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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 1-26)

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Nr. 71 - Nr. 76 (25. März - 30. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43253#0739
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MlrMM und Kun» / Aus drr MU der Frau / Sie LMtuade

Pfälzer Sole

Samstag, 30. Mürz 1935

70. Jahrgang / Ar. 76

Abwertung der belgischen Währung
Die neue belgische Regierung fordert den politischen Burgfrieden zur Durchführung

DRV. Brüssel, 29. Marz.
9« der Kammer verlas Freitag vormittag
Ministerpräsident van Zeeland die von der
Oeffentlichkeit mit größter Spannung erwartete
Erklärung der neuen Regierung. Vor dem Par-
lament war schon eine Stunde vor Beginn der
Sitzung ein Andrang, wie man ihn seit Zähren
nicht mehr erlebt hat. Die Tribünen waren
LLerfüllt. Die Diplomatenlogen wiesen starken
Besuch auf.
Der Ministerpräsident stellte seinen Ausfüh-
rungen die Erklärung voran, daß Belgien
gezwungen sei, die augenblickliche Gold«
Parität des Belga zu ändern.
Die gesetzlichen Verpflichtungen über die Ein-
lösung der Banknoten durch die Nationalbank
würden aufgehoben. Belgien bleibe dem Grund-
satz der Goldwährung treu und wünsche, datz der
Goldstandard unverzüglich wiederhergestellt
werde unter Bedingungen, die ein internatio-
nales Funktionieren gewährleisteten. Belgien
werde sich mit allen Mitteln bemühen, den Ab-
schluß eines internationalen Abkommens zu be-
schleunigen, durch das die wichtigsten Währun-
gen von neuem auf der Grundlage des Goldes
stabilisiert werden sollen. In Erwartung dieser
Eventualität ersuche die Regierung das Parla-
ment um die Ermächtigung, sich dem Goldstan-
dard wieder anzuschlietzen auf der Grundlage
eines Paktes, dem die anderen großen Länder
der Welt beizutreten hätten, und zwar auf neuem
Niveau, das nicht dem heutigen entspräche, das
aber keinesfallsniedriger als30v. H.
des gegenwärtigen Standes sein könne. Vis a-
hin werde die Stabilität des Belga im Aus-
land« von der Nationalbank gesichert, die durch
Vermittlung eines zu schaffenden „Egalisations-
fonds" die Käufe und Verkäufe tätigen werde zu
einem Kurs, der vom belgischen Ministerrat nach
vorherigem Anhören der Nationalbank festgesetzt
werde.
Zm zweiten Teil der Regierungserklärung
entwickelte Ministerpräsident van Zeeland ein
Programm, das sich, wie er erklärte, die voll-
kommene wirtschaftliche Erneuerung Belgiens
zum Ziele gesetzt hat. Die einzige und wirkliche
Methode, um zu einer Aufsaugung der Arbeits-
losigkeit zu kommen, sei die wirtschaftliche Ex-
pansion.
Das Programm sieht u. a. vor: Einführung
einer Bankkontrolle,- Senkung der Produktions-
kosten durch Erleichterung der öffentlichen Lasten,
Steuern und sämtlicher Abgaben, die die Wirt-
schaft belasten; Reorganisation des Rentenmark-
tes; Durchführung eines großen Programms
öffentlicher Arbeiten und anderer Maßnahmen
zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, insbeson-
dere zur Beschäftigung der jugendlichen Arbeits-
losen; Sicherung des Reallohnes, wobei eine
Anpassung der Löhne an eine mögliche Steige-
rung der Kleinhandelspreise vorgesehen ist;
schrittweise Organisation der Wirtschaft nach dem
Verufsgruppenprinzip; Liquidierung ungesunder
Wirtschaftsunternehmungen und Förderung der
Industrien, die sich der Herstellung solcher Er-
zeugnisse widmen, die Belgien infolge seiner
Absperrung von den ausländischen Märkten künf-
tig nicht mehr aus dem Auslande beziehen will.
Zur Außenhandelspolitik wird in
der Regierungserklärung betont, daß Belgien
nicht zögern werde, sich das System der Präfe-
renzabkommen zu eigen zu machen, wenn dieses
den belgischen Interessen entspreche, ohne daß
Belgien damit allerdings auf seine vollständige
wirtschaftliche Unabhängigkeit verzichte. Belgien
werde seine Stützpunkte in dem großen Wirt-
schaftssystem der Welt suchen.
Zum Schluß des wirtschaftspolitischen Teiles
der Regierungserklärung erfolgte die Ankündi-
gung, daß die Regierung entschlossen sei, Sow-
jetrußland anzuerkennen, um zu einer

