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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 1-26)

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Nr. 21 - Nr. 30 (25.Januar - 5. Februar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43253#0283
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WWMaft mit Kunst / Aus ter Mit ter Frau / Sir LeWmte

Pfalzer Zote

Montag, 4. Februar 1S3S

70. Jahrgang / Ar. 29

Abschluß der Londoner Besprechungen
Die Verhandlungen bis Sonntag abend ausgedehnt / Längere Unterredung Lavals mit dem italienischen Votschaster
Sonderverhandlungen Flandins über Mrtsthasts- und Finanzsragen

Oie letzte Vsttkon erenz
DNV. London, 3. Febr.
Die englisch-französische Vollkonferenz wurde
am Sonntag nachmittag um 17.30 Uhr MEZ in
Abwesenheit des Ministerpräsidenten Flandin,
der noch in Farnham Park mit Neville Cham-
berlain und Nunciman über Wirtschafte- und
Finanzfragen verhandelt, wieder ausgenommen
und bereits um 18.15 Uhr endgültig beendet.
Vor der Wiederaufnahme der. formalen Ver-
handlungen am Sonntag nachmittag herrschte in
den an der Londoner Konferenz beteiligten oder
interessierten Kreisen eine fieberhafte Tätigkeit.
Die Aussprache zwischen Laval und dem ita-
lienischen Botschafter Erandi, die um die
Mittagsstunde stattfand, dauerte fast eine
Stunde. Die Vorsprache Crandis war eine
logische Folge der zwischen England und Frank-
reich bisher erzielten Abmachungen, und es war
bereits am Samstag mitgeteilt worden, daß die
in der Hauptsache hieran interessierten Regie-
rungen um Stellungnahme und Rückäußerungen
gebeten werden würden. In englischen Kreisen
wird angenommen, daß die Unterredung zwischen
Laval und Erandi zum wesentlichen Teil der
Erörterung des geplanten Luftfahrtabkommens
sowie den Rückwirkungen der getroffenen Ver-
einbarungen auf die römischen Pakte gewidmet
war.
Der englische Außenminister Sir John Simon
wird Sonntag abend zwischen 21.15 Uhr und
22.15 Uhr eine kurze Ansprache im Rundfunk
halten.
Kurz nach 20 00 Uhr wurde die folgende amt-
liche Mitteilung über die am Sonntag be-
endeten englisch-französischen Besprechungen ver-
öffentlicht:
Der Zweck der in London erfolgten Zusam-
menkunft zwischen den britischen und französi-
schen Ministern war, den Frieden der Welt
durch engere Zusammenarbeit in einem Geiste
freundschaftlichsten Vertrauens zu fördern und
die Neigungen (tendencies) zu beseitigen, die,
wenn ihnen nicht Einhalt geboten wird, dazu
angetan sind, zu einem Rüstungsrennen
zu führen und die Kriegsgefahren zu ver-
mehren.
Mit diesem Ziel haben sich die britischen und
die französischen Minister an eine Prüfung
derallgemeinenLage gemacht. Sie nah-
men die besonders wichtige Rolle zur Kenntnis,
die von dem Völkerbund bei den kürzlichen
Regelungen gewisser internationaler Probleme
gespielt worden ist, und begrüßten die erfolg-
reichen Ergebnisse als Beweis des versöhnlichen
Geistes aller der Regierungen, die an diesen
Regelungen teilnehmen. Sie erklären ihre Ent-
schlossenheit, sowohl mit Bezug auf die Pro-
bleme ihrer eigenen Länder, als auch die des
Völkerbundes, eine Politik zu verfolgen, die von
denselben Methoden der Versöhnung und
der Zusammenarbeit eingegeben ist.
Mit Bezug auf die vor kurzem in R o m er-
zielten französisch - italienischen Vereinbarungen
haben die britischen Minister im Namen der
britischen Regierung herzlich die Erklärung be-
grüßt, durch die die französische und die italie-
nische Regierung ihre Absicht erklärt haben, die
traditionelle Freundschaft zu entwickeln, die die
beiden Nationen vereint, und haben die bri-
tische Regierung mit der Absicht der französischen
und der italienischen Regierung assoziiert, in
einem Geiste gegenseitigen Vertrauens in der
Aufrechterhaltung allgemeinen Friedens zusam-
menzuwirken-
Die britischen Minister haben die Glück-
wünsche der britischen Regiermrg zum Ab«

