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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 1-26)

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Nr. 41 - Nr. 50 (18. Februar - 28. Februar)
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Lllstschiffkapitän Klemming 1-
DNB Friedrichshafen, 16. Feb. Der bekannte
Z^ppelinkapitän Hans Kurt Flemming ist
am Freitag abend ^11 Uhr, nachdem er sich im
Krankenhaus in Weingarten einer Bauchoperä-
* tion hatte unterziehen müssen, im Alter von 48
Jahren gestorben.

Stucks endgültige Zeit!


Berlin, 15. Febr. Ueber einen neuen Rekord
Hans Stucks liegt eine offizielle Bekanntgabe
durch die Oberste nationale Sportbehörde für die
deutsche Kraftfahrt (ONS.) vor. Diese besag::
,Z>ans Stuck auf Autounion stellte heute vor-
behaltlich der Anerkennung durch die AJACR.
auf der Strecke Viareggio-Lucca in der Klasse 3
bis 5 Liter einen neuen internationalen Klassen-
rekord über eine Meile mit fliegendem Start mit
320,267 km im Durchschnitt für die Hin- und
Rückfahrt auf.
Hierdurch wurde der bisher von Rudi Carac-
«iola auf Mercedes-Benz in der gleichen Klasse
gehaltene internationale Klassenrekord um 3,589
Kilometer verbessert".


DNB. Madrid, 16. Febr.
Vom Kriegsgericht in Oviedo wurden wie-
derum zwei hohe spanische Polizeiosfiziere wegen
Nachlässigkeit bei der Amtsübung gelegentlich der
Oktober-Revolution verurteilt. Ein Polizeioberst
erhielt lebenslängliches Zuchthaus, ein Polizei-
oberleutnant vier Jahre Gefängnis.
Vor dem Kriegsgericht in Oviedo fand auch
die Verhandlung gegen General Gonzalez Pena,
den obersten Führer des Aufstandes in Asturien,
statt. In der Anklageschrift wird Pena verant-
wortlich gemacht für sämtliche Menschenopfer,
die die Revolution forderte, sowie für den ge-
samten Schaden moralischer und sachlicher Art,
der durch Brandschatzung, Sprengungen, Raub,
Mord usw. angerichtet wurde. Das Kriegsgericht
hat Gonzalez Pena, entsprechend dem Antrag der
Staatsanwaltschaft, zum Tode und zu 200 Mil-
lionen Pesetas Entschädigung verurteilt. In oer
Urteilsbegründung wird jedoch hervorgehoben,
daß Pena nicht als allein verantwortlich für den
Aufstand in Asturien bezeichnet und vor allen
Dingen nicht für den Uebersall auf die Bank von
Spanien verantwortlich gemacht werden könne.
Diese Bemerkung des Gerichtes ist insofern
von Bedeutung, als sie der Regierung eine Hand-
habe bietet, den Angeklagten zu begnadigen. Da
das Urteil gegen Pena ebenso wie das vor eini-
gen Tagen über einen Haupträdelsführer der
Revolution verhängte Todesurteil der spanischen
Öffentlichkeit nicht bekanntgegeben wird, besteht
Grund zu der Annahme, daß die Regierung das
Urteil nicht Vollstrecken lassen wird. Pena war
übrigens nach dem mißglückten Aufstand flüchtig,
hatte sich wochenlang in den asturischen Wäldern
Herumgetrieben und konnte erst später von der
Polizei in einem Versteck ausfindig gemacht
werden.
Im Brunnenschacht verschüttet
Stettin, 16. Febr. Auf einer Baustelle außer-
halb des Dorfes Colbitzow ereignete sich bei Aus-
schachtungsarbeiten für einen Brunnenbau ein
Unglück, dem zwei Menschenleben zum Opfer ge-
fallen sind. Ein Sohn des Inhabers der aus-
tührenden Firma Kurt Below aus Scheune
wurde, als er in vier Meter Tiefe im Schacht
beschäftigt war, durch nachstürzende Kiesmassen
verschüttet. Bei den sofort aufgenommenen Ret-
tungsversuchen trat nach einstündiger Tätigkeit
nochmals ein großer Erdabsturz ein. Diesmal
wurde ein Gehilfe des Brunnenbauers, der 30
Jahre alte Bruno Junge aus Niederzahden, der
sich besonders eifrig bei den Bergungsarbeiten
betätigt hatte, verschüttet. Obwohl ihn Arbeits-
kameraden in wenigen Augenblicken aus den
Erbmassen befreien konnten, war er bereits tot.
Möglicherweise ist er einem Herzschlag erlegen.
Die Freilegung des tödlich verunglückten Brun-
nenbaumeisters gelang erst nach mehrstündiger
angestrengter Arbeit.
Mord in Oderberg
Oderberg, 16. Febr. Von einem Hitlerjungen
wurde Samstag früh in Oderberg (Mark) aus
einem Häuschen am Melkensteig starke Rauch-
entwicklung wahrgenommen. Er alarmierte die
Feuerwehr, die in der Küche des Hauses eine
Frau, vermutlich die Hauseigentümerin, tot auf-
fand. Die Leiche soll schwere Verletzungen, zum
Teil sogar Verstümmelungen aufweisen so daß
mit einem Verbrechen, zu dessen Vertuschung der
Band angelegt worden ist, zu rechnen ist. Von
der Staatsanwaltschaft Prenzlau wurde sofort
die Berliner Mordkommission zur Klärung des
Falles angefordert.

