffe, daß dieser Be-
such ein weiterer Auftakt für eine freundschaft-
liche Zusammenarbeit der beiden Völker sein
wird und ihnen wie unsere früheren Begeg-
nungen Nutzen bringt."
Laval antwortete mit folgendem Telegramm:
„Ich danke Ihnen für Ihr herzliches Tele-
, gramm. Nach Schluß der Völkerbundsratssitzung
werde ich in Moskau eintreffen. Ich hoffe, daß
unsere neue Aussprache der weiteren Zusam-
menarbeit im Interesse des Friedens dienen
wird."
Abwertung des belgischen Franken um
25 bis 30 v. H.?
DNV. Paris, 28. März. Nach hier vorliegen-
den Meldungen aus gut unterrichteten Kreisen
beabsichtigt die belgische Regierung den belgi-
schen Franken um 25 bis 30 v. H. abzuwerte«.

Das schlechte Gewissen
der Litauer
DNV. Königsberg, 28. Marz.
Die litauischen Behörden des Memelge-
bietes haben einige Anordnungen getroffen,
die mit aller Deutlichkeit erkennen lassen, daß
man bei den zuständige« Stellen anscheinend ein
äußerst schlechtes Gewissen dem Memelgebiet
gegenüber hat und mit Unruhen rechnet.
So hat der Kriegs ko mmandant in
Memel alle Verlängerungen der Polizeistunde
zurückgezogen. Die memelländische Landespolizei
und die litauische Grenzpolizei sind seit Montag
abend in Alarmbereitschaft. Gleichzeitig
hat das litauische Direktorium Vruwelaitis die
memelländischen Polizeibeamten auf die litau-
ische Verfassung vereidigt.
Hierzu ist zu bemerken, daß die litauische Ver-
fassung nur insoweit für Las Memelgebiet Gel-
tung hat, als sie den Bestimmungen des Statu-
nicht zuwiderläuft. Die memelländischen Poli-
zeibeamten waren also nur auf die memellän-
dische Verfassung, in diesem Falle also auf das
Memelstatut zu vereidigen. Aus der Tatsache,
daß das litauische Direktorium Vruwelaitis trotz-
dem die memelländischen Polizeibeamten auf die
litauische Verfassung vereidigt, geht hervor,
wie die Litauer die autonomen Rechte des
Memelgebiets „wahren".
Ern Brief an den
litauischen Gesandten
DNB Dresden, 28. März-
Generalmajor a. D. S ch r o e d e r hat am 28.
März folgenden Brief an den Gesandten der
Republik Litauen in Berlin gerichtet:
„Ew. Exzellenz!
Im Frühjahr 1919 habe ich als deutscher Ge-
neralstabsoffizier am Aufbau des litauische«
Heeres im Verteidigungsministerium Ihres
Landes mitgearbeitet und an den anschließende«
Kämpfen gegen die Rote Armee im Führerstab
des litauischen Oberkommandos teilgenommen,
bis der Feind über die Düna zurückgeworfen
und das litauische Staatsgebiet befreit war. I«
Anerkennung dieser Tätigkeit hat mir im Juni
1928 Staatspräsident Smetona bei der zehn-
jährigen Unabhängigkeit der Republik Litauen
das Witys-Kreuz 2. Klasse mit Eichenlaub und
Schwertern und die Kriegsfreiwilligen-Tenk-
münze verliehen. Ich habe diese Auszeichnung
gerne getragen als Erinnerung an gemeinsame
Kriegserlebnisse, die mich mit befreundeten
Offizieren des litauischen Heeres verbanden.
Wenn ich nach dem Schandurteil von Kowno
diese Auszeichnungen weiter tragen würde,
müßte ich kein Ehrgefühl im Leibe haben. Ich
sende daher Ew. Exzellenz diese Auszeichnungen
zurück mit der Bitte, um Weiterleitung an die
zuständigen Stellen.
Mit der Versicherung vorzüglichster Hoch-
achtung habe ich die Ehre zu sein Ew. Exzellenz
ergebenster
gez. Schroeder.
Englische Rechtsanwälte
zum Mmeler Schandurteil
DNB. London, 28. März.
Nach einer Meldung aus Riga haben zwei
englische Rechtsanwälte zu dem Urteil gegen die
Memelländer in einem Gutachten erklärt, es
sei von politif^"n Umständen diktiert. Die bei-
den Rechtsanwälte, die den Gang des Prozesses
im Interesse der Angeklagten beobachtet haben,
sind John Lawrence, ein Sohn des sehr be-
kannten Londoner Rechtsanwalts Sir Alexander
Lawrenze, und Godfrey Norris.
Das Gutachten besagt u. a.: Die Urteile haben
wenig mit dem Veweismaterial zu tun und sind
offenbar von politischen Umständen diktiert- Di«
vier Todesurteile sind ausgesprochen worden
ungeachtet der Tatsache, daß zwei der Männer
einwandfreie Alibis nachgewiesen hatten. Gegen
den dritten wurde kein Veweismaterial vorge-
bracht, während der vierte, der 17jährige Boll,
seine eigene Teilnahme zwar zugab, aber die
anderen für unschuldig erklärte. Im äußerst««
 
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