INNEN-DEKORATION
ARCHITEKT
RUDOLF
SCHWEITZER
STUTTGART.
WOHNHAUS
DES HERRN
LIPPMANN
STUTTGART.
VON DER SCHÖNHEIT IM KUNSTGEWERBE.
Diese Zeilen wollen nichts sein als ganz persönliche
Notizen und Wünsche eines Kunstfreundes, der
bestrebt ist, dem modernen Kunstgewerbe immer
noch mehr Eingang zu verschaffen in die vornehmsten
und elegantesten Häuser Deutschlands. Gibt es doch
noch gar viel zu tun; bevorzugen doch höchste Kreise
noch immer alten bric ä brac, alte Möbel, alte Rahmen,
alte Silberwaren, alte Formen überhaupt vor modernem
Kunstgewerbe, modernen Formen. Und das Urteil der
Franzosen über die in Paris im Vorjahre ausgestellten
Räume und Möbel moderner deutscher Künstler dürfte
ein nicht zu unterschätzendes Echo diesseits des Rheines
in jenen Kreisen gefunden haben, die uns Modernen
noch ablehnend oder kühl gegenüberstehen.
Man hat uns zwar in Paris bestätigt, daß wir rich-
tige Wege eingeschlagen, daß wir sie energisch verfolgt
haben. Aber in der Verfolgung dieses Weges erscheinen
wir den Nachbarn zu einseitig. Und noch etwas hat
sie befremdet, hat ihnen mißfallen. Sie finden ganz
besonders unsere modernen Damenzimmer und
Damenmöbel zu ernst in den Formen, zu finster in
der Farbe, zu einheitlich in Ton und Stimmung. Sie
sagen geistvoll: das scheinen Zimmer zu sein für
»Frauen, die der Liebe und dem Leben entsagt haben«.
1911. IX. 3.
Nichts scheint mir von all den französischen Urteilen
so treffend zu sein wie dieses letzte Wort. Es ist
treffend in der Charakteristik der Frau, des Weibes,
der Dame, und zwar des Weibes jenseits aller nationalen
Grenzen und Eigenheiten. Mir scheint tatsächlich, daß
wir in der modernen kunstgewerblichen Bewegung nichts
vergessen haben als eben dieses ewig-weibliche Element,
des Weibes Neigung zur leichteren Lebensauffassung,
zur liebenswürdigen Form, zum heiteren Spiel. — Ge-
wiß, wo so viel ernstes geleistet wurde, ist ein solches
Vergessen verständlich — verständlich zumal ja die
Frau im ernsten Kampf um Anerkennung draußen im
Leben uns ernster erscheint, denn früher. Man hat ja
auch schon vor gut zehn Jahren theoretisiert, der Typus
der »Dame«, der »gnädigen Frau« sei verschwunden,
müsse verschwinden. Aber keine Theorie kann weg-
leugnen, daß des Weibes Lust, Laune und Leben andere
Umwelt liebt als der Mann. Je verfeinerter die Kultur,
um so mehr spricht sich das Verlangen nach anderer
Umwelt aus. Nicht Theorien bestätigen das — sondern
Tatsachen, die wir schärfer ins Auge fassen sollten.
Denn nicht die Franzosen allein urteilen so über unsere
modernen Damenzimmer, : auch die Engländer — und
bei uns selbst fast einheitlich die Gesellschaftsklasse,
ARCHITEKT
RUDOLF
SCHWEITZER
STUTTGART.
WOHNHAUS
DES HERRN
LIPPMANN
STUTTGART.
VON DER SCHÖNHEIT IM KUNSTGEWERBE.
Diese Zeilen wollen nichts sein als ganz persönliche
Notizen und Wünsche eines Kunstfreundes, der
bestrebt ist, dem modernen Kunstgewerbe immer
noch mehr Eingang zu verschaffen in die vornehmsten
und elegantesten Häuser Deutschlands. Gibt es doch
noch gar viel zu tun; bevorzugen doch höchste Kreise
noch immer alten bric ä brac, alte Möbel, alte Rahmen,
alte Silberwaren, alte Formen überhaupt vor modernem
Kunstgewerbe, modernen Formen. Und das Urteil der
Franzosen über die in Paris im Vorjahre ausgestellten
Räume und Möbel moderner deutscher Künstler dürfte
ein nicht zu unterschätzendes Echo diesseits des Rheines
in jenen Kreisen gefunden haben, die uns Modernen
noch ablehnend oder kühl gegenüberstehen.
Man hat uns zwar in Paris bestätigt, daß wir rich-
tige Wege eingeschlagen, daß wir sie energisch verfolgt
haben. Aber in der Verfolgung dieses Weges erscheinen
wir den Nachbarn zu einseitig. Und noch etwas hat
sie befremdet, hat ihnen mißfallen. Sie finden ganz
besonders unsere modernen Damenzimmer und
Damenmöbel zu ernst in den Formen, zu finster in
der Farbe, zu einheitlich in Ton und Stimmung. Sie
sagen geistvoll: das scheinen Zimmer zu sein für
»Frauen, die der Liebe und dem Leben entsagt haben«.
1911. IX. 3.
Nichts scheint mir von all den französischen Urteilen
so treffend zu sein wie dieses letzte Wort. Es ist
treffend in der Charakteristik der Frau, des Weibes,
der Dame, und zwar des Weibes jenseits aller nationalen
Grenzen und Eigenheiten. Mir scheint tatsächlich, daß
wir in der modernen kunstgewerblichen Bewegung nichts
vergessen haben als eben dieses ewig-weibliche Element,
des Weibes Neigung zur leichteren Lebensauffassung,
zur liebenswürdigen Form, zum heiteren Spiel. — Ge-
wiß, wo so viel ernstes geleistet wurde, ist ein solches
Vergessen verständlich — verständlich zumal ja die
Frau im ernsten Kampf um Anerkennung draußen im
Leben uns ernster erscheint, denn früher. Man hat ja
auch schon vor gut zehn Jahren theoretisiert, der Typus
der »Dame«, der »gnädigen Frau« sei verschwunden,
müsse verschwinden. Aber keine Theorie kann weg-
leugnen, daß des Weibes Lust, Laune und Leben andere
Umwelt liebt als der Mann. Je verfeinerter die Kultur,
um so mehr spricht sich das Verlangen nach anderer
Umwelt aus. Nicht Theorien bestätigen das — sondern
Tatsachen, die wir schärfer ins Auge fassen sollten.
Denn nicht die Franzosen allein urteilen so über unsere
modernen Damenzimmer, : auch die Engländer — und
bei uns selbst fast einheitlich die Gesellschaftsklasse,