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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 7.1896

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Pariser Diners
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https://doi.org/10.11588/diglit.7394#0031

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Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Zanuar-l)eft.

^ariser^ ^Winrrs.

Krn spricht gewöhnlich von den Tugenden, welche man am
wenigsten besitzt", läßt in seinem berühmten Lustspiel Lessing
Minna von Barnhelm sagen und sicher hat schon Jeder
Gelegenheit gehabt, die Wahrheit dieses Wortes wohl weniger an sich, aber
dafür um so öfter an Anderen zu erproben.

Welcher Eigenschaften wir Deutschen am häufigsten Erwähnung thun
und deren wir uns also in Wirklichkeit am wenigsten rühmen können, weiß
ich nicht, dazu mangelt es mir eben an der nöthigen Selbslerkenntuiß; den
Franzosen stehe ich aber natürlich nicht parteiisch — auch nicht im ungünstigen
Sinne — gegenüber und bemerke so, wie überhaupt jeder Fremde, daß sie
mit Vorliebe die Worte „Asnsrositö" und „liospitulits" im Munde führen.
Und gerade Großmnth und Gastfreundschaft sind die Tugenden, die in
Frankreich nur selten anzutreffen sind, denn diese bedingen einen von Kleinlich-
keiten entfernten Karakter, wie ihn dieses „weiblichste Volk" Europas nicht
besitzt. — Der Franzose, und besonders der pariser, glaubt dadurch bereits
eine große Gastfreundschaft auszuüben, daß er die Mauern seiner Stadt willig

Die Einrichtungen der modernen Wohnungen sind im Allgemeinen sehr
schön, englischer Komfort verbindet sich mit französischer Eleganz und gibt
dem Ganzen etwas sehr Anheimelndes. Die Speisesäle sind beispielsweise
weit ruhiger gehalten, als dies in Deutschland der Fall ist, aber erscheinen
bei aller Einfachheit doch vornehm und reich. Eine Holztäfelung von
geringer Höhe läuft rund herum und von der Decke bis zu derselben reichen
Gobelins oder Taxisserien von Beauvais oder Aubuisson. Bei anderen ist
die Täfelung eine höhere und bildet oben eine vorspringende Konsole, auf
der einige kunstvolle Vasen und alte schwere Silber-Grnamente, aber nur in
großen Zwischenräumen vertheilt, Platz finden. Die Tapete besteht aus
korduanischem Leder. Ein hoher Kamin im Stile lprunoois I. aus weißem
Stein, weißem oder röthlichem Marmor, oder aber auch aus reich geschnitztem
Eichenholz füllt fast die eine Seitenwand aus. In diesen großen Speisesälen
ist ein viereckiger sehr massiver Tisch äs rigusnr, sowie kleine, offene, schwere
Kredenzen und viereckige, kleine Tischchen zum Vorschneiden und Abräumen.
Ueber den großen Speisetisch breitet sich ein weißes, reichdamassirtes und
übermäßig gestärktes Tischtuch. — Letzterer Umstand verdient Erwähnung,
da es hier durchaus nicht so allgemeiner Gebrauch ist, Tischzeug zu stärken,
wie in Deutschland. — Au den Breitseiten des Tischtuches, aber ziemlich weit
hinauf ist je das Monogramm, das die Namen der Eheleute vereint, ein-

Abbildung Nummer 28Z. Studir- und Arbeits-Zimmer. Entwurf von Architekt Kuhn.

dem Fremden öffnet, d. h. dem reichen Fremden, der sein Geld innerhalb
derselben ausgibt, und daher bezeichnet er sie auch stolz als I'undsi-Zs äu.
naoiiäs; aber sie ist eben ein Gasthaus, in welchem man bezahlt, wo aber
auf Freundschaft nicht gerechnet werden darf.

Selbst für die intimeren Freunde öffnet sich die kleine Festung — „rnz-
Ironss is inz- oustls" könnte der Franzose im anderen Sinne sagen — nur
einmal in der Woche, man erscheint des Nachmittags auf wenige Minuten,
nimmt eine Tasse Thee und verschwindet sofort, sobald ein neuer Gast in
der Thür des Salons sichtbar wird.

Dis immer mehr und mehr herausgerllckte Speisestunde (8, selbst 8p's Uhr)
hat die englische Sitte, um 5 Uhr den Thee zu servireu, eingeführt, zum
großen Nachtheile der früheren so angenehmen Abendreunions, wo der
französische prickelnde Geist Anregung fand und statt der Kulans an Don
ounss diso, haben wir nun nur Häuser, wo man gut ißt. Denn außer den
Empfaugstagen sieht man sich doch hin und wieder genöthigt, Diners zu
geben, und diese gelten dann als Ereignisse von allerhöchster Bedeutung, denen
die größte Aufmerksamkeit zugewendet wird. Die Zahl der Geladenen ist
gewöhnlich ts —2H — in England pflegt man sich auf ;2 zu beschränken —
und nach dem Diner kommen meist noch einige intime Freunde des Hauses,
um musikalischen Vorträgen, der Deklamation eines beliebten Schauspielers
oder den Couplets einer Osckä olmntsmb - Sängerin so vo^os zu lauschen.

^ gestickt, sodaß Zeder der Beiden, die dem Tisch präsidiren, das Monogramm
vor sich hat. Eine sehr schöne Mode ist es, über das weiße Tischtuch einen
Läufer von Atlas (und zwar Möbel-Atlas, da der gewöhnliche nur so oro
breit ist) zu legen und rund herum eine Guirlande von Blumen oder frischen
Blättern. Zn der Mitte des Läufers erhebt sich ein breiter Aufsatz, welcher
über dem Atlas hinweg zu beiden Seiten noch das Tischtuch berührt, an
jedem Ende ein kleiner Aufsatz. Alle drei sind stets niedrig, damit sie das
Gesicht des Gegenübersitzenden nicht verdecken. Kleine Figuren aus Dresdener-
oder Ssvres-Porzellan sind auf dem Läufer hingestreut, vor dem Couvert
jeder Dame steht ein kleines Gpalglas mit einer meist recht stark duftenden
Blume. Wunderschön mar eine Dekorirung, wo der Läufer aus lichtgrünem
Atlas bestand und Parmaveilchen die Einfassung bildeten, sowie eine andere,
wo rosenrotster Atlas die Mitte einnahm und von Frauenhaar und Farren-
kräutern umgeben war.

Als schönste Beleuchtung betrachtet man immer noch solche durch
Kerzen, die von an den wänden vertheilten Armleuchtern oder aus den
massiven Kandelabern, welche den Tisch zieren, herabstrahlen. Da jedoch
die großen Speisesäle schwer zu beleuchten sind und die späte Dinerstunde
es selbst im Sommer — die Saison dauert hier bis Mitte Zuli — nicht
gestattet, bei Tageslicht zu essen, wird jetzt größtentheils das weniger poetische
Gas in Kupferliistern oder solchen aus geschmiedetem Liseu mit eiuer großen
 
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