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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 22.1911

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Kunst, Handwerk, Kunstgewerbe und Kunstindustrie in ihren Wechsel-Beziehungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.11722#0074

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INNEN-DEKORATION

PROFESSOR EMANUEL VON SE1DL—MÜNCHEN. HAUS HERMANN VON RATH-BONN. GARTENSEITE.

KUNST, HANDWERK, KUNSTGEWERBE UND KUNSTINDUSTRIE

IN IHREN WECHSEL-BEZIEHUNGEN.

Diese »Vier« sind in unserer Zeit, d. h. seit dem
letzten Jahrzehnt fast zu feindlichen Geschwistern
geworden. Wirtschaftliche Zerwürfnisse lagen schon
früher vor, man hat nur nicht so sehr auf sie geachtet.
Es war zwischen ihnen immer wie bei Geschwistern:
sie vertrugen sich stets so lange, als keine Erbschaft
zu verteilen war, oder irgend ein neues Verhältnis An-
laß zu Eitersucht gab. Da beide Annehmlichkeiten
ziemlich häufig in Erscheinung traten, war der sprüch-
wörtliche Krieg im Frieden meist an der Tagesordnung.
Schwere Zeiten sind ja nun allerdings die gegebenen
Vorbedingungen zu Mißbehagen und Unzufriedenheit,
zu Schelsucht und Selbsthilfe. Wohltaten werden dann
zumeist am leichtesten vergessen; Kinder erheben gegen
Eltern die Hände, aber auch die Alten können es den
Jungen oft nicht verzeihen, wenn sie ihnen über die
Köpfe wachsen, ihren eigenen Platz an der Sonne be-
anspruchen, es den Alten zum mindesten gleichtun
wollen. Paarweise wird man schließlich schon mit-
einander fertig bis zu endlicher ganz leidlicher Ver-
ständigung. Aber wehe, wenn Sippe auf Sippe stößt,
wenn Gruppenbildungen die Gegensätze verstärken, da-

mit die Übelstände vergrößern und die daraus ver-
schärfte Notlage sich zu einer einzigen Anklage for-
muliert, die nur sühnbar ist durch eine ins Ungemessene
gehende Forderung. Man braucht nicht einen Funken
politischer Neigung zu haben, sondern nur gesunde
Sinne, um die Notlage, Selbsthilfe, Übergriffe in wirt-
schaftlichen Konjunkturen zu erkennen und zu verstehen,
daß auch der Mensch dazu verurteilt ist, den Kampf
ums Dasein zu kämpfen. Nicht Auge in Auge, nicht
persönlich, sondern hinter Schutzwehren und Bündnissen
mit offenen und versteckten Angriffen und von lärmen-
den Kundgebungen begleiteter Abwehr. Große Inter-
essengruppen stehen sich verbittert gegenüber, verdäch-
tigen sich in ihrer Gesinnung, verurteilen beim Gegner
das was sie selbst nicht zu tun scheuen, um als Mär-
tyrer und Helden, als Standesretter und Zukunftsbesserer
bei Freund und Feind gepriesen oder verhöhnt zu
werden. Wir sehen den Bund der Industriellen in
Fehde gegen den Bund der Landwirte, die Vertreter
der Arbeit im Ringen mit den Anhängern des Kapitals;
wir sehen Handwerk und Industrie gegen einander auf-
sässig, wie auch Künstler und Fabrikant zu einander nicht
 
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