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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 7.1896

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Minkus, Fritz: Innen-Dekoration auf der Wiener Kongreß-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7394#0097

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April-Heft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Seite 67.

Innkn-Dkkoration auf der Wiener Kongreß-Ausstellung.

(^i>m Z5. Februar wurde in Wien in Anwesenheit des Kaisers die Kongreß-

Ausstellung im k. k. österr. Museum sür Kunst und Industrie in feier-
licher Weise eröffnet. Der Plan der Ausstellung, die uns eine äußerst
glänzende Epoche aus der Geschichte Wiens — die Zeit des Wiener
Kongresses — vor Augen führt, stammt von dem früheren Direktor des
Museums, dem bekannten Kunstgelehrten Hofrath Jacob von Falke; sein
Nachfolger in der Direktion, Hofrath Bücher, hat ihn mit außergewöhnlicher
Energie ins Werk gesetzt: das Resultat ist eine Ausstellung, wie sie seit
lange nicht in den Räumen des wiener Kunstgewerbe-Museums zu sehen
war — ein vollabgerundetes Ganzes, ein
bei seiner ungemeinen Reichhaltigkeit über-
sichtliches und klares Bild der Zeit um

Nicht nur der österreichische Hof. stimmt-
liche Familien des österreichischen Hochadels,
eine große Anzahl inländischer Museen und
Privatsammler, auch fast sämmtliche beim
Wiener Kongreß vertretenen Länder, vor
Allem die betreffenden Höfe. der preußische,
der russische, der englische usw.. haben Bei-
träge in einer Reichhaltigkeit eingesandt.
wie sie bisher wenig Ausstellungen aufge-
wiesen haben dürften.

Porträts aller Potentaten. Staatsmänner
und Generäle jener Zeit, in Gel und Stich,
bedecken die Wände; Schmucksachen. Nippes,

Porzellan. Tafel-Aufsätze. Fächer. Medaillen,

Miniaturen, die bekannten Dosen. Geschenke
der Monarchen mit ihrem Bildniß in inehr
oder minder kostbarer und künstlerisch werth-
voller Umrahmung. von denen sich zur
Kongreßzeit ein wahrer Regen auf die ver-
schiedenen Betheiligten ergossen zu haben
scheint, erfüllen die Vitrinen, hier ruht die
liebliche Gestalt der Königin Louise auf
ihrem Sarkophag, ein Abguß der herrlichen
Schöpfung Rauchs im Charlottenburger
Mausoleum, dort fesseln Darstellungen der
rauschenden Festlichkeit des Wiener Kon-
gresses. da des Gemetzels der Napoleonischen
Schlachten unseren Blick; daneben allerlei
Kuriosa, die den Liebhaber historisch-anekdo-
tischen Kleinkrams begeistern müssen; der
von Napoleon auf der Fahrt nach Elba
benutzte Bleistift, der Degen, den Napoleon
in Erfurt dem Lzaren Alexander I. über-
reicht. eine Unmenge von Uniformen, von
diesen und jenen Lelebritäten aus der Na-
poleonischen Zeit getragen. — Ein großer
Saal ist angesüllt mit Pracht-Karossen aus
der Kongreßzeit, die in ihrem reichlichen
Schmuck, vor Allem aber durch die scheinbar
unerreichbare Höhe ihrer Sitze wohl sehr
von unseren modernen, prunklosen, aber
bequemen wagen abstechen.

So vielseitig und scheinbar in Details
ausgelöst sich das oberflächliche Gesammtbild
der Ausstellung darbietet, so werden die
zahllosen verschiedenartigen Gegenstände geeint durch die schattenhaft hinter
den unscheinbarsten Nippes auftauchende Gestalt des mächtigen Korsen, die
wieder einmal auferstanden ist. für wenige Wochen in dieser Welt des Kleinen
zu dominiren, wie sie vor 90 Jahren über die ganze große Welt despotisch
domiuirt hat.

Für den Kunstgewerbler bietet die Ausstellung mancherlei Interesse,
und auch der Jnneu-Dekoratör findet so Manches, was seine Aufmerksamkeit
fesselt; den letzteren werden namentlich, neben den zahllosen Jnnen-Anfichten
von Sälen und Zimmern, die drei Interieurs interessiren. welche die Aus-
stellung enthält, die Arbeitszimmer des Kaisers Franz I.. des Staatskanzlers
Fürsten Metternich und des Feldmarschalls Fürsten von Schwarzenberg. Diese
Räume sind in ihrem Arrangement bis in die kleinste Einzelheit ihren
Griginalen nachgebildet, und jedes Stück vom Schreibtisch, von den Schränken
und Stühlen an bis zur Kielfeder auf dem Tintenfaß, ist „echt" und wird
seit jener Zeit getreulich aufbewahrt. Während die Zimmer Schwarzenbergs
und Metternichs, welch letzterer bekanntlich ein Mann von feinstem Kunst-
geschmack war. in ihrer Ausstattung noch mancherlei Reminiscenzen an das

