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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 1-26)

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Nr. 71 - Nr. 76 (25. März - 30. März)
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Pfälzer Sole_Mittwoch, 27. März 19ZS_70. Zahrgang / Nr. 73

Abschluß der deutsch-englischen Besprechungen
Vollständige Klarstellung der beiderseitigen Standpunkte / Förderung der internationalen Zusammenarbeit
Von der Nützlichkeit der direkten Aussprache überzeugt ! »

Das Ergebnis
DNB Berlin, 26. März.
Die deutsch-englischen Besprechungen zwischen
dem englischen Außenminister Sir Zohn Simon,
dem Lordfiegelbewahrer Anthony Eden, dem
Führer und Reichskanzler und dem Reichsaußen-
minister Freiherrn von Neurath, die in Gegen-
wart des britischen Botschafters Sir Eric
Phipps und des Beauftragten für Abrüstungs-
fragen, Herrn von Ribbentrop, während der letz-
ten zwei Tage stattfanden, wurden Dienstag
abend abgeschlossen. Die behandelten Fragen
waren diejenigen, welche im Londoner Commu-
nique vom 3. Februar aufgeführt worden sind.
Die Unterhaltungen fanden in offenster und
freundschaftlichster Form statt und
haben zu einer vollständigen Klarstellung
der beiderseitigen Auffassungen ge-
führt. Es wurde sestgestellt, daß beide Regie-
rungen mit ihrer Politik das Ziel verfolgen, den
Frieden Europas durch Förderung der
internationalen Zusammenarbeit
zu sichern und zu festigen. Die englischen und
deutschen Minister sind von der Nützlichkeit der
direkten Aussprache, die soeben stattge-
funden hat, durchdrungen.
Sir John Simon wird morgen auf dem Luft-
wege von Berlin nach London zurückkehren.
Minister Eden wird plangemäß nach Moskau,
Warschau und Prag Weiterreisen.
Eden nach Moskau abgereist
DNB Berlin, 27. März.
Lordsiegelbewahrex Eden ist Dienstag, 23.35
Uhr mit dem fahrplanmäßigen D-Zug vom
Bahnhof Friedrichstraße nach Moskau abgereist.
Von deutscher Seite hatten sich zu seiner Ver-
abschiedung auf dem Bahnhof Staatssekretär von
Bülow, Ministerialdirektor Dyckhoff, der Ches
des Protokolls Graf Bassewitz und Ministerial-
direktor Ritter eingefunden. Ferner sah man
mehrere Mitglieder der englischen Botschaft, an
der Spitze Botschaftsrat Newton.
Zn der Mlhelmstraße
DNB Berlin, 26. März. Vor der Reichs-
kanzlei und dem Propagandaministerium
hatte sich im Laufe des Vormittags, wie stets an
bedeutsamen politischen Tagen, eine große
Menschenmenge angesammelt, um soweit
wie möglich wenigstens das äußere Geschehen
jener historischen Stunden miterleben zu können.
Alltägliche Vorgänge wie das Einrücken eines
SS-Sturmes der Leibstandarte in die Reichs-
kanzlei, oder das Ablösen der Reichswehrwache,
gewannen bei den Wartenden unter diesen Um-
ständen besondere Bedeutung und boten will-
kommenen Anlaß zu lebhaften Gesprächen. Als
gegen ^1 Uhr Reichsminister Dr. Goebbels vom
Propagandaministerium aus im Auto durch die
Wilhelmstraße fuhr, wurde er mit Heilrufen
begrüßt. i
Kurz vor )42 Uhr, beim Erscheinen der eng-
lischen Minister im Vorgarten der Reichskanzlei,
ging eine Bewegung durch die Menge. Die in-
zwischen angetretene Ehrenkompagnie präsen-
tierte u. während sich die Hände der Tausenden
zum Hitlergruß emporreckten, fuhren die eng-
lischen Gäste in zwei Kraftwagen zu ihrer
Botschaft. Auch vor der Botschaft hatten sich in-
zwischen größere Menschenmassen eingefunden,
von der die zum Lunch eintreffenden deutschen
Minister und anderen bekannten politischen Per-
sönlichkeiten immer wieder mit begeisterten
Heilrufen empfangen wurden. Als bald nach Z42
Uhr als letzter der Wagen des Führers an-

rollte, wollten die Ovationen kein Ende neh-
men, und die Polizei hatte Mühe, die Menge
zurückzuhalten. Während der Mittagszeit blieb
die englische Botschaft im großen Umkreis dicht
von Menschen umlagert, die der Abfahrt der
Mitglieder des Reichskabinetts und der engli-
schen Minister beiwohnen wollten. Auch die
zahlreich bereit stehenden Pressefotografen und
Kameraleute der Wochenschauen, sowie die vielen
wartenden Autos deuteten auf ein nicht all-
tägliches Ereignis hin.
Kurz vor 3.00 Uhr erschien dann, jubelnd
empfangen, als erster der Führer; unter stürmi-
schen Heilrufen der Menge fuhr der Führer in
die Reichskanzlei zurück.
Mendtasel zu Ehren
der englischen Minister
DNB. Berlin, 26. März. Der Reichsminister
des Auswärtigen und Freifrau von Neurath