schluß des Abkommens von Rom über Mittel-
europa ausgedrückt und haben festgestellt, daß
als eine Folge der Erklärungen, die von der
britischen Regierung in Zusammenhang mit den
Regierungen Frankreichs und Italiens am 17.
Februar und am 27. September letzten Jahres
abgegeben worden sind, die britische Regierung
sich als unter den Mächten befindlich betrachtet,
die, wie dies in dem Abkommen von Rom vor-
gesehen ist, gemeinsam beraten werden, wenn die
Unabhängigkeit und Integrität Oesterreichs
bedroht werden.
Die britischen und französischen Minister hof-
fen, daß der ermutigende Fortschritt, der so er-
zielt worden ist, jetzt mittels der direkten und
wirksamen Mitarbeit Deutschlands
fortgesetzt wird. Sie stimmen überein, daß weder
Deutschland noch irgendeine andere Macht,
deren Rüstungen durch die Friedensverträge be-
stimmt worden sind, berechtigt ist, durch einsei-
tige Aktion diese Verpflichtungen abzuändern.
Aber sie stimmen weiter darin überein, daß
nichts zur Wiederherstellung des Vertrauens
und der Aussichten des Friedens unter den
Nationen mehr beitragen würde, als eine all-
gemeine Regelung, die frei zwischen
Deutschland und den anderen Mächten abge-
schlossen wird. Diese allgemeine Regelung würde
Vorsorge für die Organisation der
Sicherheit in Europa treffen, insbeson-
dere mittels des Abschlusses von Pakten, die frei
zwischen allen interessierten Parteien abgeschlos-
sen werden und gegenseitige Unterstützung in
Osteuropa und das System sicherstellen, das in
dem procös verbal von Rom für Mitteleuropa
angekündigt ist. Zugleich um in Uebereinstim-
mung mit den Bedingungen der Erklärung vom
11- Dezember 1932 bezüglich Gleichberechtigung
in einem System der Sicherheit würde diese
Regelung Vereinbarungen über Rüstungen im
allgemeinen Herstellen, die im Falle Deutsch-
schlands die Bestimmungen des Artikels V des
Vertrages von Versailles, die augenblicklich die
Rüstungen und bewaffneten Streitkräfte Deutsch-
lands beschränken, ersetzen würden. Es würde
auch Teil der allgemeinen Regelung sein, daß
Deutschland seinen Pbertz im Völkerbund
zwecks aktiver Mitgliedschaft wieder einnimmt.
Die französische Regierung und die Regierung
des Vereinigten Königreiches hoffen, daß die
anderen in Betracht kommenden Regierungen
diese Ansichten teilen. Im Verlauf dieser Zu-
sammenkünfte haben die britischen und franzö-
sischen Minister unter dem Eindruck der beson-
deren Gefahren für den Frieden gestanden, die
durch moderne Entwicklungen in der
Luft geschaffen worden sind und deren Miß-
brauch zu plötzlichem Luftangriff eines Landes
auf das andere führen können. Sie haben die
Möglichkeit erwogen, Vorsorge gegen diese Ge-
fahren durch eine gegenseitige regionale Verein-
barung zwischen gewissen Mächten zu treffen- Es
wird vorgeschlagen, daß die Unterzeichner sich
verpflichten, unverzüglich die Unterstützung
ihrer Luftstreitkräfte jedem unter
ihnen zu gewähren, der das Opfer eines nicht
herausgeforderten Luftangriffes vonseiten einer
der vertragsschließenden Parteien ist. Die briti-
schen und französischen Minister befanden sich im
Namen ihrer Regierungen in Uebereinstimmung
darüber, daß eine gegenseitige Vereinbarung
dieser Art für Westeuropa in weitem Maße da-
zu beitragen würde, als ein A b s ch reckungs-
mittel vor Angriffen zu wirken uüd Schutz
vor plötzlichen Angriffen aus der Luft sicherzu-
stellen. Sie haben beschlossen, Italien,
Deutschland undVelgien einzuladen, mit
ihnen zu erwägen, ob eine steche Konvention