der wirtschaftlichen Sanierung
Verstärkung der Wirtschaftsbeziehungen der bei-
den Länder zu gelangen.
Die Einzelheiten des Wirtschaftsprogramms
sind in zwei Gesetzesentwürfen niedergelegt, die
die Regierung bereits in der Kammer einge-
bracht hat.
Kurz, aber sehr entschieden, ist der politi-
sche Teil der Regierungserklärung. Darin
verlangt die Regierung eine
Verlängerung der Sondervollmachten um
ein ganzes Jahr. Das Parlament wird auf-
gefordert, sich bis zu einem von der Regie-
rung noch zu bestimmenden Termin zu ver-
tagen.
Für die Durchführung des Regierungspro-
gramms müsse, so heißt es in der Erklärung
weiter, die Stabilität der Regierung für min-
destens ein Jahr gesichert werden. Die Regie-
rung sei bereit, in der Zwischenzeit mit den

großen Kommissionen des Parlaments zusam-
menzuarbeiten und sie gegebenenfalls um ihren
Rat zu bitten.
Die Regierung müsse darauf bestehen, datz das
Parlament schleunigst den von der letzten Regie-
rung eingebrachten Haushalt verabschiede.
Dieses Kabinett, das einzig und allein zur Wie-
deraufrichtung der Wirtschaft gebildet worden
sei, werde sich nicht mit irgendwie par-
teipolitischen Fragen beschäftigen.
Außenpolitisch werde die bisherige Hal-
tung Belgiens fortgesetzt. Die Außenpolitik müße
unter den augenblicklichen Umständen noch mehr
als bisher auf die Verstärkung der St-
cherheitsbürgschaften und die Festigung
des Friedens gerichtet sein. Zn allen Fragen
der Innenpolitik, besonders auf dem Gebiete der
Sprache, der Schule und des Militärs, werde
durch einen Burgfrieden zwischen den Parteien
der jetzige Zustand ausrecht erhalten werden.

