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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 1-26)

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Nr. 21 - Nr. 30 (25.Januar - 5. Februar)
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WWMast und Kunst / Aus der Mit der Frau / Sie LeMunde

Pfälzer Note

Dienstag, S. Februar 1935

70. Jahrgang / Rr. 30

Deutschland und die Londoner Besprechungen

Das Londoner Programm
Em Kommentar der Deutschen diplomatischen
Korrespondenz
DNB Berlin, 4. Febr.
Die Deutsche diplomatisch-politische Korre-
spondenz schreibt unter der lleberschrift „Das
Londoner Programm" zur Londoner Verlaut-
barung u. a.:
Die Londoner Verlautbarung umreißt ein
großzügiges Programm zur gemeinsamen Rege-
lung der Rüstungs- und Sicherheits-
fragen in Europa, speziell in der Mitte und
im Westen des Erdteils- Sie stellt zwei Ge-
sichtspunkte voran, die auch in Deutschland ein
lebhaftes Echo finden werden, weil sie stets eine
Hauptsorge der deutschen Politik gewesen sind:
Vermeidung des Wettrüstens und Ausschaltung
von Kriegsverfahren. Zu den Londoner Be-
ratungsgegenständen, die iu Vorbesprechungen
eingehend vorbereitet wordep waren, gehört
wiederum die zum Ueberdruß oft erörterte
Zweiheit:
Gleichberechtigung und Sicherheit.
Es war nicht mehr möglich, hierzu neue Gedan-
ken zu formulieren. Man wird erst nach ein-
gehender Prüfung der Londoner Beschlüsse mit
Bestimmtheit sagen können, welche Trag-
weite und welchen inneren Zusammen-
hang die verschiedenen Punkte nach Ansicht
ihrer Urheber haben sollen. Wichtig ist aber
schon jetzt, daß von einer allgemeinen
Regelung, die frei zwischen Deutschland
und den übrigen interessierten Mächten verein-
bart werden soll, die Rede ist. Was die
Rüstungsfrage betrifft, so erinnert auch die
Londoner Verlautbarung an das römische Kom-
munique vom 7. Januar, worin festgestellt
wurde, daß eine einseitige Aenderung vertrag-
licher Rüstungsbeschränkungen unzulässig sei.
Anscheinend ist aber nicht beabsichtigt, hier-
mit eine unfruchtbare theoretische Diskussion,
wie sie jahrelang geführt wurde, neu zu be-
leben- Deutschland hat im Einklang mit
dem Versailler Vertrag seine einseitige Entwaff-
nung immer «als Vorleistung in Erwartung
einer allgemeinen Abrüstung betrachtet. Heute
im vierten Jahre des Bestehens der schon mit
reichlicher Verspätung einberufenen Genfer Ab-
rüstungskonferenz muß leider festgestellt werden,
daß sich die allgemeine Abrüstung zu einer Uto-
pie Verflüchtigt hat. Die Grundlage der Ver-
sailler Rüstungsregelung sind an der Macht der
politischen Gegebenheiten zerbrochen. Deshalb
ist das Wesentliche und Wertvolle an dem Lon-
doner Programm der
Wille zur Rüstungskonvention,
der diesmal nicht nur von England, sondern auch
von Frankreich bekundet wird. Um dieses wich-
tige Ziel zu erreichen, darf in der Tat den Be-
teiligten keine Anstrengung zu groß, kein Ent-
schluß zu schwer sein- Auch Deutschland fühlt
sich mitverantwortlich und ist bereit, mitzu-
arbeiten, damit der Weg einer wirklichen
und wirksamen Verständigung gegen den
Rüstungstaumel und die damit verbundenen Ge-
fahren gefunden wird.
England hat Lei den Londoner Verhandlun-
gen ein großes Maß von Bereitschaft zu prak-
tischer Mitarbeit gezeigt. Gewiß muß die end-
gültige Gestalt der beabsichtigten Vereinbarun-
gen noch unter Mitwirkung aller Interessierten
festgesetzt werden. Wichtig und interessant ist
aber die solidarische Haltung Englands gerade
auch in der Frage der Aktivierung von Locarno,
die durch ein
besonderes Luftabkommen der Locarnostaaten
erreicht werden und in Europa die Gefahr eines
Zusammenstoßes der großen Luftmächte ver-
ringern soll. Der Geist von Locarno, d. h. die
fruchtbare Beschränkung auf klare Eventualitä-
ten sollte auch für die Verhandlungen über di«