veranstalteten zu Ehren des britischen Außen-
ministers Sir John Simon und des Lordsiegel-
bewahrers Mr. A. Eden am 25. im Hause des
Reichspräsidenten eine Abendtafel. An dieser
nahmen teil: der Führer und Reichskanzler,
der königlich-britische Botschafter, sämtliche Ka-
binettsmitglieder, die Begleiter der englischen
Minister sowie die Herren der britischen Bot-
schaft und führende Persönlichkeiten der Reichs-
behörden und der Partei mit ihren Damen.
Frankreich sperrt die Ausfuhr
kriegswichtiger Rohstoffe
DNB Paris, 26. März.
Der Ministerrat hat auf Vorschlag des Han-
delsministers eine Verordnung gebilligt, die vor-
übergehend die Ausfuhr von gewissen für die
Landesverteidigung wichtigen Rohstoffen unter-
sagt. Bisher ist nicht bekannt, welche Rohstoffe
damit gemeint sind.

Die Maffenausweisungen
in Leningrad
Moskau, 26. " Tirz. Zu der Ausweisung von
1074 Personen aus Leningrad wegen „bürger-
licher Abstammung" sind nun weitere Einzelhei-
ten bekannt geworden. Ein Teil der Ausgewie-
senen wurde auf Veranlassung des Bundeskom-
missariats des Innern (OGPU) nach Mittel-
asien, und zwar nach Taschkent und Samarkand,
verbannt. Viele Ausgewiesene waren jahrelang
im Sowjetdienst tätig und wurden sogar wegen
ihrer Leistungen ausgezeichnet. Bei den Aus-
weisungen ging man mit äußerster Brutalität
vor. So wurden Frauen ohne Rücksicht auf
Mann und Kinder verbannt, die in Leningrad
verbleiben mußten. Unter den Ausgewiesenen
befinden sich 2 00 D e u t s ch st ä m m i g e, die
bereits vor dem Kriege nach Rußland eingewan-
dert waren und den Hauptbestandteil der deutsch-
stämmigen Kolonie in Leningrad bildeten. Die
Ausweisungen wurden mit einer Rücksichtslosig-
keit durchgeführt, wie sie in den letzten Jahren
nicht mehr festgestellt wurde.

Gchreckensurteile in Kowno
Vier Todesurteile und hohe Zuchthausstrafen gegen die Memellander

DNB. Kowno, 26. März.
Am Dienstagvormittag gegen 10 Uhr wurde
unter großer Spannung das Urteil des Kow-
noer Kriegsgerichts verkündet. Der Vorsitzende
gab bekannt, daß Emil Boll, Walter Prieß,
Heinrich Wannagat und Emil Lepa zum
Tode verurteilt worden sind. Es handelt sich
hier um die Angeklagten des sogenannten Feme-
mordes der Jesuttis-Gruppe.
Die beiden Wal lat, Johann und Ernst
Wallat, wurden zu lebenslänglichem
Zuchthaus verurteilt. Der Führer der Sovog
Dr. Neumann und Bertulert erhielten
je 12JahreZuchthaus. Die Angeklagten
Kwauka, Ernst Rademacher, Brokoph,
Riegel, Haak, Grau, Lappiens,
Scheschkewitz erhielten je 10 Jahre Zucht-
haus. Der Führer der christlich-sozialistischen
Volksgemeinschaft, Freiherr von Saß, Baron
Ropp, Reh berg, Gronenberg und acht
andere Angeklagte wurden zu je acht Jahren
Zuchthaus verurteilt. Bei den bisher Verurteil-
ten wird das gesamte Vermögen be-
schlagnahmt.
Von den weiteren Angeklagten wurden
Dreßler, Preikschas und Dr. Herbert
Boettcher ebenfalls zu acht Jahren Zuchthaus
verurteilt. Die übrigen Angeklagten erhielten
Zuchthausstrafen von 1)4 bis zu K Jahren. Ledig-
lich die beiden Spitzel und Kronzeugen Moli-
nus und Kubbutat erhielten 1)4 Jahre
Zuchthaus, die in Gefängnisstrafen mngewandelt
wurden.
Gleichzeitig verkündete das Gericht, daß es
für diese beiden ein Gnadengesuch beim Staats-
präsidenten einreichen würde.
Es ist bezeichnend für die Methode der Ur-
teilsfindung, daß gerade diese beiden, obwohl
Molinus Geschäftsführer der Sovog war und
mithin eine führende Rolle spielte, von dem Ge-
richt in dieser Weise behandelt werden. Nur
ganz wenige Angeklagte, bei denen es sich in der
Hauptsache um Namensverwechslungen handelt,
also um solche Männer, die überhaupt gar nicht
auf die Anklagebank gehörten, oder um junge
Leute von 16 und 17 Jahren, wurden freige-
sprochen.
Das Gerichtsgebäude und die umliegenden
Straßenzüge machten am Dienstag vormittag
den Eindruck eines großen Tages. Man hielt ein