Durch Blitzschlag wurden zu Ndala im Tan-
ganjika-Gebiet zwei Missionare der Weißen Vä-
ter, die unter einem Wellblechdach Schutz gesucht
hatten, getroffen. Während einer der Missionare
mit einer Verletzung davonkam, büßte der 6-5-
jährige Martin, der schon 35 Jahre in den
Missionen wirkt, das Leben ein.
In Beni-Sa leh (Oberäghpten) ist durch
eine umgestürzte Petroleumlampe ein mächtiges
Feuer entstanden, das in den leichtgebauten, aus
Schilfstroh und Nilschlamm errichteten Hütten
reiche Nahrung fand und so schnell um sich griff,
daß sechs Personen ums Leben kamen. Ferner
fielen große Mengen von Vieh und Geflügel dem
Neuer MM Opfer.

Zur deutschen Antwort



scheu Paris vrsn t wurde über den Antrag Kamerun verbunden.

*
Nach einer stürmischen Sitzmrg im spani-

NdZ. Berlin, 16. Febr.
Vom Statistischen Reichsamt wird jetzt die
Viehbilanz der deutschen Land-
wirtschaft bekanntgegeben, wie sie sich aus
der landwirtschaftlichen Betriebszählung vom
16. Juni 1933 darstellt. Es handelt sich bei den
Zahlenergebnissen hauptsächlich um die Viehhal-
tung der Betriebe mit mehr als 0,5 Hektar Be-
triebsfläche. Von den 3,05 Millionen land- und
forstwirtschaftlichen Betrieben mit mehr als 0,5
Hektar Betriebssläche hatten am Stichtage 2,53
Millionen Eroßviehhaltung, also Pferde und
Rindvieh. Die Zahl der Pferde wurde bei den
rund 1,2 Millionen hierfür in Betracht kommen-
den Betrieben mit 3 229 178 ermittelt. Seit 1925,
wo die letzte dieser umfassenden Bestandsauf-
nahmen stattaefunden hatte, hat sich die Zahl der
Pferde haltenden Betriebe um mehr als 90 000
oder 8 v. H. erhöht. Die amtliche Ermittlung
nimmt an, daß dies vor allem mit der beträcht-
lichen Zunahme der bäuerlichen Betriebe in Zu-
sammenhang steht. Die Gesamtzahl der Pferde
an sich hat jedoch seit 1925 um 313 000 Stück ab-
genommen und wird erst in jüngster Zeit wieder
als zunehmend berichtet. Bei der Rinderhaltung
wurde ein Eesamtbestand der in Betracht kom-
menden 2,474 Millionen Betriebe von 19,2 Mil-
lionen Rindern aller Altersklassen und Nut-

Besprechungen. Irgendwelche Angaben über die
Absichten der englischen Regierung liegen nicht
vor. Im allgemeinen geht die Ansicht der Blät-
ter dahin, daß zunächst ein englisch-fran-
zösischer Meinungsaustausch auf
diplomatischem Wege über die durch die deutsche
Antwort geschaffene Lage stattfindet, worauf
die weiteren Schritte in London und Paris be-
schlossen werden. Das englische Kabinett wird
sich in seiner nächsten Sitzung eingehend mit der
deutschen Antwort befassen.
Der diplomatische Mitarbeiater des „Daily