Sicherheit anderer Teile Europas rich-
tunggebend sein. Dann wäre ein Ausgangs-
punkt gewonnen, um greifbare und ausgegli-
chene Ergebnisse zu erlangen.
Im „Völkischen Beobachter" widmet
Alfred Rosenberg dem amtlichen Kommunique
über den Inhalt der Londoner Besprechungen
einen Leitaufsatz, in dem es u. a. heißt:
Begrüßenswert ist, wenn die britisch-französi-
schen Minister der Anschauung sind, jetzt eine
direkte und wirksame Zusammenarbeit mit
Deutschland anzustreben. Wir sind sogar der
Ueberzeugung, daß es vielleicht zweckmäßi-
ger gewesen wäre, über Deutschland nicht erst
in Rom und London zu verhandeln, sondern sich
amtlich und unmittelbar über die deutsche
Auffassung auszusprechen, sonst könnte nämlich,
wenn das so weitergeht, in der ganzen Welt der
sehr positive Eindruck entstehen, als ob hier tat-
sächlich nicht eine Zusammenarbeit, sondern von
gewisser Seite eine Ausschaltung Deutschlands
angestrebt wird mit dem Ziele einer Einkrei-
sung des Deutschen Reiches, nachdem man sei-
nen Abrüstungsverpflichtungen 15 Jahre nicht
gefolgt ist. Wenn die Minister der beiden Staa-
ten darin übereinstimmen, daß niemand berech-
tigt sei, die durch die Friedensverträge
festgelegten Rüstungen durch einseitige Aktionen
zu ändern, so sind wir damit durchaus einver-
standen. Es fehlt dann aber doch der Hinweis
darauf, daß eben die in Frage kommenden zur
Abrüstung verpflichteten Staaten diese Aen-

DNB. London, 4. Febr.
Im Unterhaus erhob sich am Montag
nachmittag der Führer der Opposition, Lams-
bur y , um eine Frage über die englisch-franzö-
sischen Besprechungen zu stellen. Bevor Simon
erwidern konnte, ergriff das konservative Mit-
glied Han non das Wort und wies auf die
„große Verwirrung" hin, die in der englischen
Öffentlichkeit am Sonntag früh durch die Mel-
dungen der Sonntagspresse entstanden seien und
fragte, Simon in Schutz nehmend, ob es nicht
angemessen gewesen sei, dem Land gegenüber
eine klare Mitteilung zu machen.
Der Staatssekretär des Aeußern,
Sir John Simon,
betonte ebenfalls in seiner Antwort, daß eine
Anzahl irreführender Mitteilungen über den
Charakter der amtlichen Mitteilung im Umlauf
gewesen seien. Simon wies darauf hin, daß der
Wortlaut der allgemeinen amtlichen Mittei-
lung, die die Ergebnisse der Besprechungen zwi-
schen den britischen und französischen Ministern
enthalte, soeben in einem Weißbuch veröffent-
licht worden sei. Dieses enthalte einen vollstän-
digen Bericht über die Besprechungen, die er-
zielten Schlüsse (conclufions) und die Anregun-
gen, die zur weiteren Erwägung gestellt wor-
den seien und er könne zweckdienlicher Weise die-
sen Bericht im gegenwärtigen Augenblick nicht
ergänzen.
Simon bemerkte: „Das Haus mutz wissen, daß
Schritte unternommen worden sind, be-
vor die amtliche Verlautbarung veröffentlicht
wurde, um die anderen Locarno-Regierungen
über die Richtung unserer Erörterungen zu
unterrichten und darzulegen, wie die amtliche
Mitteilung dies andeutet, daß wir sie jetzt ein-
laden, sich uns und der französischen Regierung
in gleichberechtigter Beratung an-
zuschließen. Ich möchte bezüglich des Pla-
nes zur Schaffung eines Abschreckungsmittels
gegen einen nicht herausgeforderten Luftan-
griff in Westeuropa hinzufügen, daß zwischen

derung bereits einseitig dadurch vorgenommen
haben, daß sie nicht abgerüstet, sondern in riesi-
ger Form ausgerüstet haben. Hier liegt also
bereits seit Jahren eine einseitige Abänderung
vor, und deshalb können diese Staaten sich nicht
etwa zu Richtern aufwerfen, falls ein Staat im
Laufe der Jahre gezwungenermaßen auch zur
Ueberlegung gekommen sein sollte, in irgend-
einer Form eine Aenderung auch seines Vertei-
digungszustandes anzustreben. Auch wir sind der
Ueberzeugung, daß eine allgemeine Rege-
lung, die frei zwischen Deutschland und den
anderen Mächten abgeschlossen wird, einen be-
deutenden Fortschritt darstellen könnte,
wenn die Gleichberechtigung von beiden
Seiten von vornherein garantiert erscheint. Das
ist die Voraussetzung, unter der eine Un-
terhandlung allein fruchtbringend sein kann, und
die Besprechung dieser Grundfrage kann nicht
unmittelbar vermengt werden mit Fragen, die
andere politische Probleme betreffen. Aus diesem
einen Gesichtspunkt der klar anzuerkennenden
deutschen Gleichberechtigung kann sich dann — so
hoffen wir — das erstrebte „System der
Sicherheiten" ergeben, und daß der Teil V
des Vertrages von Versailles hiermit schon so-
wohl von England als auch von Frankreich
preisgegeben wird, erscheint uns als ein doch zu
Hoffnungen berechtigendes Anzeichen dafür,
daß man nunmehr auch der deutschen Ver-
teidigung das Recht zusprechen will, sich so
zu gestalten, wie es dis offenen deutschen Gren-
zen erfordern.