ZukunfismöglLchketten
(Von unserm Berliner Vertreter)
Sir John Simon hat Wert darauf gelegt,
unmittelbar nach seiner Ankunft in London
den englischen Kabinettschef über das Ergebnis
der Berliner Gespräche sofort zu informieren.
Daraus geht einmal hervor, daß die Erwartun-
gen, die man auch englischerseits an die Deutsch-
landfahrt geknüpft hat, erfüllt sind. Zum ande-
ren geht daraus hervor, daß im Endergebnis die
Berliner Besprechungen vielleicht doch über den
Charakter einer bloßen gegenseitigen Informa-
tion hinausgegangen sind, sodaß die sofortige
Rücksprache des englischen Außenministers mit
MacDonald geboten erschien.
Man konnte es schon am Dienstag nachmittag
in Berlin aus englischen Kreisen hören, daß sich
Mitglieder der englischen Delegation sehr be-
friedigt ausgesprochen hatten, und der Wieder-
hall davon war ja schon in der englischen Press«
zu lesen gewesen. Wenn zwei Parteien sich in
Verhandlungen darüber klar werden wollen,
was in Zukunft einmal werden soll, dann müs-
sen sie zunächst einmal voreinander rückhaltlos
aussprechen, was j etzt ist und welche Folgerun-
gen jede Partei aus der gegenwärtigen Lage
ziehen will. Das ist in dem insgesamt zwölf-
stündigen Frage- und Antwort-Spiel in Berlin
ausgiebig geschehen, und wenn die englischen
Vertreter mit der Ueberzeugung von Berlin ab-
reisten, daß der Zweck ihrer Reise erfüllt sei,
dann kann das nicht ohne Einwirkung auf die
zukünftigen Verhandlungen bleiben,
mögen diese nun in Stresa, in Genf oder sonst-
wo stattfinden-
Es wäre falsch, wollte man eine vermeintliche
Magerkeit des letzten Berliner Commu-
niqu 6 s bemängeln. Aus dem Ausdruck „bei-
derseitige Auffassungen" geht hervor, daß beide
Parteien bei dem Standpunkt, den jede für sich
während der Besprechungen einnahm, geblieben
sind, was noch nicht besagt, datz sich nicht einmal
später ein gemeinsamer Nenner für beide Auf-
fassungen finden ließe, wenn in maßgeblichen
englischen Kreisen einmal die Ueberzeugung von
der Unmöglichkeit der bisherigen
Behandlung Deutschlands in Sonder-
heit durch Frankreich Gemeingut geworden
ist. Zunächst steht dieser Möglichkeit freilich
noch die frankophile Gruppe im britischen
Außenministerium entgegen. Die Bedeutung des
Berliner Schlußcommuniquös aber scheint uns
in den beiden Sätzen nach jenem Ausdruck zu
liegen. Man kann ohne weiteres annehmen,
daß die sehr bestimmt stilisierte Friedens-
formel nicht ohne Absicht von den englischen
Unterhändlern gerade in diesem Wortlaut zu-
sammen mit den deutschen Staatsmännern aus-
gegeben wurde. Wenn die Engländer feststellen,
daß „beide Regierungen" eine Friedenspolitik
befolgen, so machen sie sich damit die wieder-
holten deutschen Friedensversicherungen inhalt-
lich zu eigen und bestätigen sie. Es bedarf die-
ser Bestätigung gewiß nicht für uns Deutsche.
Zweifellos aber ist diese Bestätigung an die
Adresse Frankreichs gerichtet, das noch
heute entgegen allen Tatsachen hüben und drü-
ben nichts Besseres zu tun weiß, als die deutsche
Friedenspolitik durch die französische Presse und
die Reden französischer Staatsmänner fortge-
setzt verdächtigen zu lassen. Wenn ferner die
englischen Minister, wie es in dem nächsten Satz
heißt, genau wie ihre deutschen Kollegen „von
der Nützlichkeit der direkten Aussprache durch-
drungen" sind, dann deutet diese Formel zwei-
fellos darauf hin, daß die Besprechungen in ge-
wisser Beziehung wohl auch ein praktisches Er-
gebnis gehabt haben.
Aus alle Fälle ist die Berliner Zusammen-
kunft ein sehr eindringliches Beispiel dafür, datz
es bei gutem Willen von beiden Seiten nichts
Leichteres gibt, als sich miteinander zu ver-
nünftiger Aussprache an den runden Tisch zu
setzen. Auch daran kann man nicht zweifeln,
daß die Engländer die Berliner Besprechungen
als ein praktisches Experiment an-
sahen, das sie zu Belehrungszwecken und als

Rückkehr der Madeirafahrer
7 Millionen Arbeiter sollen jährlich reisen

DNV. Bremerhaven, 29. März.
Nach lOtögiger Fahrt nach Portugal und
Madeira kehrten am Freitagfrüh die 3000 Volks-
genossen aus allen deutschen Gauen mit den
„Kraft durch Freude"-Schiffen „Der Deutsche",
„St. Louis" und „Oceana" in die Heimat zurück.
Während die „St- Louis" und die „Oceana" ihre
Fahrgäste nach Hamburg brachten, lief der
Dampfer „Der Deutsche" des Nordd. Lloyd mit
seinen 937 „Kraft durch Freude"-Fahrern seinen
Heimathafen Bremerhaven an, wo Reichsorga-
nisationsleiter Dr. Ley, der mit dem Flug-
zeug von Berlin nach den Unterweserstädten ge-
eilt war, die Urlauber auf deutschem Boden will-
kommen hieß.
Auf dem Promenadendeck, auf dem alle Urlau-
ber sich versammelt hatten, hielt der Reichsorga-
nisationsleiter eine herzliche Begrüßungsan-
sprache: „Ich möchte, so sagte er, Sie herzlich
auf deutschem Boden willkommen heißen. Als
ich nach Hause kam von unserer wunderbaren
Fahrt, habe ich gesehen, wie das ganze Volk vom
Führer bis zum Jüngsten daran Anteil nahm.
Ich kann Ihnen die Grüße des Führers
bringen, mit dem zusammen ich gestern abend
den wunderbaren Parteitagfilm gesehen, wo wir
noch einmal das neue Deutschland erlebten. Wir
wollen dankbar und stolz sein über das, was wir
in der Fremde erleben und sehen durften. Gehen
Sie nun wieder ans Werk zu Ihren Betriebs-
gefolgschaften und erzählen Sie ihnen, wie das
neue Deutschland in der Welt wieder geachtet
und geehrt wird. Ich hoffe, daß Sie den Geist,