erklärt, daß nach französischer Ansicht der Ab«
schluß eines Luftpaktes den allgemeinen Ver-
landlungen vorausgehen solle. Seitdem
habe aber die französische Regierung anscheinend
ihre Meinung geändert. Der Grund sei darin
zu suchen, daß Laval von den Russen und
Tschechen an sein Versprechen erinnert worden
sei, das er dem russischen Außenminister Lit-
winow am 5. Dezember gegeben hat- Zu Be-
ginn dieser Woche habe Laval außerdem dem
russischen Botschafter Potemkin die Versicherung
abgegeben, daß Frankreich einen Luftpakt nur
gleichzeitig mit dem Ostpakt verhandeln und ab-
schließen würde. Die Aufgabe der Staatsmän-
ner, schließt das Blatt, gehe jetzt dahin, die An-
sichten der Franzosen, der Deutschen, der Rus-
sen und der Tschechoslowakei auszusöhnen.
Unter der Ueberschrift „Deutschland wünscht
Simon" schreibt der liberale „News Lhro-
nicle": „Die deutsche Antwort ist in höflicher
und freundlicher Sprache gehalten und bringt
in unzweideutiger Meise ein Streben nach Frie-
den zum Ausdruck, von dem jedermann hofft,
daß es ehrlich gemeint ist."
„Daily Mail" schreibt in einem Bericht aus
Berlin: „Kein Land in Europa ist einem
Luftangriff mehr ausgesetzt als Deutschland.
Die Nachbarn Deutschlands im Osten und im
Westen haben wundervolle Luftflotten. Des-
halb hat Deutschland das von Frankreich und
England vorgeschlagene Luftabkommen in die-
sem Maße begrüßt. Es wäre sogar noch nütz-
licher für Deutschland, wenn Polen, dessen Luft-
flotte Berlin eine Stunde nach der Kriegs-
erklärung zerstören könnte, auch dem Luftpakt
beitreten würde."

Londoner preffestimmen
DRV. London, 16. Febr
Nach dem Eintreffen der deutschen Stellung-
nahe zu den Londoner Vorschlägen beschäftigt
sich die englische Morgenpresse mit den weiteren
Entwicklungsmöglichkeiten der internationalen

zungsarten festgestellt. Die Zahl der Kühe be«
trug im ganzen 9,9 Millionen Stück. Die Rin-
derhaltung hat um über 2,2 Millionen Stück und
die Zahl der Kühe um etwa 1,3 Millionen gegen-
über 1925 zugenommen.
Besonders interessant sind die Ergebnisse bei
der Schweinehaltung. Es ergab sich ein Schweine-
bestand von insgesamt 20,5 Millionen. Diese
Zahl zeigt gegenüber 1925 eine so beträchtliche
Zunahme, daß sie über den Grad kurzfristiger
Schwankungen weit hinausgeht und zum großen
Teil als dauernde Erweiterung der in den
Kriegs- und ersten Nachkriegsjahren stark ver-
ringerten Schweinebestände anzusehen ist. Die
Eesamtzunahme seit 1925 machte in den Betrie-
ben von 0,5 Hektar aufwärts 6,4 Millionen
Schweine des damaligen Bestandes aus. Dar
gegen zeigte sich bei der Schafhaltung bei einem
Gesamtbestands von 3,9 Millionen Schafen eiki
wesentlicher Rückgang, da 1925 5,8 Millionen
Schafe gezählt worden waren. Aber auch auf
diesem für die deutsche Rohstoffproduktion so be-
deutungsvollen Gebiet sind dank der landwirt-
schaftlichen Erzeugungsschlacht bereits die An-
zeichen wesentlichen Anstieges bemerkbar. Er-
wähnt sei noch,- daß 4,5 Millionen Betriebe mit
Hühnerhaltung festgestellt worden sind. Die Zahl
der Hennen betrug 54 Millionen Stück.