nicht rasch abgeschlossen werden kann- Sie wün-
schen ernstlich, daß alle in Betracht kommenden
Länder anerkennen, daß der Zweck dieses Vor-
schlages ist, den Frieden zu stärken — das ein-
zige Ziel, das von den beiden Regierungen ver-
folgt wird.
Die Regierungen Frankreichs und des Ver-
einigten Königreichs erklären sich bereit, ihre
Beratungen ohne Verzug wieder aufzunehmen,
nachdem sie die Antworten der anderen inter-
essierten Mächte erhalten haben.
Flandin in Farnham park
DNV. London, 3. Febr.
Ministerpräsident Flandin ist am frühen
Sonntagmorgen nach Farnham Park in der
Grafschaft Buckinghamshire gefahren, wo er auf
dem Landsitz Sir Comer Berrys in Verhandlun-
gen mit MacDonald, Neville Chamber-
lain und Runciman den Nachmittag ver-
bringt.
Der italienische Votschaster in London,
Grandi, sprach um die Mittagsstunde bei dem
französischen Außenminister Laval im Hotel
Savoy vor, um sich über den Stand der Ver-
handlungen unterrichten zu lassen. Laval selbst
hatte bereits am Vormittag ausgedehnte telefo-
nische Gespräche mit Paris.
MerredtW Lavals
mii Amberson
DNB. Genf, 2. Februar.
Das Völkerbundssekretariat veröffentlicht über
die Besprechung des französischen Außenministers
Laval mit dem Präsidenten der Abrüstungs-
konferenz, Henderson, am Samstag folgende
Verlautbarung:
Samstag vormittag besuchte der französische
Außenminister Laval, begleitet von Massigli,
den Präsidenten der Abrüstungskonferenz Hen-
derson im Londoner Büro des Völkerbundssekre-
tariats. Die französischen Staatsmänner bespra-
chen mit Henderson die gegenwärtige Lage im
Lichte der Ereignisse, die seit der letzten Tagung
des Präsidiums der Abrüstungskonferenz einge-
treten sind und warfen dabei die Frage auf, ob
die gegenwärtigen Verhältnisse eine Acnderung
in den damals vereinbarten Richtlinien nötig
machten. Aus diesem Meinungsaustausch ging
dis Ansicht hervor, daß, da die Ausschüsse für die
Frage des Waffenhandels und der Waffenher-
stellung, die Frage des Heeresbudgets sowie für
die Ausarbeitung der allgemeinen Bestimmun-
gen einer Abrüstungskonvention (einschl. der
Einsetzung einer ständigen Abrllstungskommission
und der Regelung der Kontrollfrage) in den
nächsten Wochen zusammentrsten werden, kein
Grund vorliege, das gegenwärtige Verfahren zu
ändern.
Der französische Außenminister Laval nahm
am Sonntag abend zusammen mit Lordsiegelbe-
wahrer Eden und Sir Austen Chamber-
lain das Abendessen im Hotel Savoy ein.
Seine Abreise wird voraussichtlich am Montag
morgen erfolgen.
Zusammentritt des Dreier-Ausschusses
am Dienstag in Rom
DNV. Nom, 2. Febr. Der Dreier-Ausschuß für
dieSaarfrage tritt am nächsten Dienstag in
Rom und nicht, wie ursprünglich geplant, in
Neapel zur Ausarbeitung seines Schlutzbe-
richtes an den Völkerbundsrat zusammen.
Der Bericht muß bekanntlich bis zum 15. Febr.
iv Genf vMisgek.

