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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 1-26)

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Nr. 51 - Nr. 60 (1. März - 12. März)
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MKMalt and Kunll / Aas ter Well ter Frau / Die LeMmidr

Pfälzer Sole

Montag, 11. März 1S3S 7v. Jahrgang / Ar. ss

Der englische Votschaster bei Aeurath
Besuch Simons voraussichtlich noch vor Ende des Monats

DNV. Berlin, 9. März.
Der Neichsaußenminister Freiherr von Neu-
rath hat Samstagoormittag den englischen
Botschafter in Berlin, Sir Eric Phipps,
empfangen.
Wie Reuter erfährt, hat der deutsche
Außenminister den britischen Botschafter empfan-
gen und ihm mitgeteilt, daß Reichskanzler
Hitler 14 Tage in Bayern verbringen werde, um
sich von seiner Erkältung zu erholen. Man
hofft jedoch, daß der Besuch Simons in Berlin
noch vor Ende des Monats stattfinden kann.
Tie Unterredung zwischen Neichsaußenminister
von Neurath und dem englischen Botschafter
am Samstag hat nach Ansicht der englischen
Sonntagspresse eine merkliche Verbesse-
rung der internationalen Atmosphäre gebracht.
Die Blätter drücken ihre Zufriedenheit darüber
aus, daß die aufgeschobene Reise Simons nun-
mehr voraussichtlich noch im Laufe dieses Monats
nachgeholt werde.
Gleichzeitig wird berichtet, der sowjetrussische
Botschafter habe am Samstag Sir Robert V an-
fit t a r d gegenüber durchblicken lassen, daß man
es in Moskau begrüßen würde, wenn Eden
seine Reise nach Moskau sobald wie mög-
l i ch antreten würde. Moskau hoffe sogar, so
schreibt der diplomatische Mitarbeiter der „Sun-
dh Times", daß der Besuch Edens schon Mitte
nächster Woche stattfinde. In politischen Kreisen
werde von der Möglichkeit gesprochen, daß die
Berliner und die Moskauer Reise etwa zur glei-
chen Zeit stattfinden würde.
Ter diplomatische Mitarbeiter des „Observer"
betont jedoch, man habe in London gehofft, daß
Simon nach Berlin fahren könne, bevor Eden die
räterussische und die polnische Hauptstadt besuche,
denn Deutschland sei die einzige europäische Groß-
macht, deren Einbeziehung in das neue Sicher-
heitssystem bisher noch zweifelhaft sei.
Es sei daher hauptsächlichstes und dringend-
stes Ziel eine Einigung mit Deutschland zu
erreichen.
Garvin erklärt im „Observer", vom Berliner
Besuch des englischen Außenministers hänge mehr
als je zuvor ab. Es sei wünschenswert, daß die
Besprechungen in Berlin in „dem' ursprünglich
beabsichtigten Geist" durchgeführt würden, ob-
wohl man zugestehen müsse, daß der Angriff des
englischen Weißbuches gegen Deutschland unklug
gewesen sei.
Scrutator schreibt in der „Sundy Times":
England müsse in erster Linie auf den Abschluß
des Luftpaktes dringen, während der Ost-
pakt nicht von unmittelbarem Interesse für
England sei.
„Sundy Tispatch" fordert: „Verbrennt das
englische Weißbuch!" In einem Artikel vertritt
Colin Braaks den Standpu. kt, England solle der
ganzen Versailler Politik absagen
und reinen Tisch in Europa schaffen. Simon
solle den deutschen Reichskanzler offen und un-
zweideutig fragen: „Welches sind die Beschwer-
den Deutschlands, welches seine Bestrebungen und
welches seine nationalen Notwendigkeiten?" Er
falle ferner die Rückgabe der von Deutschland
abgetrennten Gebiete Vorschlägen. Die Bedürf-
nisse und die Beschwerden Deutschlands seien der
vorherrschende Gesichtspunkt in der heutigen
Außenpolitik und ein Entgegenkommen sei die
Bedingung für ein Bestehenbleiben der modernen
Zivilisation.
Eine Rede Flandins
DNB Paris, 10. März.
Auf einem Festessen anläßlich der Eröffnung
der Lyoner Messe, ergriff der französische Mini-
sterpräsident Flandin das Wort. Es sei eine
unumstößliche Tatsache, so erklärte er, daß das
wirtschaftliche Wohlergehen eines Landes eng
m:t der Sicherheit und dem Frieden ver-
bunden sei. Er brauche wohl kaum daran zu er-
innern, daß dieser Friede sowohl nach außen wie
nach innen im November 1934 sehr fraglich ge-
wesen sei. Die Ermordung Les Königs von Süd-

