148 INNEN-DEKORATION
BERNHARD HOETGER—ELBERFELD. TRUHENBANK IN DUNKEL EICHENHOLZ MIT SCHNITZEREI U. GESTICKT. FÜLLUNGEN.
EIGENMÖBEL DES BILDHAUERS BERNHARD HOETGER.
Auch große Künstler haben ihre Zeiten, in denen
J~\_ sie es nicht drängt, große Werke für die Welt da
draußen entstehen zu lassen, in denen sie mal echte
Menschen sein wollen mit Schwächen und Heimlich-
keiten, Liebhaberkünstler für die Schönheit und Trau-
lichkeit ihres Heims. Es sind Übergangszeiten, die
auch über stark produktive Naturen hereinbrechen, in
denen Seele und Nerven Erholung suchen, indem sie
sich auf scheinbar nichtige Dinge stürzen. Hoetgers
letzter gewaltiger Arbeitsepoche, deren Schöpfungen wir
im Novemberheft der »Deutschen Kunst und Dekoration«
bewundern konnten, gingen derartige Unterströmungen
voraus. Seinen Landaufenthalt im Schlosse Holthausen
bei Büren in Westfalen, der einer zwangsweisen Er-
holung gleichkam, benutzte Hoetger zur Anfertigung
der hier abgebildeten eigenartigen Möbel, die nach
Erfindung wie Ausführung sein eigenes Werk sind. Der
Künstler wurde darin nur von einigen Dorfschreinern
unterstützt; die Schnitzereien selbst sind ganz sein
eigenstes Erzeugnis liebevollster Durchführung.
Auf den ersten Blick muten die Möbel und Schnitze-
reien etwas phantastisch und exotisch an, die Stücke
sind schwer, die Ornamentik ist sprudelnd, dabei rhyth-
misch geordnet. Man denkt an Indien, ja auch zum
Teil an alte germanische Hauskunst, wie sie sich in
Westfalen noch bis in die erste Hälfte des 19. Jahr-
hunderts erhalten hat, etwas hausbacken derb, aber
doch gehaltvoll, gemütlich und breit erzählend. Aus
allem spricht die Freude am eigenen Hausrat. Diese
Möbel sind ohne Zweifel Meisterwerke der Liebhaber-
kunst, denn sie zeigen einen Stil und eine Einheit-
lichkeit im Entwurf und in den Einzelheiten, wie wir
sie von den gewöhnlichen Sterblichen nicht erwarten.
Gewiß, dem Künstler Hoetger war es eine Liebhaberei,
sich und seiner mit ihm so ganz mitlebenden Gefährtin
auf diese Weise einen eigenen Hausrat zu fertigen,
denn er ist auch hier noch so stark schöpferisch in
formaler wie ornamentaler Gestaltung, daß man selbst
als Anhänger eines nichtfiguralen Stils ob des von
solchem Mobiliar ausströmenden Reizes gepackt wird.
Die Möbel sind in Eichenholz ausgeführt und zum Teil
dunkel gebeizt und gebohnt, zum Teil in helleren An-
strichfarben gedeckt und polychrom behandelt. Die
Füllungen der Truhenbank und die Lehnenbehänge der
nach Heimbacher Art gestalteten Stühle sind meines
Wissens von der Gattin des Künstlers gemeinsam mit
der verstorbenen Malerin Frau Otto Modersohn ge-
fertigte Stickereien. Man sehe sich diese Formen ge-
nauer an, man achte auf die fließenden Linien, auf die
rundlichen Wellen und weichen Formen; es liegt darin
ein guter Mobiliarstil trotz allen Reichtums. Aber
Pflege und Verständnis fordern solche Möbel. Viel-
leicht werfen auch unsere Holzschnitzer einen tieferen
Blick darauf; die Schnitzerei ist noch keineswegs am
Aussterben. Hier liegt eine Anregung vor, deren Trag-
weite bei weiser Beschränkung gar nicht zu ermessen ist.
Der Charakter der Schnitzereien ist sogar direkt
vorbildlich; es fehlt das Harte und Eckige in der
Modellierung, das Zusammenhanglose zu den Flächen.
Hier ist Form und Schnitzerei auseinander heraus-
wachsend, eins das Ergebnis des andern; vor allem
sehen die Schnitzereien nicht aufgeleimt aus, nicht hin-
zugefügt. Dieser Fehler wird noch immer gemacht.
Aber eins wolle man beherzigen: man lerne von diesen
an sich gesund empfundenen Möbeln — ahme sie aber
nicht nach. Sowie derartige Eigenmöbel zu Typen für
den Durchschnittsmenschen werden, richten sie Ver-
wirrung und Unheil an. — otto schulze—Elberfeld.