Am Deutschlands
Gleichberechtigung
Wachsende Erkenntnis in England
DNB. London, 3. Febr.
Zu den mittelbaren Folgen des Besuches der
französischen Minister in London gehört unzwei-
felhaft die Erkenntnis in weiten englischen Krei-
sen, daß ohne Beteiligung Deutschlands als
gleichberechtigter Partner keine Lösung der
augenblicklichen politischen Schwierigkeiten in
Europa gefunden werden kann. Es wird in
einem Blatt wie der „Observer" von Garvin
die Forderung erhoben: „Das Nächste ist,
mit Berlin zu verhandel n". In welchem
Sinne dies verstanden wird, geht klar aus den
folgenden Sätzen hervor: Drei wesentliche Punkte
müssen wir dabei berücksichtigen, erstens müssen
wir aufhören, auf den Sturz des nationalsozia-
listischen Regimes zu rechnen, zweitens müssen
wir Hitler fragen, ob er bereit ist, sich einer all-
gemeinen Bürgschaft des „territorialen Status
-a für den beschränkten Zeitraum
von zehn oder sieben oder selbst fünf Jahren an-
zuschließen. Tas Poincaro-Benesch-Shftem be-
waffneter Aufsicht sei zufammengcbrochen und
nur seine Trümmer seien noch übrig. Die deut-
sche Nation müsse genau dasselbe Recht haben,
seine Politik und seine Rüstungen nach eigenem
Ermessen zu formen, frei von jeder Bevormun-
dung oder Einmischung, wie Amerika, Großbri-
tannien, Frankreich, Italien, Sowjetrußland oder
Japan.
„Sunday Times" fordert, daß e:n Lust-
bündnis zwischen Frankreich und Großbri-
tannien auch Deutschland oder anderen Nachbar-
staaten offensteht. Hier sei nicht nur die Aussicht
einer Gleichberechtigung für Deutschland, sondern
eines gleichberechtigten Bündnisses Deutschlands
mit Großbritannien und Frankreich gegeben.
Die Forderungen Angarns
Eömbös über die mitteleuropäischen Verhand-
lungen
DNB. Budapest, 1. Febr. Ministerpräsident
Gömbös machte dem Vertreter des ungari-
schen Telegraphen-Korrespondenzbüros Ausfüh-
rungen über die bevorstehenden mitteleuropäi-
schen Verhandlungen. Er erklärte u. a., dis
ungarische Regierung habe ihren Standpunkt
bereits festgelegt. Er habe in seiner Rede in
Szolnok die Bedingungen dargelegt, die sich die
Ungarischs Regierung bei den Verhandlungen
vor Augen halten wolle. Bei den kommenden
Verhandlungen werde die ungarische Regierung
die Bedingungen anführen, unter denen sie an
dem Zustandekommen des großen Werkes des
Friedens und der Konsolidation Mitteleuropas
mitzuwirken bereit sei. Die ungarische Regie-
rung werde die Möglichkeit einer friedlichen Er-
ledigung der Eebietsrevision zum Gegen-
stand einer Besprechung machen, um den Natio-
nen Europas die unhaltbare Lage vor Augen
zu führen, die die naturwidrige Regelung der
Grenzsragen in Mitteleuropa mit sich gebracht
habe. Weiter werde sie die Forderungen zum
Ausdruck bringen, die sich auf den Schutz der
Minderheiten und aus die praktische Ver-
wirklichung der vollen Gleichberechti-
gung bezögen. Diese Rechte entsprängen aus
den Friedensverträgen. Die ungarische Regie-
rung werde sich noch vor Beginn der Verhand-
lungen mit dem einen oder dem anderen inter-
essierten Staat ins Einvernehmen setzen. Bei
den kommenden Verhandlungen werde das Schick-
sal des Karpathenbeckens, des Donautals und
damit auch Ungarns, vielleicht auf Jahrzehnte,
entschieden werden. Unter solchen Umständen sei
es wichtig, daß die die Außenpolitik leitende
RsgiEmg dis ganze Nation hinter ftch Wiste.
 
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