INNEN-DEKORATION 249
ENTWURF: PROFESSOR PAUL LANG—STUTTGART. FENSTERPARTIE IN EINEM BÜRGERLICHEN WOHNZIMMER.
BÜRGERLICHE RÄUME VON PAUL LANG.
Ich beschaue lange, eindringlich einige Abbildungen
nach Räumen von Paul Lang, dem Stuttgarter.
Und langsam, stetig kommt mir ein Erinnern, ein
freudiges, sehr wohltuendes. Es erwachte beim Hin-
undherbcsehen der beiden Polsterstühle: die kenne ich
doch, die haben mir doch einmal mancherlei Gutes
getan, haben mich weich getragen, liebenswürdig um-
fangen, behaglich gestützt. Ganz gewiß, in diesem
Polsterstuhl bin ich einmal gesessen ! Ein gutes Zeichen
für das Möbel, daß man sich seiner nach recht langer
Zeit, nach langen drei Jahren, noch erinnert. Und das
mit Zufriedenheit. Mit einem Lustgefühl in den Mus-
keln. Bitte, man vergegenwärtige sich recht genau die
Zusammenhänge-, wieviel Möbel sind seit damals an den
prüfenden, den bösartigen Augen vorübergezogen, wie-
viel Sitze wurden erprobt. Wievieles von alledem ist
längst vergessen, mußte schleunigst vergessen werden.
Und hier blieb ein Reservat, ein absichtsloses, ein vom
Augenblick des Genießens gepflanztes, darum sicherlich
ein wahres. Sie müssen mir damals gefallen haben,
diese Möbel von Paul Lang-, und ich täusche mich nicht,
ich weiß es sogar ganz genau, die Räume hatten eine
Stimmung in sattem Braun, in Grün und Schwarz. Eine
ganz sachliche, gut temperierte, bürgerlich gesicherte
Stimmung. Es war sehr nett in diesen Räumen, man
wurde durch nichts Aufdringliches gestört, man hatte
es nicht nötig, sich mit einem Architekten auseinander
zu setzen. Ich möchte meinen, daß es für das bürger-
liche Möbel kaum ein größeres Lob geben kann als
eben dies: es stört nicht. Ein bürgerliches Möbel
muß dienen, muß den Forderungen des Alltags,
der Schablone des täglichen Geschehens ein
Helfer sein. Man darf es kaum bemerken, es darf
sich nicht hervordrängen. Fürs erste hat es bescheiden
zu warten, ob man seiner verlangen wird", dann aber,
wenn ihm gestattet wurde, in Funktion zu treten, hat
es seine Ämter treu und ohne jeden überflüssigen Lärm
zu erfüllen. Daneben muß das Möbel, wenn es ein
Faktor im kulturellen Prozeß, ein Werkzeug zur Kul-
tur genannt sein möchte, auch dem konstruktiven Ver-
stände und dem Spiel der Sinne einiges zu geben haben.
Des Möbels genießend, kommt ein nachdenklicher
Mensch schließlich einmal doch zu der Frage: wie ge-
schieht es. Wie erklärt es sich eigentlich, daß dieser
Schrank, dieser Tisch oder dieser Stuhl mich nicht
ärgert, wie kommt es, daß ich ihn als einen sympa-
thischen, einen brauchbaren und artig anzusehenden
Organismus achte? Die Antwort dürfte in den meisten
Fällen sich gleichbleiben: alles Überflüssige blieb fort
und das Notwendige wurde# mit einem temperierten
Gefühl, mit einem neutralen Geschmack vorgetragen.
Man könnte meinen, daß das zu wenig wäre, was ich
ENTWURF: PROFESSOR PAUL LANG—STUTTGART. FENSTERPARTIE IN EINEM BÜRGERLICHEN WOHNZIMMER.
BÜRGERLICHE RÄUME VON PAUL LANG.
Ich beschaue lange, eindringlich einige Abbildungen
nach Räumen von Paul Lang, dem Stuttgarter.
Und langsam, stetig kommt mir ein Erinnern, ein
freudiges, sehr wohltuendes. Es erwachte beim Hin-
undherbcsehen der beiden Polsterstühle: die kenne ich
doch, die haben mir doch einmal mancherlei Gutes
getan, haben mich weich getragen, liebenswürdig um-
fangen, behaglich gestützt. Ganz gewiß, in diesem
Polsterstuhl bin ich einmal gesessen ! Ein gutes Zeichen
für das Möbel, daß man sich seiner nach recht langer
Zeit, nach langen drei Jahren, noch erinnert. Und das
mit Zufriedenheit. Mit einem Lustgefühl in den Mus-
keln. Bitte, man vergegenwärtige sich recht genau die
Zusammenhänge-, wieviel Möbel sind seit damals an den
prüfenden, den bösartigen Augen vorübergezogen, wie-
viel Sitze wurden erprobt. Wievieles von alledem ist
längst vergessen, mußte schleunigst vergessen werden.
Und hier blieb ein Reservat, ein absichtsloses, ein vom
Augenblick des Genießens gepflanztes, darum sicherlich
ein wahres. Sie müssen mir damals gefallen haben,
diese Möbel von Paul Lang-, und ich täusche mich nicht,
ich weiß es sogar ganz genau, die Räume hatten eine
Stimmung in sattem Braun, in Grün und Schwarz. Eine
ganz sachliche, gut temperierte, bürgerlich gesicherte
Stimmung. Es war sehr nett in diesen Räumen, man
wurde durch nichts Aufdringliches gestört, man hatte
es nicht nötig, sich mit einem Architekten auseinander
zu setzen. Ich möchte meinen, daß es für das bürger-
liche Möbel kaum ein größeres Lob geben kann als
eben dies: es stört nicht. Ein bürgerliches Möbel
muß dienen, muß den Forderungen des Alltags,
der Schablone des täglichen Geschehens ein
Helfer sein. Man darf es kaum bemerken, es darf
sich nicht hervordrängen. Fürs erste hat es bescheiden
zu warten, ob man seiner verlangen wird", dann aber,
wenn ihm gestattet wurde, in Funktion zu treten, hat
es seine Ämter treu und ohne jeden überflüssigen Lärm
zu erfüllen. Daneben muß das Möbel, wenn es ein
Faktor im kulturellen Prozeß, ein Werkzeug zur Kul-
tur genannt sein möchte, auch dem konstruktiven Ver-
stände und dem Spiel der Sinne einiges zu geben haben.
Des Möbels genießend, kommt ein nachdenklicher
Mensch schließlich einmal doch zu der Frage: wie ge-
schieht es. Wie erklärt es sich eigentlich, daß dieser
Schrank, dieser Tisch oder dieser Stuhl mich nicht
ärgert, wie kommt es, daß ich ihn als einen sympa-
thischen, einen brauchbaren und artig anzusehenden
Organismus achte? Die Antwort dürfte in den meisten
Fällen sich gleichbleiben: alles Überflüssige blieb fort
und das Notwendige wurde# mit einem temperierten
Gefühl, mit einem neutralen Geschmack vorgetragen.
Man könnte meinen, daß das zu wenig wäre, was ich