den französischen Ministern und uns vereinbart
worden ist, daß, wenn der Plan angenommen
wird, unsere eigene Verpflichtung sich nicht auf
Fälle ausdehnen würde, die über die Art von
Fällen hinausgeht, die bereits durch die Locarno-
Verpflichtungen vorgesehen f.2."
Lansbury fragte hierauf, ob Simon irgend-
welche Informationen über den Standpunkt be-
sitze, den die deutsche Negierung gegen-
über dieser vorgeschlagenen Abmachung wahr-
scheinlich einnehmen würde, und zweitens, wann
das Unterhaus ohne Beeinträchtigung der Ver-
handlungen in der Lage sein würde, den Plan
zu erörtern, da sehr viele Fragen bezüglich dieses
Planes beständen-
Simon erwiderte: „Was den ersten Teil der
Frage betrifft, so würde es zu früh sein, eine
endgültige amtliche Antwort zu erwarten.
Auf den zweiten Teil der Anfrage Lansburys
antwortete MacDonald, indem er bemerkte,

Der englische und französische
Botschafter heim Führer
DRV Berlin, 4. Febr. Der englische Botschaf-
ter Sir Eric Phipps erschien am Sonntag
mittag beim Reichsautzenminister Frhr. von
Neurath und übermittelte ihm den vorläufigen
Text des englisch-französischen Kommuniques.
Der Reichsautzenminister meldete dann den eng-
lischen Botschafter auf seinen Wunsch für den
Abend beim Führer an- — Auch der französische
Botschafter Francois-Poncet äußerte den
Wunsch nach einer Unterredung mit dem Füh-
rer.' Frhr. von Neurath begab sich darauf am
Sonntag abend mit dem englischen und dem
französischen Botschafter zum Führer. Am Abend
übergab dann der englische Botschafter dem
Reichsautzenminister das endgültige Londoner
Kommunique.

es sei ganz klar, daß eine Aussprache im Unter-
haus stattfinden müsse, „über das, was gestern
getan worden ist und was infolge dieses Be-
schlusses folgen mag."
Unter dem Beifall des Unterhauses beglück-
wünschte hierauf der Führer der liberalen Oppo-
sition im Unterhaus, Sir Herbert Samuel,
den Staatssekretär des Aeußern „zu dem bisher
erzielten Matz der Vereinbarungen" und drückte
die Hoffnung aus, daß diese zu nützlichen Ergeb-
nissen führen werden. Er forderte Simon auf,
eine Versicherung abzugeben, daß die Verfolgung
der in der amtlichen Mitteilung enthaltenen
Ziele nicht zu einem Nachlassen der Bestrebun-
gen der Regierung führen werde, ein allge-
meines Abrüstungsabkommen herbei-
zuführen, „für die diese Vorschläge natürlich kein
Ersatz sind."
Simon erwiderte: „Im Namen der Regierung
zögere ich nicht, diese Versicherung zu geben-
Damit waren die Erörterungen beendet.
Beginn der
Stillhaltebesprechungen
DNB. Berlin, 4. Febr. Unter dem Vorsitz von
Frank C. Tiarks (England) haben in Berlin die
Besprechungen zwischen den Vertretern der aus«
ländischen Stillhaltegläubiger und der deutschen
Schuldner begonnen. Die Verhandlungen er-
strecken sich auf die Verlängerung des deutschen
Kreditabkommens von 1934. Heute morgen
haben die ausländischen Gläubiger die sie inter-
essierenden Fragen unter sich beraten. Dis
deutsche Abordnung wird von Direktor Schlie-
per (DD-Bank) geführt; ihr gehören ferner Dr-
Jeidels (Berliner Handelsgesellschaft), Dr. Osk.
Sempell (Vereinigte Stahlwerke) und das Mit-
glied des Reichsbankdirektoriums Direktor Puh!

Sikisrsky, Leiter des Sozialamts
der HI, Gebiet 21 (Baden)
Dr. Kentrup, Präsident der Badischen
Industrie- und Handelskammer
Plattner, Vezirkswalter der Deuts^n

Aufruf an die Wirtschaft
Gebt der deutschen Jugend Lehrstellen!
Rund 43 000 Jugendliche verlassen im kommenden Frühjahr in Vaden die Schulen. Sie
alle wollen Vorkämpfer werden für deutsche Wertarbeit! Ihre berufliche Ausbildung ist
daher Gebot. Die meisten dieser Jugendlichen benötige« dazu eine
Lehrstelle. Die bis jetzt bei den Arbeitsämtern gemeldeten Lehrstellen reichen aber
noch nicht überall aus. An alle Betriebsführer und Handwerksmeister
ergeht daher die dringende Bitte, weitere Lehrstellen für alle
Berufe bei den Arbeitsämtern zu melden. Die Meldungen werden von den
Arbeitsämtern mündlich, fernmündlich und schriftlich zu jeder Tageszeit entgegengenommen.
Burkhardt, Präsident des Landes¬
arbeitsamts Südwestdeutschland
Köhler, Badischer Finanz- und
Wirtschaftsminister
Näher, Präsident der Badischen

Lin Weißbuch Wer London
Erklärungen des Staatssekretärs Simon im Unterhaus
 
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