slawien sowie die bevorstehende Volksabstim-
mung im Saargebiet hätten die Beunruhigung
noch geschürt. Die Aufrüstung Deutschlands, die
die Unterzeichner des Versailler Vertrages
machtlos gewesen seien zu verhindern, habe für
Frankreich den Eintritt in die rekrutenmageren
Jahre viel gefährlicher gestaltet. Im Dezember
sei der südslawisch-ungarische Streitfall beigelegt
worden. Im Januar habe das französisch-italie-
nische Abkommen die Kräfte des Friedens ge-
stärkt. Die Abstimmung im Saargebiet, die
durch eine Reihe deutsch-französischer Abkommen
vorbereitet worden sei, habe den Wert des Völ-
kerbundes bei der Regelung internationaler
Fragen bestätigt. Im Februar sei die Zusam-
menarbeit mit England wieder ausgenommen
worden, um die Rüstungen zu beschränken und
die gegenseitigen Sicherheitgarantien vor allem
durch ein Luftabkommen zu erleichtern. Das
seien vollendete Tatsachen. Jetzt werde es von
dem guten Willen Deutschlands ab-
hängen (?), ob der große europäische Friede auf
einer unbestreitbaren Grundlage der Gleichbe-
rechtigung verwirklicht werde.
Inzwischen halte Frankreich seine Landesver-
teidigung aufrecht. Bedeutende Kredite seien nn
Dezember für die Rüstungen verabschiedet
worden.
Im Verlaufe der Eröffnung der Lyoner Messe
ergriff auch Staatsminister Herriot das
Wort. Herriot wandte sich vor allem an den
Sowyetrussischen Botschafter und erklärte, er
glaube, daß das Abkommen der beiden großen
Länder die Hauptbedingung für den Frieden
darstelle. Im Interesse dieses Friedens wünsche
er, daß sich die Freundschaft, die Frankreich mit
Rußland verbinde, noch erweitere.
Französische Antwort
auf die deutsche Donaupaktanfrage überreicht
DNV. Paris, io. Marz.
Die halbamtliche französische Nachrichten-
agentur Havas meldet am Sonntag, daß die
französische Regierung dem deutschen Botschafter
in Paris die Antwort auf die Bitte um Auf-

DNV. Berlin, 9. März.
Der Beauftragte der Reichsregierung für Ab-
rüstungsfrage, von Ribbentrop, hat den be-
kannten Journalisten und Freund Lord Rother-
meres, Ward Price.ein Interview gewährt,
das sich mit der Wirkung der Veröffentlichung
des britischen Weißbuches auf das deutsche Volk
befaßt und das wir nachstehend wiedergeben.
Das Interview, das am Samstag in der „Darly
Mail" erschienen ist, hat folgenden Wortlaut:
Ward Price: England hat mit Bedauern
von der Unpäßlichkeit desFührers gehört. Ist
sie ernster Natur, oder steckt etwas hinter dem
Gerücht, daß sie diplomatisch sei?
Ribbentrop: Um Ihre parlamentarische
Sprache zu gebrauchen: die Antwort auf beide
Fragen ist negativ. Der Führer brachte aus dem
Saargebiet eine starke Heiserkeit mit. Aerztliche
Verordnungen veranlaßten ihn, alle Verab-
redungen abzusagen und um eine Verschiebung
des britischen Besuches zu bitten.
WardPrice: Dann ist es also nicht wahr,
daß die Verschiebung des britischen Ministerbe-
suches mit der Veröffentlichung des Weißbuches
etwas zu tun hat?
Ribbentrop: Weißbücher scheinen das
Pech zu haben, daß sie, wann immer sie auch er-
scheinen, Beunruhigung und alle möglichen