erhebliches Polizeiaufgebot auf der Straße, das
die Menge, die sich dort versammelte, sofort aus-
einandertrieb. Im Eerichtssaal war die mili-
tärische Bewachung erheblich verstärkt und auch
auf die bisher auf freiem Fuß befindlichen An-
geklagten ausgedehnt. Die Diplomatenloge war
überfüllt mit Vertretern ausländischer Staaten,
hohen litauischen Richtern und Beamten.
Auf den Pressetribünen herrschte ein Andrang,
der erheblich stärker als bei Eröffnung des Pro-
zesses war. Der Zuschauerraum dagegen war
nur wenig gefüllt, da nur wenige Zuschäuer zu
der Urteilsverkündung zugelassen worden waren.
Die Angeklagten nahmen das Urteil ohne jede
große Bewegung und sehr ruhig hin. Man hatte
aber allgemein den Eindruck, daß dieses entsetz-
liche Urteil von niemandem erwartet worden
war.
Großes Aussehen in London
DNB London, 26. März.
Die Bluturteile des litauischen Kriegs-
gerichtes gegen die memelländischen Deutschen
erregen in London ganz beträchtliches Aufsehen.
In politischen Kreisen ist man der Ansicht, daß
diese neueste litauische Gewalttat nicht ohne
politische Rückwirkungen bleiben
dürfte.
Die Blätter veröffentlichen spaltenlange Be-
richte über die Vorgeschichte des Prozesses, wo-
bei „Evening News" beispielsweise auf die
vielen Hindernisse hinweist, die die litauischen
Behörden dem englischen Rechtsanwalt Sir
Alexander Lawrence in den Weg gelegt
haben, als er sich nach Memel begeben wollte,
um unparteiischer Zeuge des Prozesses zu sein.
Das Blatt erinnert weiter daran, daß ein an-
derer britischer Anwalt, Norris, einen Aus-
weisungsbefehl erhalten habe, da er die Ange-
klagten habe verteidigen wollen. 2m übrigen
hebt die „Evening News" erneut den überwie-
genden deutschen Charakter des Memelgebietes
hervor.

Das Volkskommissariat für Ernährung veröf-
fentlicht eine Preisliste für Wurfterzeug-
nisse in der Sowjetunion. Danach
kostet 1 Kilogramm Wiener Würstchen 28 Mark,
Schlackwurst 24 Mark, ein Kilogramm Schinken
48 Mart, ein Kilogramm Gänsebrust 38 Mark.
Es handelt sich hierbei nm amtliche Preise. Auf
dem Privatmarkt werden diese Waren noch höher
gehandelt.

Sin Faustschlag
Der VDA zum Konmoer Schreckensurteil
DNB. Berlin, 26. März.
Der Volksbund für das Deutschtum
imAusland veröffentlicht zu dem litauischen
Schreckensurteil folgende Stellungnahme:
Man wußte längst, daß die litauische Regie-
rung zur Rechtfertigung ihrer Rechtsbrüche im
Memelgebiet einen schweren Urteilsspruch
brauchte. Nachdem aber die vier Monate langen
Verhandlungen vor dem Kriegsgericht auch nicht
den geringsten Beweis für die Hauptanklage-
punkte erbracht haben und auch alle Verteidiger,
an deren litauischer Gesinnung nicht der ge-
ringste Zweifel gehegt werden kann, durchweg
Freisprüche beantragt hatten, war anzunehmen,
daß man sich bei der Festsetzung des Strafmaßes
mäßigen werde. Durch dieses Urteil, das
vier Todesstrafen und weit über 100 Jahre
Zuchthaus
verhängt, wird nun die Ansicht bestätigt, daß die
Entscheidung nur ein politisches Zweck-
urteil darstellt und die Verurteilungen schon
von vornherein festgestanden haben. In vielen
Fällen geht das Urteil noch über die ungeheuer-
lichen Anträge der litauischen Staatsanwälte
hinaus. Ob eine Revision gegen dieses un-
geheuerliche Urteil beantragt werden wird, steht
dahin. Die Revision würde sich auch nur auf die
rechtlichen Verstöße in der Prozetzführung und
nicht auf die materielle Seite der Angelegenheit
beziehen können. Für die Memelländer ist das
litauische Kriegsgerichtsurteil ein Faustschlag.
Mit diesem Urteilsspruch wird dem Memelgebiet
gegenüber eine Wunde aufgerissen, die sich nie
mehr schließen kann. Mag man die angeklagten
Memelländer zu den höchsten Strafen verurteilt
haben:
Die Memelländer wissen es am besten, daß
sie unschuldig sind.
Sie wissen es, daß hier nicht nach Recht und
Gesetz, sondern nach politischen Zielsetzungen ent-
schieden worden ist, daß die Verurteilten nur
das Opfer jener litauischen Gewaltherrschaft
geworden sind, der die Memelländer seit dem
Tage ausgeliefert waren, an dem Litauen das
Memelgebiet einst geraubt hat. Ein Schrei der
Entrüstung und Empörung geht heute
durch das ganze deutsche Volk. Eerechtig«
 
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