BERNHARD HOETGER—ELBERFELD. TRUHENBANK IN DUNKEL EICHENHOLZ MIT SCHNITZEREI U. GESTICKT. FÜLLUNGEN.
EIGENMÖBEL DES BILDHAUERS BERNHARD HOETGER.
Auch große Künstler haben ihre Zeiten, in denen
J~\_ sie es nicht drängt, große Werke für die Welt da
draußen entstehen zu lassen, in denen sie mal echte
Menschen sein wollen mit Schwächen und Heimlich-
keiten, Liebhaberkünstler für die Schönheit und Trau-
lichkeit ihres Heims. Es sind Übergangszeiten, die
auch über stark produktive Naturen hereinbrechen, in
denen Seele und Nerven Erholung suchen, indem sie
sich auf scheinbar nichtige Dinge stürzen. Hoetgers
letzter gewaltiger Arbeitsepoche, deren Schöpfungen wir
im Novemberheft der »Deutschen Kunst und Dekoration«
bewundern konnten, gingen derartige Unterströmungen
voraus. Seinen Landaufenthalt im Schlosse Holthausen
bei Büren in Westfalen, der einer zwangsweisen Er-
holung gleichkam, benutzte Hoetger zur Anfertigung
der hier abgebildeten eigenartigen Möbel, die nach
Erfindung wie Ausführung sein eigenes Werk sind. Der
Künstler wurde darin nur von einigen Dorfschreinern
unterstützt; die Schnitzereien selbst sind ganz sein
eigenstes Erzeugnis liebevollster Durchführung.
Auf den ersten Blick muten die Möbel und Schnitze-
reien etwas phantastisch und exotisch an, die Stücke
sind schwer, die Ornamentik ist sprudelnd, dabei rhyth-
misch geordnet. Man denkt an Indien, ja auch zum
Teil an alte germanische Hauskunst, wie sie sich in
Westfalen noch bis in die erste Hälfte des 19. Jahr-
hunderts erhalten hat, etwas hausbacken derb, aber
doch gehaltvoll, gemütlich und breit erzählend. Aus
allem spricht die Freude am eigenen Hausrat. Diese
Möbel sind ohne Zweifel Meisterwerke der Liebhaber-
kunst, denn sie zeigen einen Stil und eine Einheit-
lichkeit im Entwurf und in den Einzelheiten, wie wir
sie von den gewöhnlichen Sterblichen nicht erwarten.
Gewiß, dem Künstler Hoetger war es eine Liebhaberei,
sich und seiner mit ihm so ganz mitlebenden Gefährtin
auf diese Weise einen eigenen Hausrat zu fertigen,
denn er ist auch hier noch so stark schöpferisch in
formaler wie ornamentaler Gestaltung, daß man selbst
als Anhänger eines nichtfiguralen Stils ob des von
solchem Mobiliar ausströmenden Reizes gepackt wird.
Die Möbel sind in Eichenholz ausgeführt und zum Teil
dunkel gebeizt und gebohnt, zum Teil in helleren An-
strichfarben gedeckt und polychrom behandelt. Die
Füllungen der Truhenbank und die Lehnenbehänge der
nach Heimbacher Art gestalteten Stühle sind meines
Wissens von der Gattin des Künstlers gemeinsam mit
der verstorbenen Malerin Frau Otto Modersohn ge-
fertigte Stickereien. Man sehe sich diese Formen ge-
nauer an, man achte auf die fließenden Linien, auf die
rundlichen Wellen und weichen Formen; es liegt darin
ein guter Mobiliarstil trotz allen Reichtums. Aber
Pflege und Verständnis fordern solche Möbel. Viel-
leicht werfen auch unsere Holzschnitzer einen tieferen
Blick darauf; die Schnitzerei ist noch keineswegs am
Aussterben. Hier liegt eine Anregung vor, deren Trag-
weite bei weiser Beschränkung gar nicht zu ermessen ist.
Der Charakter der Schnitzereien ist sogar direkt
vorbildlich; es fehlt das Harte und Eckige in der
Modellierung, das Zusammenhanglose zu den Flächen.
Hier ist Form und Schnitzerei auseinander heraus-
wachsend, eins das Ergebnis des andern; vor allem
sehen die Schnitzereien nicht aufgeleimt aus, nicht hin-
zugefügt. Dieser Fehler wird noch immer gemacht.
Aber eins wolle man beherzigen: man lerne von diesen
an sich gesund empfundenen Möbeln — ahme sie aber
nicht nach. Sowie derartige Eigenmöbel zu Typen für
den Durchschnittsmenschen werden, richten sie Ver-
wirrung und Unheil an. — otto schulze—Elberfeld.