Rokoko enthalten und dadurch einen üppigeren und zugleich behaglicheren
Eindruck machen, als es sonst Zimmern der Empirezeit eigenthümlich ist.
umweht uns im Arbeitszimmer Franz I. der Geist des Empire, schon stark
mit biedermännischen Zügen untermischt, in seiner ganzen nüchternen Reiz-
losigkeit: das Publikum staut sich in dem Raume und ergeht sich gerührt in
Ausdrücken der Verwunderung, daß ein mächtiger Mann, der Beherrscher
eines gewaltigen Kaiserreiches, mit diesem bescheidenen, ja dürftigen Raume
vorlieb genommen, hier seine Tage verbracht, sich hier wohlgefühlt habe,
in diesen mit eisigem Graublau bedeckten wänden, die ein steifer pompeja-
nischer Fries bekrönt, inmitten der stelzbeinigen Langweiligkeit der mit gift-
grünem Rips spärlich gepolsterten Sessel, dein gräulich gestickten Papierkorb
und dem ebenbürtigen Fensterschirm. Der Kunstfreund muß unwillkürlich
an die heute verschlossenen Säle denken, die. ein paar Schritte weiter, die

permanente Sammlung des Museums ent-
halten, mit ihren prächtigen Schätzen herr-
lichen Hausrathes des Mittelalters, der
Renaissance, der Barock- und Rokokozeit.

Die zahlreichen Möbel, die die Aus-
stellung außerdem enthält, sind meist Möbel
des reicheren Empirestiles, hier und da mit
Anklängen an den Directoire-Stil oder an
das Louis XVI.; es ist ein Beweis, wie
sehr wir heutzutag bereits wieder an das
Empire gewöhnt sind, daß uns dieser Theil
der Ausstellung nicht im geringsten den
Eindruck hervorruft, den sonst historische
Ausstellungen erwecken: das Bewußtsein,
in eine fremde Zeit versetzt zu sein. Wir
vergessen hier eine Zeit lang, daß es eine
Ausstellung ist und glauben uns in einem
modernen Salon. Und inan kann nicht
leugnen, daß unter den ausgestellten Empire-
Möbeln wirklich äußerst ansprechende Formen
und Dekorationsarten, ja oft — wenn man
sich Mühe gibt, zu vergessen, daß dies Alles
eine Kopie klassischer Formen sein soll. —
recht viel Griginalität zu finden sind; aber
ein Blick in jenes Arbeitszimmer genügt
uns. den Empirestil in seiner gleißnerischsten
Form als Vater der Biedermäunerzeit ins
Gedächtniß zu rufen, und ein Gedanke an
die Schätze früherer Jahrhunderte in den
verschlossenen Nebensälen kennzeichnet uns
den weg, den unser Kunstgewerbe einzu-
schlagen hat. um in schönen Bahnen zu
wandeln und nicht auf die drohend heran-
nahende Wiedergeburt der Biedermännerzeit
loszusteuern.

Trotzdem kann der Kunstgewerbler hier
Manches lernen; zahlreiche schöne Holz-,
Leder- und Sammtkassetten weisen einen
Schmuck aus diamantirten Stahlleisten und
-Beschlägen auf. eine überaus blendende und
gediegene Verzierungsmethode, die heute
völlig vergessen zu sein scheint. Ebenso
beweisen Gegenstände aus Stoffen von leuch,
tender, kräftiger Farbe, daß es. um Harmonie
zu erreichen, durchaus nicht nöthig ist. in
verblaßten und verschwommenen Tönen zu
arbeiten, wie es der moderne Geschmack
liebt. Auch die Anwendung der Miniatur-
malerei, die heute so im Argen liegt, zur Auslegung von Tischchen, Kästchen
und sonstigen kunstgewerblichen Arbeiten, erweist sich uns in der Ausstellung
an zahlreichen Gegenständen (vor Allem an einem entzückenden Tischchen
mit einer xultartig aufklappbaren Platte, die auf Elfenbein gemalt, in feinster
Ausführung die Geburt des Königs von Rom darstellt) als äußerst an-
sprechende Verzierung.

In ihrer Gesammtheit bietet die Ausstellung dem Freunde der Geschichte
und der Kulturgeschichte ein unvergleichlich reiches und trefflich angeordnetes
Bild einer bedeutsamen Periode der Weltgeschichte, dem Knnstforscher eine
willkommene Gelegenheit, die Kunstformen jener Zeit eingehend zu studiren;
der ausübende Kunstgewerbler möge sich aber für seine Arbeiten besser aus
den Nachbarsälen Raths erholen, die mit ihrer reichen Mustersammlung aus
Zeiten unerreichter Kunstgröße seinen Schöpfungen stets neuen, echten künst-
lerischen Adel verleihen werden. —

Irih Winkus, Wien.
 
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