XL11. JAHRG.
DARMSTADT
SEPTEMBER 1931
DIE WOHNUNG EINES ARZTES
EINE NEUE ARBEIT VON FRITZ GROSS—WIEN
Die »Wohnung Dr. B. in Wien« stellt inner-
halb des reichen Werkes von Fritz Gross
hohes Gelingen dar. Ein umso merkwürdigeres,
als die gegebenen räumlichen Verhältnisse einer
freien Gestaltungs-Möglichkeit nicht gerade dien-
lich waren und die Durchführung des Program-
mes — einer durchgehenden Trennung zwischen
Wohn- und Ordinations-Trakt — eine völlige Um-
gruppierung der Räume, bei beschränkten Umbau-
Möglichkeiten innerhalb einer Mietwohnung in
einem Wiener »Renaissance«-Palais der siebziger
Jahre, nötig machte. . Ursprünglich auf Repräsen-
tation angelegt, fanden sich in dieser »herrschaft-
lichen« Wohnung nur kärgliche und entlegene, nicht
zweckentsprechende Nebenräume vor. Küche,
Garderobe, Badezimmer, Dienerzimmer, eine
eigene Etagen-Heizung u. a. m., abgesehen von der
speziellen Ausgestaltung der Ordinations-Räume,
mußten dem neuen Wohnplan entsprechend ein-
geordnet bezw. neu geschaffen werden. Die Ver-
schiebung einiger Wände, Durchbruch mehrerer
Türen, verschiedene Einbauten ermöglichten die
Erzielung eines gut organisierten Wohnsystems
innerhalb der aus dem veralteten Bau sich ergeben-
den Schranken. . Der reichlich blühende Decken-
stuck, der nicht abgetragen werden durfte, mußte
hinter Rabitzdecken verschwinden, — ein Umstand,
der es dem Architekten ermöglichte, in den ein-
zelnen Räumen verschieden hohe Decken zu ge-
stalten und zum Teil Nischen-Wirkungen mit
diffuser Beleuchtungs - Möglichkeit zu erreichen,
wobei gleichzeitig durch die verringerten Fenster-
sturz-Höhen die Schattenbildung auf ein Minimum
reduziert wurde. All das erforderte viel Kom-
bination und peinlichste Raumnutzung, aber das
Charakteristische dieser Wohnung beginnt erst
mit der künstlerischen Leistung. Es ist die ban-
nende Schönheit der Räume, die Wirkung jedes
einzelnen Raumes und ihre ineinander gleitende
Abstimmung, die dieser Wohnung ihre Bedeutung
gibt. .Vor allem der Zusammenklang von Mate-
rial, Farbe und Form aus dem jeweiligen Grund-
motiv heraus. Schon die Halle, — abgewonnen
dem ursprünglich großen Eingangsraum durch eine
kombinierte »Wand mit großem Blumen-
fenster« und doppelseitig ausgenützten Schreinen,
an der jetzt die Kleider-Ablage vorbeiführt,
empfängt vom dominierenden Fenstergarten nicht
nur ihr Licht, sondern auch eine sanfte vegetative
Bewegtheit, die sich in Farben und Linien allen
1931. IX. 1.
DARMSTADT
SEPTEMBER 1931
DIE WOHNUNG EINES ARZTES
EINE NEUE ARBEIT VON FRITZ GROSS—WIEN
Die »Wohnung Dr. B. in Wien« stellt inner-
halb des reichen Werkes von Fritz Gross
hohes Gelingen dar. Ein umso merkwürdigeres,
als die gegebenen räumlichen Verhältnisse einer
freien Gestaltungs-Möglichkeit nicht gerade dien-
lich waren und die Durchführung des Program-
mes — einer durchgehenden Trennung zwischen
Wohn- und Ordinations-Trakt — eine völlige Um-
gruppierung der Räume, bei beschränkten Umbau-
Möglichkeiten innerhalb einer Mietwohnung in
einem Wiener »Renaissance«-Palais der siebziger
Jahre, nötig machte. . Ursprünglich auf Repräsen-
tation angelegt, fanden sich in dieser »herrschaft-
lichen« Wohnung nur kärgliche und entlegene, nicht
zweckentsprechende Nebenräume vor. Küche,
Garderobe, Badezimmer, Dienerzimmer, eine
eigene Etagen-Heizung u. a. m., abgesehen von der
speziellen Ausgestaltung der Ordinations-Räume,
mußten dem neuen Wohnplan entsprechend ein-
geordnet bezw. neu geschaffen werden. Die Ver-
schiebung einiger Wände, Durchbruch mehrerer
Türen, verschiedene Einbauten ermöglichten die
Erzielung eines gut organisierten Wohnsystems
innerhalb der aus dem veralteten Bau sich ergeben-
den Schranken. . Der reichlich blühende Decken-
stuck, der nicht abgetragen werden durfte, mußte
hinter Rabitzdecken verschwinden, — ein Umstand,
der es dem Architekten ermöglichte, in den ein-
zelnen Räumen verschieden hohe Decken zu ge-
stalten und zum Teil Nischen-Wirkungen mit
diffuser Beleuchtungs - Möglichkeit zu erreichen,
wobei gleichzeitig durch die verringerten Fenster-
sturz-Höhen die Schattenbildung auf ein Minimum
reduziert wurde. All das erforderte viel Kom-
bination und peinlichste Raumnutzung, aber das
Charakteristische dieser Wohnung beginnt erst
mit der künstlerischen Leistung. Es ist die ban-
nende Schönheit der Räume, die Wirkung jedes
einzelnen Raumes und ihre ineinander gleitende
Abstimmung, die dieser Wohnung ihre Bedeutung
gibt. .Vor allem der Zusammenklang von Mate-
rial, Farbe und Form aus dem jeweiligen Grund-
motiv heraus. Schon die Halle, — abgewonnen
dem ursprünglich großen Eingangsraum durch eine
kombinierte »Wand mit großem Blumen-
fenster« und doppelseitig ausgenützten Schreinen,
an der jetzt die Kleider-Ablage vorbeiführt,
empfängt vom dominierenden Fenstergarten nicht
nur ihr Licht, sondern auch eine sanfte vegetative
Bewegtheit, die sich in Farben und Linien allen
1931. IX. 1.