und jetzt solange gegen den Abschluß eines Luft-
paktes sei, bis alle anderen Fragen geregelt
seien. Man deute sogar an, daß Frankreich
lieber den ganzen Londoner Plan fallen lassen
oder zum mindesten auf unbestimmte Zeit auf-
schieben würde, um statt dessen sofort einen
„Pakt der gegenseitigen Unterstützung" abzu-
schließen, der in Wirklichkeit ein Bündnis mit
Rußland und der Tschechoslowakei sein würde.
Französische Behauptungen, daß Deutschland den
Luftpakt von der allgemeinen Regelung tren-
nen wolle, seien aber ohne Zweifel unrichtig.
Richtig sei vielmehr, daß gerade das Londoner
Protokoll eine Trennung der beiden Probleme
vorgesehen habe. Außerdem sei es in unterrich-
teten Kreisen bekannt, daß die englischen und
französischen Vertreter in London bereit waren,
durch die Unterzeichnung eines Luftpaktes das
Bestehen einer deutschen Luftflotte stillschwei-
„ ry gend anzuerkennen. Ministerpräsident Flan -
Telegraph" weist besonders darauf hin, daß d i n Habs selbst in der Kammer am 5. Februar
sich die deutsche Antwort nur mit dem Luftpakt¬
plan eingehend befasse. Das geplante Luftab¬
kommen müsse aber in den Rahmen eines all¬
gemeinen europäischen Sicherheitssystems ein¬
gespannt werden. Auf den Vorschlag zweiseiti¬
ger deutsch-englischer Verhandlungen werde die
englische Regierung kaum antworten können,
bevor sie mit der französischen Regierung Rück¬
sprache genommen hat. Die britische Regierung
sei entschlossen, während der weiteren Verhand¬
lungen durchaus in enger Zusammenarbeit mit
Paris zu handeln.
Der diplomatische Mitarbeiter der „Mor-
ning Post" äußert sich in ähnlichem Sinne-
Deutschland wünsche den Luftpakt sogleich und
ohne Berücksichtigung des übrigen Londoner
Programms abzuschließen. Ein solches Vor¬
gehen würde eine mittelbare Anerkennung von
Deutschlands Recht auf eine Luftflotte sein. Es
sei „keineswegs sicher", daß die englische oder
französische Regierung bereit seien, Deutschland
dieses Recht anders denn als Teil einer
allgemeinen Regelung des Sicherheits¬
und Rüstungsproblems zu gewähren.
Während der außenpolitische Berichterstatter
des „News Lhronicle" meint, daß der
deutsche Wunsch na chgetrennten Verhandlungen
wahrscheinlich ungünstige Wirkungen in Paris
Hervorrufen werde, spricht der diplomatische
Mitarbeiter Les „Daily Herald" sogar
von einer sehr ernsten Lage, die die deutsche
Antwort oder vielmehr die französische Reak¬
tion auf die deutsche Stellungnahme geschaffen
habe. Aus- Paris, fährt das Blatt fort, werde
gemeldet, daß die französische Regie¬
rung ihre Meinung geändert habe

eines unabhängigen Abgeordneten abgestimmt,
wonach Militärpersonen künftig nicht mehr Frei-
maurerlogen angchören dürfen. Dieser Antrag
wurde mit 86 gegen 26 Stimmen angenommen
und hat damit Gesetzeskraft erlangt. Bemerkens-
wert ist, daß der Innenminister gegen den Vor-
schlag gestimmt hat.
* v
In Limburg a. d. Lahn starb ?. Maximilian
Kugelmaun, der frühere General der Pal-
lottiner Missionsgesellschaft. Er wurde 1890 mit
der Einführung seiner Kongregation in Deutsch-
land betraut und gründete in der Folgezeit die
Pallottiner-Missionshäuser zu Limburg a. d.
Lahn, Ehrenbreitstein und Vallendar, desgleichen
die Missionsschrift „Stern von Afrika". 1903
wurde er Generaloberer der Pallottiner-Kongre-
gation; während seiner Amtszeit gründete er
zwei weitere Missionshäuser bei Krakau und
Lemberg. 1909, nach satzungsgemäßem Rücktritt,
übernahm er die Leitung des Studienhauses in
Mosio zur Heranbildung von Missionaren für
Südamerika. Die Tätigkeit der Pallottiner ist
besonders mit der ehemaligen deutschen Kolonie

Zn Kurze
Neber deck Rückgang der Kriminali-
tät im Deutschen Reiche, seit der Machtergrei-
fung durch den Nationalsozialismus veröffent-
licht der „Völkische Beobachter" eine Ausstellung.
Danach wurden im gesamten Reichsgebiet >m
Jahre 1932 bei den Amtsgerichten 439 269 Straf-
urteile gefällt, während die entsprechende Zähl
für das Jahr 1933 361 211 ist. Im gesamten
Reichsgebiet wurden 1932 3408 Schwurgerichts-
urteile gefällt, im Jahre 1933 dagegen 3332.
*
Die Brüsseler Weltausstellung, die
König Leopold H. am 27. April 1935 feierlich
eröffnet, wird auch den katholischen Missionen
einen Platz einräumen. Die große Ausstellungs-
halle des Pavillons „Katholisches Leben" ist teil-
weise für die Päpstlichen Missionswerke reser-
viert. Außerdem werden die katholischen Mis-
sionen auch im Pavillon von Belgifch-Kongo ver-
treten sein.

