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INNEN-DEKORATION
ENTWURF U. AUSFÜHR.: VALENTIN WITT-MÜNCHEN. SPEISESAAL MIT HALBRUNDER FENSTERANLAGE.
ÜBER WOHNUNGS-PFLEGE IN DER KLEIN-WOHNUNG.
ii.
Unser Wohnhausbau hat im allgemeinen Jahrzehnte hin- die Besten aller Stände und Berufe beteiligt. Wir
durch böse darnieder gelegen. Miethaus und Miet- wissen auch noch gar nicht, ob nicht vielleicht gerade
wohnung sind in fast allen Großstädten zu Schlagworten das Milieu des neueren Krankenhauses und die mili-
abschreckenden Inhalts geworden. Das bürgerliche tärische Erziehung zu höherer Einschätzung der Faktoren
Wohnhaus kam dabei nicht viel besser weg als die Gesundheit, Einfachheit und Anspruchslosigkeit geführt
Mietkaserne. Eine Tradition gab es kaum; die Klein- haben und für die Neugestaltung und Vertiefung des
bauten der Biedermeierzeit, die etwa von 1830 bis 1850 Wohnungsgedankens befruchtend geworden sind. Schließ-
reicht, schienen der Generation der politischen Samm- lieh ist doch wohl der Ausfluß unseres gesamten wirt-
lung Deutschlands unwürdige Machwerke, armselige schaftlichen und nationalen Lebens zu einer Triebkraft
Zeugen einer so großen Zeit. Wir wissen, daß die in der Neugestaltung der Dinge geworden. Denn in
politische Unreife auch einen wirtschaftlichen Dilettan- anderen Ländern finden wir keineswegs eine ähnlich
tismus vorfand, der zu schweren Krisen führte. Nach starke Bewegung zu Gunsten dieser Seite des Modernis-
dem Rausch kam Ernüchterung und Einsicht. Mit der mus, eine Ausnahme macht nur England, die wir mit
Zeit sind wir dann wieder aus dem Barbarismus bloßer Wohnungskultur, Eigenhaus- und Gartensladtbewegung
Zivilisation zu kultureller Arbeit gelangt. Nicht nur im umschreiben, die nunmehr auch die Wünsche und Rechte
politischen Sinne, sondern vor allem unabweisbarer des kleinen Mannes mit einschließen. Zwar ist Eng-
Kulturforderungen nach mußten wir erst wieder zu einem land darin vorbildlich und sehr erfolgreich vorgegangen,
Volkskörper zusammenwachsen. Dafür bildeten sich die hat uns auch moralisch mitgerissen; es muß nun aber
Ansätze vor etwa fünfzehn Jahren. Es muß lobend auch Zeuge sein, daß wir bereits einen großen Vor-
anerkannt werden, daß der Kampf gegen den Unge- sprung gewonnen haben, und daß es uns gerade unsere
schmack, ja gegen das Ungesunde in unserem eigent- auf breitere Grundlage gestellte soziale Gesetzgebung
liehen offiziellen Leben, wie schon so oft, namentlich ermöglicht, der Eigenhaussiedelung und Kleinwobnungs-
in politisch kritischen Zeiten, auch hier aus einer zu- frage weitere Grenzen und schnellere Verwirklichung zu
nächst mehr literarischen und schöngeistigen Bewegung sichern. Hinter diesen Forderungen und Aufgaben steht
herauswuchs. Es waren daran aber nicht nur Literaten, bei uns eigentlich das ganze Volk. Staat und Gesell-
sondern Maler, Bildhauer, Architekten, ja auch Ärzte, schaff, Kommunen und Kreisausschüsse, industrielle
Juristen, Politiker, Wissenschaftler, man möchte sagen, Werke und Verbände, gemeinnützige Gesellschaften,
INNEN-DEKORATION
ENTWURF U. AUSFÜHR.: VALENTIN WITT-MÜNCHEN. SPEISESAAL MIT HALBRUNDER FENSTERANLAGE.
ÜBER WOHNUNGS-PFLEGE IN DER KLEIN-WOHNUNG.
ii.
Unser Wohnhausbau hat im allgemeinen Jahrzehnte hin- die Besten aller Stände und Berufe beteiligt. Wir
durch böse darnieder gelegen. Miethaus und Miet- wissen auch noch gar nicht, ob nicht vielleicht gerade
wohnung sind in fast allen Großstädten zu Schlagworten das Milieu des neueren Krankenhauses und die mili-
abschreckenden Inhalts geworden. Das bürgerliche tärische Erziehung zu höherer Einschätzung der Faktoren
Wohnhaus kam dabei nicht viel besser weg als die Gesundheit, Einfachheit und Anspruchslosigkeit geführt
Mietkaserne. Eine Tradition gab es kaum; die Klein- haben und für die Neugestaltung und Vertiefung des
bauten der Biedermeierzeit, die etwa von 1830 bis 1850 Wohnungsgedankens befruchtend geworden sind. Schließ-
reicht, schienen der Generation der politischen Samm- lieh ist doch wohl der Ausfluß unseres gesamten wirt-
lung Deutschlands unwürdige Machwerke, armselige schaftlichen und nationalen Lebens zu einer Triebkraft
Zeugen einer so großen Zeit. Wir wissen, daß die in der Neugestaltung der Dinge geworden. Denn in
politische Unreife auch einen wirtschaftlichen Dilettan- anderen Ländern finden wir keineswegs eine ähnlich
tismus vorfand, der zu schweren Krisen führte. Nach starke Bewegung zu Gunsten dieser Seite des Modernis-
dem Rausch kam Ernüchterung und Einsicht. Mit der mus, eine Ausnahme macht nur England, die wir mit
Zeit sind wir dann wieder aus dem Barbarismus bloßer Wohnungskultur, Eigenhaus- und Gartensladtbewegung
Zivilisation zu kultureller Arbeit gelangt. Nicht nur im umschreiben, die nunmehr auch die Wünsche und Rechte
politischen Sinne, sondern vor allem unabweisbarer des kleinen Mannes mit einschließen. Zwar ist Eng-
Kulturforderungen nach mußten wir erst wieder zu einem land darin vorbildlich und sehr erfolgreich vorgegangen,
Volkskörper zusammenwachsen. Dafür bildeten sich die hat uns auch moralisch mitgerissen; es muß nun aber
Ansätze vor etwa fünfzehn Jahren. Es muß lobend auch Zeuge sein, daß wir bereits einen großen Vor-
anerkannt werden, daß der Kampf gegen den Unge- sprung gewonnen haben, und daß es uns gerade unsere
schmack, ja gegen das Ungesunde in unserem eigent- auf breitere Grundlage gestellte soziale Gesetzgebung
liehen offiziellen Leben, wie schon so oft, namentlich ermöglicht, der Eigenhaussiedelung und Kleinwobnungs-
in politisch kritischen Zeiten, auch hier aus einer zu- frage weitere Grenzen und schnellere Verwirklichung zu
nächst mehr literarischen und schöngeistigen Bewegung sichern. Hinter diesen Forderungen und Aufgaben steht
herauswuchs. Es waren daran aber nicht nur Literaten, bei uns eigentlich das ganze Volk. Staat und Gesell-
sondern Maler, Bildhauer, Architekten, ja auch Ärzte, schaff, Kommunen und Kreisausschüsse, industrielle
Juristen, Politiker, Wissenschaftler, man möchte sagen, Werke und Verbände, gemeinnützige Gesellschaften,