klärung über den möglichen Abschluß eines
Donaupaktes überreicht habe.
DieDienstzeitsragein Frankreich
Zn einer FraktionsfAtzung der Radikal-
sozialisten wurde Frsrtagvormittag u. a. auch
die Frage der Verlängerung der D ' e n st-
zeit behandelt. Mehrere Abgeordnete vertre-
ten den Standpunkt, eine übereilte Aussprache
über dieses Problem sei nicht zweckmäßig. Man
sollte es der Regierung überlassen, den Zeit-
punkt zu wählen, zu dem sie eine entsprechende
Vorlage in der Kammer einbringen wolle. Die
Mehrheit der Anwesenden erklärt sich für die
Beibehaltung des Grundsatzes der einjährigen
Dienstzeit, gab aber die Notwendigkeit be-
stimmter Maßnahmen für die rekrutenarmen
Jahre zu. Der Abg. Senac, der seinerzeit Be-
richterstatter über die Heeresreform war und
als sachverständig gilt, erklärte in den Wandel-
gängen der Kammer, die öffentliche Meinung
sollte sich nicht über die Dienstzeitfrage aufregen,
denn auch ohne eine Verlängerung könne man
verschiedene Maßnahmen treffen, um das
Heerespersonal bereitzustellen. Dazu verwies er
auf die bereits verabschiedeten Bestimmungen
über die Einstellung von langdienenden Berufs-
soldaten. Schon jetzt könne man daraufhin eine
beträchtliche Zunahme der Meldungen feststellen.
Im Januar 1934 hätten sich nur 701 Berufssolda-
ten gemeldet. Im Januar 1935 sei die Zahl
der Neumeldungen auf 1997 gestiegen. Zur
weiteren Förderung werde die Regierung eine
Erhöhung der Einstellungsprämien
vorschlagen. Man sollte keine übereilte
Lösung des Dienstzeitproblems vornehmen,
solange die Auswirkungen dieser Maßnahmen
noch nicht zu übersehen seien. Vielleicht würde
es überhaupt genügen, den Artikel 40 des Ge-
setzes über die einjährige Dienstzeit anzuwen-
den, der der Regierung gestattet, im Falle der
Notwendigkeit den zur Entlassung gelangenden
Jahrgang unter den Fahnen zu behalten. Auf
alle Fälle müsse ein Abweichen von dem Grund-
satz der einjährigen Dienstzeit vermieden werden.

Kombinationen Hervorrufen. Eines aber muß
ich Ihnen sagen: Niemand in Deutschland ver-
steht den Teil des Schriftstückes, der sich mit
Deutschland beschäftigt, und erst recht versteht
niemand den Termin der Veröffentlichung am
Vorabend eines britischen Besuches in Berlin.
Ward Price: Dann stimmt es also, daß
das Weißbuch in Deutschland Entrüstung her-
vorgerufen hat?
Hier antwortete Herr von Ribbentrop
sehr ernst:
„Entrüstung? Nein, vielmehr eine bittere
Enttäuschung." Denn was ist geschehen?
Als Antwort auf den versöhnlichen Geist des
englisch-französischen Communiques hat Deutsch-
land am 15. Februar an England eine freund-
liche Aufforderung zu einer freien Besprechung
des europäischen Problems ergehen lassen. In
seinem aufrichtigen Wunsch zu einer Versöh-
nung mit Frankreich und, um zu praktischen Er-
gebnissen zu gelangen, im Interesse Les Friedens
hat Deutschland Großbritannien als eine Garan-
tiemacht des Locarno-Paktes gebeten, in zwei-
seitigen Besprechungen in Berlin seine Hand zu
einer fairen Lösung des Problems zu reichen.,
Es schien ein neuer Geist, in dem diese Noten
gewechselt und in dem die Einladung von Groß-
britannien angenommen wurde, ein neuer Geist