Zm Spiegel
der französischen presse
DNB. Paris, 16. Febr.
Die Morgenpresse bespricht zum erstenmal in
voller Kenntnis der Sachlage den Inhalt der
deutschen Antwort auf die englisch-französische
Erklärung vom 3- Februar. Die Mehrzahl der
Blätter weiß mit dem Schriftstück nichts anzu-
fangen. Eine französische Zeitung stellt fest, daß
Deutschland die betreffende Anregung der Lon-
doner Erklärung mit Stillschweigen übergangen
habe. So ist die hauptsächliche Auffassung der
Pariser Presse dahin zusammenzufassen, daß
die deutsche Antwort zwar nicht als Ver-
ständigung gedeutet werden könne, daß sie
aber auch keiner späteren Verständigungs-
möglichkeit die Tür verschließe.
Kritisiert und besonders unangenehm empfun-
den wird der deutsche Hinweis auf die ausge-
bliebene Abrüstung der hochgerüsteten Mächte,
ein Beweisgrund, der sachlich nicht bestritten
werden kann. Im übrigen ist die Presse in der
Beteuerung einig, es bestehe keine Gefahr, daß
es Deutschland gelingen könnte, durch Sonder-
verhandlungen einen Keil zwischen Frankreich
und England zu treiben. Natürlich kehrt in den
Pressebesprechungen die französische Forderung
der Gleichzeitigkeit und des Zusammenhanges
-der einzelnen Vorschläge wieder. Auch will man
aus der deutschen Antwort das Eingeständnis
einer deutschen Aufrüstungspolitik entnehmen
können. Am Ende der Pariser Besprechungen
findet sich recht häufig die Frage: Wie denkt
maninLondon über die deutsche
Antwort.
„Petit Parisien" urteilt, die deutsche
Antwort sei von einer „kaum noch höflichen" (!)
Kühlheit und entspreche somit schlecht dem ein-
ladenden Ton der Aufforderung zur Teilnahme
an Verhandlungen. Die Antwort verwerfe die
meisten englisch-französischen Vorschläge nicht,
sondern übergehe sie mit Stillschweigen, oder
suche sie in Allgemeinheiten aufzulösen.
Das „Journal" meint, die Nerven sehr
vieler Franzosen würden beim Lesen der deut-
schen Antwort sicher auf eine schwere Probe ge-
stellt werden. Die Deutschen träten als fordern-
der Teil auf. Die „brutalste" (!) Anspielung
sei diejenige, die die Verantwortlichkeit für das
Wettrüsten auf die Sieger abwälzen wolle.
Das „Oeuvre" berichtet, Minister Laval
habe die französische Presse am Freitag darauf
hingewiesen, daß die deutsche Antwort keine
Möglichkeit ausschließe, daß sie jedoch aber auch
nicht den geringsten greifbaren Beweis des wirk-
lichen Wunsches Deutschlands bringe, am inter-
nationalen Leben mitzuarbeiten. Laval habe sie
alsdann darauf verwiesen, daß die deutsche
Antwort absichtlich die Gleichzeitigkeit der Lon-
doner Bedingungen nicht ansaßte, obwohl die
Mehrzahl dieser Bedingungen den Wortlaut
nicht berührten. Das Blatt rechnet mit einer
alsbaldigen Einladung Sir John Simons zu
einem Besuch in Berlin, wobei sich Deutschland
durch Bescheidenheit seiner Kriegsslottenforde-
rungen um die Gunst Englands bemühen
werde.
Heftige Kritik an der deutschen Antwort und
an der Laval'schen Politik übte, wie üblich, das
Blatt des französischen Eeneralftabs, „Echo de
Paris". Es schreibt u. a.: Das einzig Gün-
stige, was man von der deutschen Antwort sagen
könne, sei, daß sie keiner Ablehnung gleich-
komme. Im übrigen sei sie listig, zweideutig
und mit geistigen Vorbehalten ausgefüllt.
Deutschland wage den englisch-französischen Plan
nicht unmittelbar zu verwerfen, aber es werde
ihm doch gelingen, das System entweder zu ver-
stümmeln oder bis zur Vollendung seiner Vor-
bereitung die Dinge auf die lange Bank zu
schieben. Laval gelinge es nicht, eine klare, be-
stimmte und feste politische Linie zu finden. Er
versuche immer wieder zu lavieren. Viel ein-
deutiger sei die Reaktion in London. Aber es
stehe zu befürchten, daß die Unsicherheit Lavals
schließlich ansteckend wirken könne, denn viele
einflußreiche Engländer, die dem Foreign Office
allerdings fernstünden, Hütten sich für die Ver-
ständigung mit Berlin ausgesprochen.
Der „Excelsior" erklärt, die deutsche Ant-
wort übergehe das Wesentliche der englisch-
französischen Erklärung mit Stillschweigen-
Die „Journee industrielle" bezeichnet
die deutsche Denkschrift als klug ausweichend.
 
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