Sitzung desReichskabineiiS
Bericht des Führers über die Verhandlungen
mit den englischen Ministern
DNV Berltn, 29. März.
Vor Beginn der heutigen Kabinettssitzung gab
derFUhrer und Reichskanzler in einer Mini-
sterbesprechung einen eingehenden Bericht über
die mit den englischen Ministern geführten poli-
tischen Verhandlungen.
Das Reichskabinett beschäftigte sich alsdann
vorzugsweise mit dem Reichshaushalt für
1935, der nach dem Vorschlag des Reichs-
finanzministers nach eingehender Erörterung an-
genommen wurde. Mit Rücksicht auf den noch
nicht endgültig feststehenden Ausgabenansatz,
zum Beispiel für die bisherigen auf das Reich
übergegangenen Länderjustizverwaltungen und
für das Saargebiet, kann eine endgültige Ge-
samtsumme für den Reichshaushalt noch nicht
festgestellt werden.
Ferner verabschiedete das Neichskabinett ein
drittes Gesetz zur Aenderung des Ge-
meindeumschuldungsgesetzes, wodurch

den Sie hier an Bord gepflegt haben, den Geist
echter und unbedingter Kameradschaft, als kost-
bares Gut in Ihren Herzen bewahren."
Dr. Ley schloß mit herzlichem Dank an Adolf
Hitler, der das neue Deutschland wieder zu seiner
jetzigen Größe aufgebaut habe, und mit einem
dreifachen Siegheil auf den Führer. — Spontan
sangen die Urlauber das Deutschland- und Horst-
Wessellied.
In der Eesellschaftshalle des Schiffes gaben
dann einzelne Volksgenossen kurze begeisterte
Bilder ihrer Erlebnisse während der herrlichen
Seefahrt nach Madeira durch den Rundfunk.
Anschließend begleitete Dr. Ley die Urlauber
nach dem Columbus-Bahnhof, wo sie mit einem
Sonderzug nach Bremen weiterfuhren und von
dort aus die Weiterfahrt in die Heimat an-
traten.
In einer Betrachtung über die Madeira-
Fahrt der deutschen Arbeiter erklärt Reichsorga-
nisationsleiter Dr. Ley, daß diese Reise ein un-
erhörter Erfolg für Deutschland gewesen sei. In
einigen Jahren wird es, wie Dr. Ley erklärt,
bestimmt sieben Millionen Menschen
möglich sein, einen Urlaub von zehn Tagen zu
verleben. Das ist die Hälfte der Industriearbei-
terschaft Deutschlands, sodaß dann jedes zweite
Jahr jeder Arbeiter eine Urlaubsreise machen
kann. Während in diesem Jahre drei Schiffe
nach Madeira fuhren, wird es im nächsten Jahre
eine Flotte von sechs Schiffen sein.

die noch verbliebenen ungeregelten Verbindlich-
keiten der Gemeinden bereinigt werden, sowie
ein Gesetz über die Regelung des Landbe-
darfsderöffentlichenHand, durch das
eine Neichsstelle für diese Zwecke errichtet wird,
die dem Reichskanzler unmittelbar untersteht.
Durch ein besonderes Gesetz wird die Landbe-
schaffung für Zwecke der Wehrmacht noch im
einzelnen geregelt.
Angenommen wurden zwei Aenderungen des
Besoldungsgesetzes, sowie schließlich ein
Reichsgesetz über den Zweckverband
Reichsparteitag Nürnberg.
Großstadt Dessau
Mit Roßlau vereinigt
Dessau, 29. März. Der Gemeinderat von Roß-
lau beschloß am Donnerstag das Aufgehen der
Stadtgemeinde Roßlau in die große Nachbar-
stadt Dessau. Dessau hat nach dieser Eingemein-
dung über 100 000 Einwohner und wird dadurch
zur Großstadt. Da an der sofortigen Genehmi-
gung durch die anhaltisch« Staatsregierung nicht
zu zweifeln ist, kann die Eingemeindung von
Roßlau in die Stadt Dessau als vollzogen gelten.
 
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