Kundgebung der HZ
in Saarbrücken
DNB. Saarbrücken, 9. März
Ten ersten Tag der Anwesenheit Baldur von
Schirachs beschloß eine Kundgebung des Stand-
orts Saarbrücken der Hitlerjugend, zu der mehr
als 6000 Angehörige der NS-Jugendorganisatio-
nen erschienen waren.
Nach einer kurzen Ansprache des Vertreters
des Gauleiters Bürckel begann der Reichsjugend-
führer seine Rede. Er führte u. a. aus, daß die
NS-Jugend aus einer kleinen Gemeinschaft nun-
mehr im Reich zu einer 6-Millionen-Kamerad-
schaft geworden sei. Ter Weg dieser Jugend sei
bart und schwer gewesen. Allein in der Reichs-
hauptstadt habe sie fünf ihrer besten Kameraden,
und im ganzen Reiche 21 Kameraden auf dem
Altar der Nation geopfert. Heute sei die Ju-
gend das Bollwerk des deutschen Nationalsozia-
lismus. Sodann setzte sich Baldur von Schirach
mit den Angriffen auseinander, die gegen die
NS-Jugend erhoben würden, und wies die Be-
hauptung, die HI. sei gottlos oder religionslos,
scharf zurück. Wer heute mit der Jugend mrr-
schiere, der marschiere mit dem Deutschland
Zukunft. Wer aber gegen die NS-Jugend stehe,
der stehe gegen den NS-Staat. Zum Schluß sei-
ner Rede betonte Baldur von Schirach eindring-
lich den sozialistischen Grundcharakter der nal'i-
nalsozialistischen Jugend, in der der Sohn des
Gelehrten neben dem Sohn des Bauern, des Ar-
beiters und des Bankiers marschiere in einer
herrlichen Kameradschaft.
Vermählung de«
Ministerpräsidenten Göring
DNB. Berlin, 9. März. Eine uns heute zu-
gegangene Nachricht, daß der Ministerpräsident
und Reichsluftfahrtminister General Göring
sich am Donnerstag, den 11. April, mit Frau
Staatsschauspielerin Emmy Sonnemann ver-
mählen wird, ist uns auf Rückfrage bei der
Adjutantur des Ministerpräsidenten als richtig
bestätigt worden.

Tie außenpolitische Mitarbeiterin des „O e u v-
r e" hat ihrem Blatt ihren ersten Berliner Be-
richt gesandt. Sie stellt fest, daß die wirtschaft-
lichen Methoden Dr. Schachts Wunder gewirkr
hätten. Die Berichterstatterin bat ferner den
Eindruck gewonnen, daß sich Deutschland vor
einer Einkreisung nicht fürchte. Deutschland
fürchte sich überhaupt vor nichts mehr, nicht ein-
mal vor Sowjetrußland.

vertrauensvoller Beratung und freier Verein-
barung zwischen souveränen Staaten. Nur ein
solcher neuer Kurs versprach praktische Ergeb-
nisse. Und ich bin der Meinung, daß England
empfunden haben muß, wie herzlich die Begrü-
ßung dieses neuen Kurses in Deutschland war.
Das englische Weißbuch hat nun ungefähr
dieselbe abkühlende Wirkung auf diese hoff-
nungsfrohe Stimmung ausgelöst wie die
augenblickliche sibirische Kälte auf unseren
Vorfrühlung.
Daß diese im übrigen auch nicht besonders ge-
sundheitsfördernd ist, brauche ich nicht zu er-
wähnen.
Ward Price: Gegen welche Teile des
Weißbuches erhebt die deutsche öffentliche Mei-
nung Einspruch?
Ribbentrop: Es steht uns nicht an, irgend
welche Meinung über die Bedürfnisse der briti-
schen Verteidigung zu äußern. Vielleicht versteht
Deutschland besser als irgend ein anderes Land,
daß England für seine Sicherheit sorgen und in
dieser Welt der Rüstungen stark sein muß. Ls
wird auch niemand in Deutschland England für
die allgemeinen Rüstungen irgendwie verant-
wortlich machen. Allein um so weniger verstehen
wir zwei Punkte des Weißbuches, die rveder fach-
lich begründet noch politisch notwendig

Das deutsche Volk und das britische Weißbuch
Eine Unterredung von Ribbentrops mit Ward price
 
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